Michael Schenk

Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt


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Grollen über ihnen wurde lauter, und die ersten Regentropfen fielen.

      Im Sommer waren diese Unwetter verheerend genug. Der Boden war dann

      von der Sonne derart ausgetrocknet, dass er die Wassermengen, die ein

      Regensturm brachte, nicht schnell genug aufnehmen konnte. Im Tal von

      Eternas trat dann gelegentlich der kleine Fluss Eten über die Ufer, und immer

      wieder lösten sich bei den heftigen Güssen Felsen aus den Hängen und

      stürzten herab. Aber das war nichts im Vergleich zur Gewalt eines

      Gewittersturms, wie er im Herbst oftmals tobte. Dabei fielen nicht nur

      Regentropfen vom Himmel herab, sondern auch dicke Hagelkörner, die

      Mensch und Tier verletzen und Gebäude beschädigen konnten. In der hoch

      gelegenen Mark Garodems waren diese Stürme besonders berüchtigt.

      Auch dieses Unwetter würde bedrohlich werden, das spürte Kormund

      sofort. Schon in die ersten Regentropfen mischten sich winzige Eisbröckchen,

      die wie Nadeln auf die ungeschützte Haut einstachen. »Beeilung, Männer, es

      wird ein schwerer Sturm.«

      Doch die anderen brauchten nicht angetrieben zu werden. Sie kannten die

      Gefahren, und alle waren erleichtert, als sich endlich das kleine Tal vor ihnen

      öffnete, in dem Balwins Gehöft lag.

      Eigentlich wurde ein Gehöft nach seinem Besitzer genannt, aber in diesem

      Falle war es anders. Denn Balwins Gehöft gehörte Nedeam, dem Ersten

      Schwertmann der Hochmark, der es von seinem verstorbenen Vater

      übernommen hatte. Viele Jahreswenden hatte es dem jungen Pferdelord und

      seinem älteren Mentor Dorkemunt als Heimstatt gedient. Gemeinsam hatten

      sie hier ein wenig Hornvieh und ihre Schafe gezüchtet, doch seitdem Nedeam

      als Schwertmann Garodems in Eternas diente, bewirtschaftete sein Freund

      Dorkemunt den kleinen Hof allein, auch wenn es ihm im Alter zunehmend

      schwerfiel.

      Der kleinwüchsige Pferdelord ließ sich das nur ungern anmerken, aber die

      vielen Jahre, die er kämpfend im Sattel verbracht hatte, hatten ihre Spuren

      hinterlassen. Dorkemunt nahm dies ohne großes Murren hin und hatte im

      letzten Jahr die Witwe eines Pferdelords und deren zwei Söhne bei sich

      aufgenommen, die nun bei ihm lebten und ihm zur Hand gingen.

      Der Regen wurde dichter und nahm den Männern zunehmend die Sicht.

      Glücklicherweise war er noch nicht stark von Hagel durchsetzt, doch das

      würde sich rasch ändern. Kormund konnte nun die einzelnen Gebäude des

      Gehöfts ausmachen.

      An dem halb fertigen Stall waren zwei verschwommene Gestalten zu

      erkennen, und als der Trupp der Schwertmänner näher kam, hörten sie Flüche

      und das Blöken von Schafen. Schließlich erkannte Kormund seinen Freund

      Dorkemunt, der zusammen mit einem fast erwachsenen Jungen die kleine

      Schafherde unter das schützende Dach trieb. Das Donnern des Unwetters und

      das Prasseln von Regen und Eis dämpfte die Geräusche, sodass der kleine

      Pferdelord die Ankunft der Reiter erst bemerkte, als diese das Gehöft

      erreichten. Sofort verzog sich sein faltiges Gesicht zu einem freudigen

      Lächeln.

      Einer der Böcke war besonders störrisch. Dorkemunt hatte es soeben

      geschafft, das Tier an den Hörnern zu packen, und der junge Mann an seiner

      Seite schickte sich an, einen Riemen um die Hinterläufe zu binden. Das

      Schnauben von Kormunds Pferd ließ den Jungen erschrocken aufblicken, und

      der Bock nutzte die Gelegenheit. Er keilte aus, warf den Jungen hintenüber

      und stürmte dann quer über den Hof.

      »Bei den Finsteren Abgründen, packt das verdammte Biest«, schrie

      Dorkemunt wütend auf.

      Unverzüglich trieb Buldwar sein braunes Pferd an und schnitt dem Bock

      den Weg ab. Das Tier senkte die Hörner, aber der Schwertmann drehte die

      Lanze in seiner Hand und stieß das stumpfe Ende an den Schädel des

      Widerspenstigen. Der Bock sackte auf die Hinterbeine und blieb benommen

      sitzen, sodass der Junge und Dorkemunt ihn endlich fesseln konnten.

      »Habt Dank für die Hilfe«, sagte der kleine Pferdelord ächzend und grinste

      dann seinen Freund Kormund an. »Obwohl er mir nicht entkommen wäre,

      wenn Anderim sich nicht derart erschrocken hätte.«

      Der Junge zog den letzten Knoten fest und machte dabei ein beleidigtes

      Gesicht. Aber dann fiel sein Blick auf Terwin, der von dem anderen

      Schwertmann gestützt wurde. »Der gute Herr Schwertmann ist verletzt. Hattet

      Ihr einen Kampf?« Der Junge sprang eifrig auf, um zu den Reitern

      hinüberzulaufen, aber Dorkemunts Stimme hielt in zurück.

      »Der Schwertmann ist in guten Händen, was ich von unserem Bock noch

      nicht behaupten kann.« Dorkemunt wies zum halb fertigen Stall. »Bring ihn

      zu den anderen, und dann komm ins Haus.« Der alte Pferdelord wischte sich

      Regen aus Gesicht und Haaren und ignorierte die herabprasselnden Eisstücke.

      »Stellt eure Pferde unter, Freund Kormund. Ich habe unsere schon in den Stall

      gebracht. Er ist zwar noch nicht fertig, aber dieser Gewittersturm wird übel,

      und das Dach bietet etwas Schutz.«

      Kormund und der andere Schwertmann halfen dem Verletzten vom Pferd

      und führten ihn zum Haus hinüber, während Buldwar die Reittiere in

      Sicherheit brachte. Immer mehr kleine Eiskörner mischten sich in den Regen,

      und es hörte sich an, als würde ein Hagel von Pfeilen auf die Dächer

      trommeln. So waren sie alle froh, als sie den Schutz des Hauses erreichten.

      Als sie eintraten, empfing sie eine blonde Frau in mittleren Jahren, die

      beim Anblick Terwins nicht zögerte und den Männern sofort half, ihn in eine

      der Kammern zu bringen. »Helft mir, seine Kleidung zu öffnen, damit ich mir

      die Wunden ansehen kann.«

      »Wir haben sie schon versorgt, gute Frau.« Kormund legte Helm und

      Umhang ab und setzte sich seufzend auf die Bank unter dem Fenster.

      »Das will ich Euch gerne glauben, guter