„Ja, sieht cool aus!“
„Glaubst du, dass das echtes Gold ist?“, fragte Kai.
„Keine Ahnung, kannst ja mal anfassen!“
„Anfassen? Aber das darf man nicht!“
„Ist doch keiner in der Nähe!“
Tatsächlich waren sie in diesem Trakt ganz alleine. Überhaupt hatten sich nur wenige Besucher in die Räume des Museums verirrt. Die meisten Touristen nutzten das schöne Sommerwetter wohl eher zum Baden aus.
„Na gut, aber du stehst Schmiere.“
„Klar!“
Kai bückte sich und strich über die Beine der Figur.
„Wie fühlt sich denn Gold an?“
„Na irgendwie wertvoll...“
Einem plötzlichen Impuls folgend umschloss Kai beide Beine der Figur und zog daran. Erstaunt stellte er fest, dass sich die Statue, die auf einem runden Sockel ruhte, drehen ließ.
„He, sie springt auf“, rief Sophie aufgeregt durch den Raum.
„Nicht so laut! Willst du, dass uns jemand erwischt“, herrschte Michael sie an.
„Ist ja schon gut“, sagte Sophie im Flüsterton. „Aber seht doch mal, die Tür hat sich geöffnet!“
„War ich das etwa?“, fragte Kai mit schuldbewusster Miene. Michael und Sophie starrten ihn an.
„Dreh die Figur wieder zurück!“
Kai tat es und im selben Augenblick schloss sich die Tür wie von Geisterhand. Sie hörten noch ein leises Klicken, dann sah alles aus wie zuvor.
„Ist ja mega irre! Ich hab’s ja gesagt. Eine Geheimtür!“
Sophie lief aufgeregt auf ihren Bruder und Kai zu.
„Lasst sie uns noch mal aufmachen!“
Doch im selben Moment hörten sie Schritte, die näher kamen und dazu Stimmen.
„Mist, da kommt jemand!“
Kai richtete sich ruckartig auf und stieß dabei mit dem Kopf an das Tischchen.
„Aua!“
„Sei still!“
Sophie zog ihn von der Figur weg.
„Aber das tat weh!“
„Ist ja gut. Jetzt kommt mit in den nächsten Raum. Sonst machen wir uns noch verdächtig!“
Sophie zupfte ihren Bruder am T-Shirt und verschwand mit ihm durch die Türöffnung in den nächsten Ausstellungsraum. Kai folgte ihnen und rieb sich dabei den Kopf. Einen Augenblick später tauchte ein älteres Ehepaar auf. Die Frau zeigte aufgeregt auf die verschiedenen Gegenstände und stieß dabei spitze Töne aus.
„Aahh! Uuhh! Sieh mal, Alfred. Sieht das nicht toll aus?“
„Ja.“
„Und hier! Das ist ja herzallerliebst!“
„Ja.“
„Oh, Alfred, ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst blicken soll!“
„Ja.“
Sophie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Ich glaube, wir haben jetzt genug gesehen“, meinte sie zu den Jungen. „Lasst uns gehen. Draußen können wir dann über die Geheimtür reden!“
Die letzten Worte sagte sie im Flüsterton, damit sie von der Dame, die ein grell pinkfarbenes Kleid mit dazu passendem Hut trug, nicht gehört wurde. Der Mann steckte in einem knallig bunten Hawaiihemd, das über seinem Bierbauch gar mächtig spannte.
Sophie, Kai und Michael sagten höflich Guten Tag und beeilten sich dann, die Treppe hinunter zu kommen. Als sie durch die Tür ins Freie traten, kamen ihnen schon die Eltern entgegen.
„Seid ihr soweit?“, fragte die Mutter. „Dann können wir aufbrechen. Ihr seid doch sicher schon gespannt auf den See und die Insel.“
3. Die Wunschglocke
Nachdem sie die Burg verlassen hatten, machten sie sich auf den Weg zurück zum See. Zusammen mit Zorro eilten die drei Kinder voran.
„Und du glaubst, da beginnt ein Geheimgang?“, fragte Michael seine Schwester, als sie außer Hörweite der Eltern waren.
„Ja, ganz bestimmt.“
„Und ihr meint, wir sollten den Gang untersuchen?“
Kai sah sich im Geiste schon durch feuchte niedrige Gänge kriechen.
„Na klar. Das ist doch ein Geheimnis und Geheimnisse muss man ergründen!“
Sophie ließ keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit. Kai hingegen schossen sogleich eine ganze Menge Fragen durch den Kopf.
„Aber wie stellt ihr euch das vor? Dazu müssten wir ja noch einmal in das Museum. Was wollt ihr euren Eltern sagen...?“
„Da wird mir schon was einfallen...“
Sophie dachte schon an etwas anderes, denn inzwischen hatten sie das Ufer des Sees erreicht.
„Seht mal, es ist gar nicht mehr so weit! Komm Zorro!“, rief sie und lief davon, dicht gefolgt von dem schwarzen Hund mit der hechelnden blauen Zunge.
Keine zehn Minuten später erreichten sie den Bootssteg, an dem eine Gondel vertäut lag. Es waren schon mehrere Menschen an Bord. Am Ufer stand ein kräftiger junger Mann und sprach sie schon von weitem auf deutsch an.
„Wollt ihr zur Insel fahren? Dann kommt, wir legen gleich ab.“
„Woher weiß der, dass wir deutsch sprechen?“
Michael war seiner Schwester dicht gefolgt.
„Weil die meisten Touristen, die nach Slowenien fahren, aus Deutschland oder Österreich kommen. Habe ich alles im Reiseführer gelesen.“
Sie gingen auf den Mann zu und Sophie begrüßte ihn.
„Dober dan. Wir müssen noch auf unsere Eltern warten.“
„Dober dan! Das macht nichts. Wir haben noch Zeit. Steigt schon einmal ein, Kinder. Aber seid vorsichtig. Gleich hinsetzen.“
Michael drängelte sich an Sophie vorbei und trat lässig auf das Boot, an dessen Längsseiten Sitzbänke verliefen. Als die Gondel daraufhin heftig zu schwanken begann, drohte Michael hinzufallen. Ein Herr griff geistesgegenwärtig nach ihm und drückte ihn neben sich auf die Bank.
„Gleich hinsetzen hat der Bootsmann gesagt!“
Es klang zwar nicht unfreundlich, dennoch war Michael beleidigt. Als nächste kam Sophie, die vorsichtiger einstieg und sich neben ihren Bruder setzte. Zorro sprang hinterher und brachte damit die Gondel wieder zum Schwanken, was ihn selbst aber nicht im Geringsten störte. Zuletzt stieg Kai ein.
„Da kommen unsere Eltern“, rief Michael.
Der Bootsmann nickte und betrachtete die Gäste, die bereits in der Gondel saßen. Er zählte sie und machte dabei ein zufriedenes Gesicht. Dreizehn Personen waren schon da, hinzu kamen noch die Eltern, das machte fünfzehn und bedeutete eine gute Auslastung.
„Auf der Insel befand sich wohl einst eine Kultstätte der slawischen Fruchtbarkeitsgöttin Ziva und seit dem 8. Jahrhundert eine Holzkirche“, begann Sophie aus dem Reiseführer vorzulesen. Kai und Michael hörten nur mit halbem Ohr zu. Sie blickten hinauf zu der hoch über dem Wasser gelegenen Burg, in der sie noch vor kurzem zu Mittag gegessen hatten. Beide stellten sich dabei Unterschiedliches vor.
Michael sah in seiner Phantasie von waffenstarrenden Rittern besetzte Zinnen, die auf einen Angriff warteten. Kai hingegen dachte an feuchte dunkle Gänge, die Biegungen machten und immer tiefer in den Berg hinein führten.
„Im Glockenturm der heutigen Kirche Mariä Himmelfahrt oder Muttergottes auf der Insel aus dem 17. Jahrhundert hängt eine Wunschglocke.“
Beim