Michael Schenk

Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt


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Die beiden anderen Kühe

      würden zu fliehen versuchen, aber in ihren Eutern war keine Milch, und die

      Jungen würden sich ihnen nicht anschließen.

      Die Maschen und Gewichte des Netzes glitten durch Elmoruks prüfende

      Finger, und er nickte Parnuk zu. Als dieser die Geste erwiderte, richteten sich

      die beiden Männer hinter dem Felsen auf und warfen ihre Fangnetze

      blitzschnell auf ihre Beute.

      Der Bock bemerkte die Bewegung und wandte sich ihr instinktiv zu,

      während er den Schädel senkte und die Hörner der möglichen Gefahr

      entgegenstellte. Wäre er zur Seite gesprungen, dann hätte ihn das Netz nicht

      getroffen, aber Elmoruk hatte damit gerechnet, dass der Bock sein Rudel

      verteidigen wollte.

      Die Maschen glitten über die Spitzen der drei Hörner hinweg, und das Netz

      legte sich über Schädel und Rücken des Bocks, während die Gewichte es

      zusammenzogen. Als das Tier die Berührung spürte, richtete es sich auf und

      versuchte zu entkommen, aber es war zu spät. Mit einem wütenden Blöken

      verlor es den Halt und stürzte zur Seite um. Der von Parnuk ausgewählten

      Kuh erging es nicht besser. Während die beiden gefangenen Felsböcke zu

      Boden gingen, stürmten die beiden anderen Kühe blindlings los. Zwei

      Pfeilbolzen zischten durch die Luft, und die Tiere überschlugen sich und

      blieben liegen.

      »Packt sie«, schrie Elmoruk und warf sich nach vorne.

      Sie brauchten nicht mehr vorsichtig zu sein, nun kam es auf Schnelligkeit

      an, damit der Anfangserfolg nicht zunichtegemacht wurde.

      Der Bock blökte erneut und versuchte erfolglos, wieder auf die Beine zu

      kommen. Dann sah er Elmoruk, wandte ihm den Schädel zu und stieß nach

      ihm. Doch der Zwerg wich aus, sprang an den Rücken des Tieres und fesselte

      die Beute gekonnt. Parnuk hingegen erhielt einen schmerzhaften Tritt von der

      Kuh und schrie wütend auf. Das Tier richtete sich halb auf, aber der

      Getroffene drückte es wieder nach unten. »Verdammt, packt mal mit an. Das

      Vieh wehrt sich wie verrückt.«

      »Sie will ihre Jungen schützen«, erwiderte einer der Axtschläger.

      Gemeinsam fesselten sie das Tier. Der vierte Mann stand vor den beiden

      verängstigten Jungtieren, die keinen Versuch machten, zu entkommen. Im

      Gegenteil drängten sie der gefesselten Mutter entgegen, denn ihre Instinkte

      waren noch darauf ausgelegt, Schutz und Nahrung bei ihr zu finden.

      »Ein guter Fang«, knurrte Elmoruk und richtete sich ächzend auf.

      »Ein verdammt guter Fang«, bestätigte Axtschläger Maratuk auflachend.

      »Ein starker Bock, der die Kühe ordentlich bespringen wird, und dazu ein

      Muttertier mit zwei Jungen, die rasch heranwachsen werden. Ah, ein wahrhaft

      guter Fang.«

      »Die Jungen sind groß genug und werden ins Tal laufen können.« Parnuk

      rieb sich das getroffene Bein und sah zu den beiden erlegten Kühen hinüber.

      »Das ist gut. Dann brauchen wir sie nicht den ganzen Weg zu tragen und

      können das Fleisch der beiden Kühe mitnehmen.«

      »Ja, nehmen wir sie aus. Es hat wenig Sinn, das ungenießbare Zeug

      mitzuschleppen. Schneiden wir also nur die guten Stücke heraus.« Elmoruk

      legte seine Bartzöpfe in den Nacken und verknotete sie, damit sie bei der nun

      folgenden Arbeit nicht beschmutzt würden, und zückte sein scharfes Messer.

      Während die Bauchdecken der erlegten Kühe geöffnet wurden, füllte

      Maratuk die Wasserflaschen des Trupps auf. Dann bezog er Posten an einem

      der Felsen und hielt Ausschau nach Gefahr. Unterdessen machten sich die

      anderen daran, die beiden toten Kühe auszunehmen.

      »Reibt das Fleisch gut mit Salz ein«, meinte Elmoruk. »Wir haben einen

      weiten Weg vor uns, und es soll nicht verderben.« Er deutete mit der blutigen

      Klinge auf Parnuk. »Nimm eines der Felle und schabe es sorgfältig aus, damit

      es sauber ist und wir die besten Stücke darin tragen können.«

      »Ich bin zwar zum ersten Mal auf der Jagd, aber ich weiß sehr wohl, was

      zu tun ist«, erwiderte der Schürfer errötend.

      »Dein Netzwurf war gut«, lobte Elmoruk. »Sei also nicht gleich beleidigt.«

      Der andere Axtschläger zog soeben Darm und Eingeweide aus dem Bauch

      der zweiten Kuh, trennte beides ab und warf es zur Seite. Überall stank es

      nach Blut und dem Darminhalt, den die Tiere im Tode von sich gegeben

      hatten. »Trotzdem hat er sich einen kräftigen Tritt eingefangen.« Er sah

      Parnuk forschend an. »Wirst du bis nach Hause durchhalten?«

      »Ich denke, schon.«

      »Lass mich mal sehen.« Elmoruk machte eine auffordernde Geste, dann

      steckte er das Messer in den Boden und sah zu, wie Parnuk sein Hosenbein

      nach oben zog. »Nichts gebrochen. Aber du wirst ein bunt geschecktes Bein

      und Schmerzen bekommen.« Er musterte Parnuk ernst. »Wenn es nicht mehr

      geht, dann melde dich.«

      »Es wird gehen.«

      »Wir sollten uns beeilen.« Der Wächter kratzte sich am Bart. »Da hinten

      kommt Nebel auf, und das gefällt mir nicht.«

      »Nebel? Jetzt schon?« Elmoruk erhob sich ächzend und trat zu dem

      Posten. »Es sind noch mehrere Zehnteltage bis zum Einbruch der Dunkelheit.

      Vor dem Morgen wird es keinen Nebel geben, denn die Luft ist klar und

      trocken.«

      »Sieh selbst.« Der Axtschläger wies nach Norden.

      Elmoruk beschattete seine Augen. »Du hast recht. Das sieht nach Nebel

      aus.«

      Nördlich von ihnen erstreckte sich ein ausgedehntes Geröllfeld, dessen

      Felsen im Sonnenlicht scharf konturiert wirkten. Doch hin und wieder wurden

      die Konturen von einem seltsamen Wallen verdeckt, einem milchig trüben

      Nebel, wie er am Morgen den Wechsel vom Tag zur Nacht ankündigte, zu

      dieser