Erich Puedo

Vier Tage


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»Angenommen.«

      Und sie lächelt wieder.

       »Macht ein bisschen den Eindruck, als wärst du eingeschnappt, aber wenn du nur den Kaffee nicht verträgst...«

      Jetzt, lass’ es halt gut sein, liebe namenlose Frau. Wir trinken jetzt aus. Und dann gehen wir unserer Wege und ich kann endlich wieder mein Buch lesen.

       »Und was lesen wir denn da? `Und Nietzsche weinte`? Der Nietzsche? Der Philosoph?«

      »Ja, Nietzsche, der Philosoph.«

      Habe ich Lust, mit dir über mein Buch zu reden? Alleine weiterlesen wäre auf jeden Fall eine Option, eine ganz entspannte zuchthengstfreie Option.

       »Warum weint er, der Herr Nietzsche?«

      Wenn sie nicht so eine sensationelle Stimme hätte... Ich mag sie irgendwie. Ehemann oder Zuchthengst hin oder her. Wirklich schade das ganze. Aber warum nicht das Beste machen aus den paar Minuten, bis ihr Zuchthengst eintrifft. Vielleicht wird das ja auch irgendwie interessant.

      »Der Herr Nietzsche hat auf jeden Fall ordentlich ein Ding an der Waffel. Ich bin erst auf Seite hundert und bisher hat Herr Nietzsche noch nicht geweint. Aber ich glaube, er wird weinen, weil er zugeben muss, dass er mit seinem Leben nicht klar kommt.«

       »Da muss er doch nicht gleich weinen, es kommt doch fast niemand mit seinem Leben klar..., so wirklich.«

      »Ach?«

      Niemand kommt also mit seinem Leben klar? Du auch nicht? Oder dein Ehemann nicht?

       »Gut?«

      »Was?«

       »Gutes Buch?«

      »Ich glaube, das Buch ist super, aber ich bin mir noch nicht ganz sicher. Es ist ein bisschen seltsam aber gut.«

       »Worum geht es?«

      »Da bin ich mir auch noch nicht ganz sicher, worauf es hinausläuft. Es spielt irgendwann um 1900 und irgendein Arzt versucht, Herrn Nietzsche von seinen Lebensleiden zu heilen und wird dabei, glaube ich, die Psychotherapie erfinden.«

       »Eine wahre Geschichte?«

      »Nein, ich glaube, alles frei erfunden. Aber Sigmund Freud spielt auch eine kleine Nebenrolle. Es ist so ein bisschen halbwahr alles.«

       »Aber gut?«

      »Ich glaube empfehlenswert.«

       »Darf ich es nach dir mal lesen?«

      »Klar.«

      Spontan geantwortet. Und wahrscheinlich spontan gelogen. Unwahrscheinlich, dass wir beide uns noch einmal wieder sehen werden. Du bist mir viel zu sympathisch, als dass ich gerne mit dir und deinem Ehemann zusammen rumhängen und über Bücher reden würde.

       »Das klang nicht so ehrlich, dein `Klar`.«

      »Doch, doch. Ich schenk dir das Buch sogar, wenn ich fertig bin.«

       »Gut, ich glaube, ich muss mal Klartext reden mit dir Freundchen.«

      »Freundchen?«

      Da ist es wieder dieses Lächeln. Herausfordernd, testend, unglaublich.

       »Ja, Freundchen. Was mal gar nicht geht, dass du mir hier irgendwelche Geschenke machst. Du willst Macho werden. Und das ist gut so. Machos verschenken aber keine Bücher. Machos lesen noch nicht einmal Bücher. Das muss besser werden.«

      »Was möchtest du mir sagen?«

       »Ich... ähhh... ich... Jetzt habe ich den Faden verloren. Eigentlich wollte ich... ich...«

      Was ist denn jetzt los? Wird sie gerade unsicher?

      »Alles in Ordnung? Verträgst du den Kaffee auch nicht?«

       »Ja! Ja, genau der Kaffee! Der ist schuld. Ich stottere sonst nie.«

      »Teufelszeug!«

       »Ich wollte sagen. Ich brauch’ dich.«

      »Was?«

       »Nein, Quatsch. Ich brauch’ dich natürlich nicht. Ich... Ich... Ich brauch’ dich nur als Macho.«

      »Wie bitte?«

       »Na, damit ich mich beschützt fühle.«

      »Ich glaube, die haben uns wirklich etwas in den Kaffee getan.«

      Eigentlich glaube ich, dass sie nur ihr etwas in den Kaffee getan haben, aber ich bin ja höflich.

       »Nein, ich brauch’ dich als Beschützer vor all den anderen Macho-Spaniern.«

      »Soll ich dir einen Arzt holen?«

      Ich bin zwar selber Arzt, aber mit verrückten Frauen kenne ich mich nicht aus.

       »Nein, nein. Es ist nur so...«

      »Es ist nur wie?«

       »Es ist nur so, dass ich... Mist... meine Geschichte fing so gut an...«

      »Ich verstehe nicht ganz.«

       »Mein Ehemann wird nicht kommen.«

      »Und warum nicht?«

       »Weil... Aber du musst mir versprechen, dass du es niemanden weitererzählst.«

      »Was soll ich genau wem nicht weitererzählen?«

       »Niemandem. Vor allem keinen wirklichen Vollblutmachos. Hobby-Machos, so wie du, tun ja nichts.

      »Ich verspreche hier mal gar nichts mehr.«

      WAS erzählt sie denn da?

       »Gut, dann kann ich dir auch nicht versprechen, dass mein Mann gleich nicht auftaucht.«

      »Häh?«

       »Ich brauche ein Versprechen, dass du ein braver, vernünftiger Hobby-Macho bleibst. Einer, der nichts tut.«

      »Ich tue nichts. Versprochen. Ich will nur spielen.«

       »Hmmm... Spielen ist vielleicht auch kritisch.«

      »Kommt da noch was mit Inhalt, junge Frau?«

       »Was soll denn das heißen?«

      »Ich frage ja nur.«

       »Also gut, meine Macho-Geschichte war vielleicht ein bisschen wirr, ich gebe es zu.«

      »Ach, wirklich?«

       »Ja, ich brauche dich auch nicht als machomäßigen Beschützer. Ich wollte nur... Ich wollte nur sagen... Ach, keine Ahnung... Das war nur ein Versuch, aus meiner kleinen Lügengeschichte über meinen nicht existenten Ehemann mit erhobenem Haupt wieder raus zu kommen. Ich bin alleine hier.«

      »Alleine? Kein Ehemann?«

      Na, hoppla!

       »Kein Ehemann und alleine.«

      »Na, jetzt wird es aber interessant.«

       »Nein, nein. Nichts wird hier interessant. Ich bin vor ein, zwei Problemen zu Hause weggelaufen. Alles keine Katastrophe. Ich brauche keinen Machobeschützer. Und ich brauche keinen Psychotherapeuten. Und ich werde auch nicht weinen wie Herr Nietzsche. Ich bin einfach nur alleine in den Urlaub geflogen. Mein erstes Mal. Und du warst der erste Mensch mit dem ich heute gesprochen habe. Ich wollte einfach nur mit jemandem reden.«

      »Du spinnst.«

      Und