Paul Gustav Kretschmar

Jagdabenteuer auf drei Kontinenten


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geht es los zur ersten Pirschfahrt. Mit einem langen dünnen Stab, ähnlich einem Taktstock, gibt Riaan unserem Fahrer die Richtung vor, in die der Pirschwagen fahren soll. Auf der deutlich erhöhten Rückbank stehend, kommt er mit dem langen „Taktstock“ leicht bis an die Windschutzscheibe, um den Wagen etwa durch zweimaliges Antippen zum Stehen zu bringen oder George durch Vorgabe der Richtung zum Abbiegen zu bewegen. Riaan, Chris und ich stehen oben auf dem Wagen, hinter uns halten die Buschmänner Besa und Matlewa Ausschau nach Wild. Sie scheinen die Tiere eher zu spüren als zu sehen, jedenfalls ist ihre Beobachtungsgabe phänomenal. Schnell lernen wir auch, uns zu ducken, wenn der Safariwagen einen Baum mit überhängenden Ästen passiert. Nicht mehr als einmal lassen wir uns Gesicht und Hände von dornentragenden Zweigen zerkratzen.

      Den Vormittag verbringen wir mit dem Abfährten von Elandwechseln, da ich bereits seit Jahren den sehnlichen Wunsch hege, auf einen dieser lautlosen Riesen zu waidwerken. Ich bin fasziniert von den Fähigkeiten der Naro-Tracker, die schon bald eine Fährte aufgenommen haben und dieser unentwegt folgen. Nach einigen Stunden brechen wir die Pirsch ab, da kein Herankommen möglich ist ...

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      Am Nachmittag zieht der Himmel sich plötzlich zu und es bilden sich dichte Gewitterwolken, die sich drohend auftürmen. Das saftige Hellgrün des Buschwerks und der leuchtend rote Sand des Wüstenbodens bilden hierzu einen imposanten Gegensatz. Der Fährtenleser Besa macht ein Rudel Gnus aus, auf die mein Bruder waidwerken will. Jetzt gilt es. Leise schieben wir uns durch das Buschwerk vorwärts. Der Wind steht gut, er zieht beständig auf die aufkommende Gewitterfront in unserem Rücken zu. Geduckt und auf jeden trockenen Ast auf dem sandigen Boden der Kalahari-Wüste achtend, pirschen wir leise hinter Besa her. Wir nähern uns dem Rudel auf etwa 80 Meter. Gedeckt hinter einem Akazienstrauch glasen wir das vor uns äsende Rudel ab. Riaan stößt einen leisen Pfiff aus und mein Bruder umgreift die Büchse in freudiger Erwartung eines braven Gnubullen fester...

      Ein Blick durch die Zieloptik lässt aber nicht etwa ein Gnu, sondern einen kapitalen, alten Elandbullen im Fadenkreuz erkennen, der sich äsend in den Schatten eines Dornenbuschs eingeschoben hat. Das ist wahrlich ein Prachtkerl, die Decke aufgrund des hohen Alters bereits blaugrau schimmernd, die Stirnlocken dunkelbraun verfärbt und die prächtig gedrehten Hörner schwarz glänzend. „Einen braveren Bullen werdet ihr hier nicht finden“, kommentiert der erfahrene Jäger Riaan. „Bist du bereit?“ fragt er und sieht mich an.

      Mein Entschluss steht fest. Wenn einen die Jagdgöttin derart anlächelt, sollte man zugreifen. Bereits seit meiner ersten Jagdreise ins südliche Afrika vor über 10 Jahren bin ich fasziniert von den größten Antilopen Afrikas, die von den Buschmännern als heilige Tiere verehrt werden. Ich bringe die Sako im Kaliber 7mm Rem. Mag über den dreibeinigen Pirschstock vorsichtig in Anschlag ... der Bulle steht spitz zu uns, doch Riaan signalisiert mir zu warten, bis er breit steht. Ich will kein unnötiges Risiko eingehen, dieses herrliche Tier waidwund zu schießen. Aufgrund ihres massiven Körperbaus und mit bis zu einer Tonne Lebendgewicht sind Elandbullen sehr schusshart. Die erste Kugel muss sitzen.

      Äsend und immer wieder verhoffend zieht der Bulle in etwa 100 Metern Entfernung aus der Deckung, wobei das Blatt aber immer von hohen Büschen verdeckt bleibt. Adrenalin schießt mir ins Blut, ich muss meinen Atem beruhigen und meinen Puls unter Kontrolle bringen. Ich erinnere mich an Jagdberichte von Waidmännern, die - geschüttelt vom Jagdfieber - aus überschaubaren Distanzen Elche oder sogar Elefanten verfehlt haben. Dies kann ich nun nachvollziehen. Das Jagdfieber hat mich erbarmungslos gepackt ... Ich warte, bis der Bulle breit steht, atme tief ein und wieder aus, dann verlässt das 11,34 Gramm Rem.-Express-Core-Lokt Geschoss den Lauf. Der Bulle zeichnet deutlich, spreizt die Vorderläufe und dreht ab. Repetieren und erneutes Zielen sind eins, das Blatt ist nach wie vor frei. Dann ist auch schon der zweite Schuss aus dem Lauf. Der Bulle dreht sich, strauchelt und kommt zu Fall, Staub wirbelt. „Good shooting!“ lobt Riaan erleichtert.

      Ehrfürchtig treten wir zu dem gefallenen Riesen und ich gebe ihm den letzten Bissen. In Stille und voller Dankbarkeit genießen wir diesen Moment. Dann ist es Zeit, mit einem kühlen Windhoek-Lager auf mein unerwartetes Waidmannsheil anzustoßen. Was für ein Auftakt für unsere Kalahari Jagd in der Wüste Botswanas!

       Spannende Orxypirsch

      Auf den morgendlichen Pirschfahrten haben wir Gelegenheit, Interessantes über das Leben der Buschmänner zu erfahren. Riaan erklärt uns z.B. den „Buschmann-Kompass“. Hierbei handelt es sich um Nester der Siedlerweber, die meist an der Westseite eines Baumes oder Buschs gebaut sind und den Buschmännern daher auch ohne Kompass stets eine Orientierung ermöglichen.

      Unser nächster Pirschgang gilt der grazilen und wehrhaften Oryxantilope, die das Wappen Namibias ziert. Wir sitzen vom Pirschwagen ab und überqueren eine weitläufige Grasfläche, die vereinzelt mit Büschen und Totholz durchsetzt ist. Tief geduckt pirschen wir uns im Schutze eines Dornenbusches auf etwa 120 Meter an eine natürliche Wasserstelle heran, an der die großen Antilopen gerne schöpfen. Tatsächlich - am Rande des Wasserlochs erspähen wir ein Rudel von sieben Oryx-Antilopen, die sich niedergetan haben. Auf allen Vieren pirschend schieben wir uns langsam voran. Aufmerksam und mit scheinbar fragendem Blick beobachtet ein braver Warzenkeiler unsere Annäherung an das Rudel. Als wüsste er, dass es heute nicht ihm gilt.....

      Hinter einem dünnen Dornenbusch beziehen wir schließlich Position. Christoph macht sich im Sitzen zum Schuss fertig und hat die Büchse auf den dreibeinigen Pirschstock aufgelegt. Besa beginnt mit dem linken Arm zu winken, und der Bulle sichert zu uns herüber. Jetzt geht alles sehr schnell. Der Bulle kommt auf die Läufe und schon ist die Kugel raus. Sie trifft den Gemsbock spitz von vorn. Er zeichnet deutlich, dreht ab und geht runter. Chris repetiert schnell nach, doch dann ist der Bulle auch schon wieder hoch, wenn auch sichtlich getroffen. Ein Nachschuss auf die flüchtende Antilope geht vorbei. Jetzt flüchtet der Gemsbock in hoher Geschwindigkeit. Ein weiterer Nachschuss auf den fliehenden Bullen geht fehl. Jetzt wird es hektisch. Wir verlassen unsere Deckung und in vollem Galopp stürmen wir hinter der Antilope her, um eine langwierige Nachsuche auf diesen zähen Wüstenbewohner zu vermeiden. Doch schnell zeigt sich, dass bereits der erste Schuss im Leben saß. Nach ungefähr 300 Metern wilder Flucht geht die Oryx endlich nieder. Christoph kann den Fangschuss antragen und Stille kehrt ein. Wir bewundern den braven Bullen, der den letzten Bissen erhält. Den Einheimischen ist dieser Brauch zwar fremd, dennoch verfolgen sie unser Tun mit Interesse und gebührendem Respekt.

      Die Nachmittagssonne brennt heiß und durch unsere Pirsch haben wir uns weit vor unserem Fahrzeug - und damit auch weit von den kühlen Getränken - entfernt. Doch zum Glück haben wir unseren Buschmann-Tracker Besa dabei. Eifrig gräbt er nach einer Wurzel und bringt eine Knolle zum Vorschein, die nach einer Mischung aus einer Kartoffel und einem Radieschen aussieht. In der Sprache der Naro wird sie als „Klick-uru“ bezeichnet. Besa schält die Wurzel und gibt sie uns zum Probieren. Die Wurzel enthält einen großen Anteil an Feuchtigkeit und schmeckt angenehm süßlich. Jetzt wissen wir, wie die Buschmänner auch ohne Wasser in der Wüste überleben können. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob auch ich die Wurzel aus der Vielzahl der hier wachsenden Pflanzen an ihren Blättern wiedererkennen würde.

      Wir lassen den Jagdtag mit kühlen Getränken ausklingen, wie immer prasselt das Lagerfeuer. Wir trinken Christophs Oryx tot. Fliegen surren und Grillen zirpen. Schakale heulen in der Nähe des Camps und leise klirren die Eiswürfel in den Gläsern.

      Zum Dinner gibt es Elandsuppe, gefolgt von Elandsteaks. Da der Bulle, den ich am Vortag erlegen konnte, doch schon ein älteres Semester war, werden unsere Kaumuskeln entsprechend beansprucht.

      Nach dem Essen sitzen wir noch gemütlich am Lagerfeuer zusammen. Riaan erzählt von den außergewöhnlichen Fähigkeiten der Fährtensucher, die nicht nur jegliche Tierfährte, sondern auch die Fährte von Menschen spursicher verfolgen können. Er erzählt, wie diese Fähigkeit bereits zweien seiner Jagdgäste das Leben rettete. Nach erfolgreicher Jagd gönnten sich zwei italienische Jagdgäste einen freien Tag im Camp und hatten bereits angekündigt, einen kleinen Pirschgang zur Wildbeobachtung in die nähere Umgebung unternehmen zu wollen. Es kam, wie es kommen