Francine F. Winter

Filmstars küsst man nicht


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aus kann es losgehen.“

      Als sie die Bühne betrat, zitterten ihre Knie ein wenig, aber äußerlich wirkte sie ganz ruhig. „Meine Damen und Herren“, begann sie, „Mesdames et Messieurs, ich hoffe, `Morning Light´ hat Ihnen gefallen. Ich möchte Ihnen drei Menschen vorstellen, deren wundervolle Arbeit den Film zu dem gemacht hat, was er ist ...“

      Sie stellte die Mitwirkenden vor, die vom Publikum mit Applaus begrüßt wurden. Jeder sagte ein paar Worte. Es gab noch einmal Applaus. Dann konnten sie die Bühne wieder verlassen.

      „Das war´s fürs Erste“, sagte Sam. „Julie und ich kümmern uns noch um die Journalisten und wir sehen uns heute Nachmittag.“

      Im Hinausgehen wandte Jerome Chauvet sich an Julie. „Wann genau ist mein erster Interview-Termin?“ Er stand dicht neben ihr und schaute von oben in ihre Augen. Irgendwie eindringlich.

      Julie konnte seine Präsenz direkt körperlich spüren und das machte sie ein wenig nervös. „Oh, hat meine Kollegin Ihnen keinen Terminplan ausgehändigt? Einen Moment, das weiß ich nicht aus dem Kopf.“ Sie zückte ihr Smartphone.

      „Ach, Sie wissen es nicht?“ Wieder dieser spöttische Blick. „Machen Sie sich keine Mühe. Ich rufe Mademoiselle Dubois in Ihrem Büro an. Die kann mir sicher weiter helfen.“ Jerome rauschte ab und Julie schaute ihm schon wieder irritiert hinterher. Er war doch ein launischer Künstler. Nicht der erste, den Julie erlebte. Dabei wirkte Jerome Chauvet sonst eher zurückhaltend und bescheiden. Er schien kein Mann zu sein, der sich ständig in den Mittelpunkt stellte. Aber eigentlich war es auch egal. Oder doch nicht? Er hatte etwas an sich, das sie ärgerte. Diese unverschämte Art! Aber für die Zeit des Festivals würde sie schon mit ihm zurecht kommen und hier gab es weitaus Wichtigeres zu erleben. Ryan Parker zum Beispiel. Der war nämlich ein vollendeter Gentleman. Julie lief ein leichter Schauer über den Rücken, als sie an seine aktuelle Rolle in „Rodeo Drive“ dachte. Er war einfach unwiderstehlich!

      „Fertig“, sagte Sam eine Stunde später, nachdem er und Julie das Pressematerial an die Journalisten verteilt und diverse Gespräche geführt hatten, „wir können gehen. Ich will noch kurz bei einem Presseempfang im Majestic Hotel vorbeischauen, danach machen wir Mittagspause.“

      Im Hinausgehen zeigte Sam seiner Mitarbeiterin noch die Stände des American Filmmarket. „Es ist wie eine Messe. Hier werden Filmproduktionen angeboten und Filmrechte verkauft.“

      Julie nickte. Sie wusste, dass für viele Leute im Filmbusiness das Festival mit der Preisverleihung zum Schluss nicht das Wichtigste in Cannes war. Es ging vielmehr darum, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, Filme zu sichten, Informationen auszutauschen und Filmrechte zu kaufen.

      Sie luden die übrig gebliebenen Pressehefte in den Kofferraum ihrer Limousine.

      „Wir lassen den Wagen besser stehen und gehen die paar Schritte zu Fuß“, sagte Sam.

      Das Wetter war perfekt für einen kleinen Spaziergang. Julie atmete dankbar die milde Frühlingsluft ein und setzte ihre Sonnenbrille auf. Nach der Zeit im dunklen Kino erschien das Licht sehr grell. Sie gingen unter hohen Palmen auf dem breiten Bürgersteig, der sich oberhalb des Strandes entlang zog. Dahinter glitzerte türkisgrün das Mittelmeer.

      Plötzlich rannte ein Pulk von Menschen aufgeregt den Strand entlang.

      „Da ist etwas passiert!“ Julie sah besorgt hinterher.

      Sam grinste. „Sicher nur ein Filmsternchen oder ein Möchtegern-Model, das die Hüllen fallen lässt, um ein bisschen Publicity zu bekommen. Sobald die Fotografen hören, dass irgendwo etwas los ist, kommen sie angerannt. Das passiert hier ständig.“

      Julie betrachtete neugierig die anderen Passanten auf dem Bürgersteig. Die meisten sahen ganz normal aus, Filmstars und Models schienen nicht darunter zu sein.

      „Dort ist das Majestic.“ Sie überquerten die Croisette und gingen die breite Auffahrt entlang. Der Hoteleingang wurde von Absperrgittern mit Wachpersonal abgeschirmt. Hinter der Absperrung drängten sich Trauben von Menschen.

      „Touristen“, erklärte Sam. „Menschen aus der Umgebung, die mal einen Star sehen wollen und auch Leute, die extra eine weite Reise auf sich nehmen.“

      Als sie vortraten und ihre Akkreditierungsausweise vorzeigten, spürte Julie, wie die Blicke der Menge sich auf sie richteten.

      Die Leute überlegen, ob sich hinter der Sonnenbrille ein Filmstar verbirgt, dachte sie belustigt. Sie setzte eine unbeteiligte Miene auf und folgte Sam lässig durch die Absperrung. Sie kam sich vor wie eine berühmte Schauspielerin.

      Der Empfang war gut besucht. „Nimm dir etwas vom Buffet und trink ein Glas Champagner“, sagte Sam. „Ich will nur kurz einige Leute begrüßen.“ Er verschwand in der Menge.

      Julie begutachtete das großzügige Buffet und nahm sich ein Lachsbrötchen. Kaum hatte sie mit ihrem Teller Platz an einem der Stehtische gefunden, kam schon ein Kellner mit einem vollen Tablett und bot ihr ein Glas Champagner an.

      So lässt es sich leben und arbeiten! dachte sie und aß mit Appetit ihr Brötchen. Teure Hotels mit zuvorkommenden Angestellten, gutes Essen, Champagner, Filme angucken und Stars. Sie warf einen Blick durch den weitläufigen Raum. Die meisten Anwesenden waren sicher Geschäftsleute und Journalisten. Doch da war jemand: In einer Ecke stand ein ehemaliges Bond-Girl in einem atemberaubenden goldenen Kleid. Sie war inzwischen sicher schon über Fünfzig und sah noch immer toll aus.

      Julie holte sich noch ein paar leckere Häppchen vom Buffet. Dann wurde sie unruhig und zog ihre To-Do-Listen aus der Tasche. Es gab so unheimlich viel zu organisieren und bedenken, Vorführungstermine, Interviews, die Betreuung der Künstler. Sam verließ sich voll und ganz auf sie und Monique ... nun ja, bis jetzt war sie keine große Hilfe gewesen.

      Das war die Schattenseite dieser Arbeit: Es ging zeitweise so hektisch zu, dass kaum Zeit zum Luft holen blieb. Man musste notfalls die Nacht durcharbeiten oder ein ganzes Wochenende. Selbst im Urlaub klingelte manchmal das Handy und ganz abschalten konnte man in diesem Job nie. In ganz anstrengenden Zeiten sehnte Julie sich oft nach einem friedlichen Leben auf dem Land, aber wenn die hektischen Phasen überstanden waren, liebte sie ihren Job wieder heiß und innig. Es wurde eben nie langweilig und man traf interessante Menschen ... zum Beispiel morgen einen ganz besonders aufregenden Mann!

      Sam Cole trat zu ihr. „Ich habe ein paar wichtige Journalisten getroffen. Sie brauchen Pressehefte, Fotos und Einladungen zu den Vorführungen.“ Er gab Julie einen vollgekritzelten Zettel mit Hotel-Adressen und Telefonnummern. „Und jetzt hab ich Hunger!“, sagte er gut gelaunt. „Wollen wir hier das Buffet plündern oder irgendwo Essen gehen?“

      Sams Handy klingelte. „Oh, das ist wichtig“, sagte er nach einem Blick auf das Display. Er nahm ab, lauschte in den Hörer und wurde plötzlich kreidebleich.

      3. Kapitel

      Es war warm unter dem grellen Licht der Lampen, die für die Fotografen aufgebaut waren. Jerome versuchte, eine bequemere Haltung in seinem Sessel zu finden und seine Gesichtszüge entspannt zu halten.

      „Monsieur Chauvet, wie sind Sie dazu gekommen, Filmmusik zu komponieren?“, fragte der schwedische Journalist, der ihm gegenübersaß. Der Fotograf huschte während des Gesprächs um die beiden herum und machte Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln.

      „Nun, ich mache ja schon sehr lange Musik, hatte schon früh Klavierunterricht und habe mir als Teenager das Gitarrespielen selbst beigebracht. Ich habe als Jugendlicher in verschiedenen Bands gespielt und hatte mit Anfang zwanzig eine wilde Musikerzeit“, Jerome lachte und fuhr sich durch die dunklen Haare. „Später wurde ich etwas ruhiger und bekam Spaß am Komponieren. Den Auftrag für `Morning Light´ erhielt ich durch einen Zufall: Der Bekannte eines Bekannten erzählte mir von dem Projekt. Ich habe mich beworben und voilá ...“

      „Ich habe `Morning Light´ heute Vormittag gesehen und muss sagen, Ihre Musik ist tatsächlich so eindrucksvoll, wie man mir erzählt hatte. Sie verleiht dem Film eine ganz