Melissa Jäger

Raetia


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und habe gestammelt: Das kann er doch nicht machen! Dann habe der Sonderermittler sie festgenommen und in die Principia der Singulares Legati abführen lassen. Der Ermittler und einige seiner Männer haben die Küche, die Vorratskammer und die Privaträume Caecinas durchsucht und einiges an Kräutern und anderen Utensilien eingepackt und mitgenommen. Das sei Beweismaterial, hat er gesagt.“

      Alpina schwante Böses. „Wer war der Sonderermittler?“, fragte sie vorsichtig.

      „Claudius Paternus Clementianus, der Ritter, der dem Vindelicus als Adiutor zur Seite steht. Sag, Alpina, soll er nicht dein Mann werden?“

      Vitula schien vor Neugier förmlich zu platzen. Alpina nickte nur zaghaft. Sie wusste, dass sie Claudius heute nicht dazu würde befragen können. Er hatte sicher noch einiges in dieser Sache zu tun und den Abend würde er mit Sicherheit beim Festmahl des Statthalters verbringen. Sie wandte sich wieder Vitula zu. „Welche Strafe erwartet Caecina denn, wenn sie wegen Mordversuchs angeklagt werden sollte?“

      Es wurde still im Atrium. Als Dolabella aussprach, was alle bereits ahnten, hallten ihre Worte von den bemalten Wänden wieder: „Der Tod oder mindestens die Verbannung!“

      ***

      Claudius Paternus Clementianus schwirrte der Kopf. Er hatte so viele Aufgaben zu bewältigen. Der Tag war anstrengend und nervenaufreibend gewesen und er war ja noch lange nicht vorbei. Claudius war erst spät in die Therme gekommen. Die meisten Gäste waren bereits gegangen, als er sich müde in eine der warmen Marmorwannen gleiten ließ.

      Als er am Morgen das Officium betreten hatte, war er von Racilius Tremerus, der den Quaestor Essimnus im Amt abgelöst hatte, aufgeregt empfangen worden. Tremerus war ein Mann der Stadtnobilität. Seine Eltern waren von Kaiser Claudius zu römischen Bürgern erklärt worden und hatten unter Vespasianus den Ritterstand verliehen bekommen. Ihren Reichtum verdankte die Familie dem Textilhandel. Tremerus führte das Geschäft seiner Eltern fort. Er importierte feine Stoffe aus dem Süden und exportierte im Gegenzug die immer beliebter werdenden keltischen Kapuzenmäntel, die warm und wasserdicht waren, über die Alpen. Tremerus war etwa fünfzig Jahre alt, seine kläglichen Haarreste umgaben die spiegelnde Glatze wie ein Lorbeerkranz.

      „Ich muss den Ädil Vindelicus sprechen, es ist dringend!“, sagte er in forderndem Ton, ohne sich mit den üblichen Höflichkeiten aufzuhalten.

      Claudius hob die Augenbrauen und strich sich über den kurzgeschnittenen Vollbart. „Salve, Quaestor Tremerus! Der Ädil ist noch nicht hier, aber wenn es so dringend ist, werde ich sofort einen Boten zu Euch schicken, wenn er kommt. Er wollte heute Morgen noch einige private Dinge erledigen. Soll ich einen Sklaven zu ihm schicken?“

      „Oh ja, tut das, Clementianus! Es ist eine Ungeheuerlichkeit geschehen, und ich brauche ihn dringend! Das ist eine äußerst delikate Angelegenheit! Er soll umgehend in mein Officium kommen!“

      Claudius nickte und holte einen der kaiserlichen Sklaven, die als Boten Dienst taten. Als er ins Officium zurückkehrte, hatte Tremerus bereits seinen Amtsvorgänger Essimnus dazugeholt. Er trug ein eigenartiges Bündel in der Hand. Claudius begrüßte den ehemaligen Quaestor höflich, und als sein Blick fragend an dem Bündel hängen blieb, legte Essimnus es auf den Schreibtisch des Ädils und knotete es auf. Darin befanden sich eine verkorkte Phiole mit einer gelblichen Flüssigkeit, ein Bleiplättchen, ein zusammengerollter Papyrus und einige Tüten, wie man sie auf dem Markt oder in den Läden der Stadt bekam, wenn man kleinere Mengen Obst, Gemüse oder Kräuter kaufte. Irritiert sah der Ritter auf die Sammlung des Quaestors. Dieser erklärte: „Das sind meine Beweise! Stell dir vor, Clementianus, meine eigene Frau hat versucht, mich zu verhexen und schließlich sogar, mich umzubringen - zu vergiften - um genauer zu sein!“ Er sah Claudius in die Augen.

      „Vergiften?“ Der Adiutor konnte es kaum fassen. Er besah sich die Utensilien, die Essimnus auf den Tisch gelegt hatte, genauer. Auf dem Bleiplättchen waren in winziger Schrift einige Worte eingekratzt. Claudius musste das Täfelchen ganz nah an seine Augen halten, um die Schrift lesen zu können.

      „Proserpina, die du über die Unterwelt herrscht, bitte ich, dir übergebe ich den Publius Tenatius Essimnus, Sohn des Sextus Tenatius, damit du ihn schnellstens wegführst und bei dir unter den Toten des Schattenreiches behältst.“

      Entsetzt sah der Ritter den Quaestor an.

      „Das kann doch nicht wahr sein! Essimnus, wo hast du das gefunden?“

      „Es lag unter meinem Bett. Als ich es fand, bin ich stutzig geworden. Dann habe ich die Kammer meiner Gattin Caecina durchsucht. Dort fand ich eine Kiste mit diesen Kräutern, der Phiole und diesem Papyrus, auf dem eine Giftrezeptur vermerkt ist.“

      Er reichte Claudius die Papyrusrolle, die mit einer Schnur verschlossen war.

      „10 Unzen vom Horn eines Hirsches, fein zerrieben zu feinem Pulver, vermischt mit einer Unze des wilden Eisenhutes, die du zuvor klein geschnitten hast. Dieser Mischung gibst du nun Blätter, Blüten und Beeren der Myrte bei, die du zuerst in Regenwasser eingeweicht und dann im Schatten getrocknet hast. Verrühre das Ganze mit einem Sud aus Rosenwasser, Palmzweigen, Olivenblättern und Früchten des Olivenbaumes. Davon gib deinem Mann 20 Tage lang dreimal täglich je einen gehäuften Löffel voll, und der Erfolg wird dich überzeugen.“

      Claudius war fassungslos. „Ich glaube es nicht! Zwar kenne ich mich nicht so gut aus mit Kräutern und Giftpflanzen, aber Eisenhut, Aconitum, ist eine Giftpflanze, da bin ich mir sicher!“

      Der Quaestor nickte. „Ich weiß nicht, wie viel sie mir davon bereits verabreicht hat, aber ich fühle mich schon seit mehren Wochen nicht gut. Ich bin schwach und leide unter Muskelkrämpfen und Übelkeit. Gestern habe mich heftig übergeben müssen und Schwindelanfälle begleiten mich schon seit geraumer Zeit.“

      Claudius sah den Mann mitleidig an.

      „Das hätte ich Caecina niemals zugetraut! Ich dachte wirklich, dass sie dir eine gute Frau wäre. Was ist in den Tüten und in der Phiole?“

      Essimnus hob die Tüten hoch. Sie waren aus gebrauchten Papyrusblättern gefaltet, die vorne und hinten eng beschrieben waren. Er öffnete eine und ließ Claudius hineinsehen. In dieser Tüte waren Olivenblätter. In einer anderen Myrtenblätter, Blüten und Beeren. In den weiteren Vorratstüten fanden sich Stücke eines Hirschhornes, Palmblätter und das Kraut einer Pflanze, die Claudius nicht kannte.

      „Ist das Aconitum?“, fragte er Essimnus.

      „Ich nehme es an. Auf den Tüten sind einzelne Buchstaben umkreist. Wenn man diese Buchstaben in der richtigen Reihenfolge zusammensetzt, ergeben sie die Inhaltsstoffe der Rezeptur.“

      „Hochinteressant!“ Claudius hielt die Tüte so, dass er die umkreisten Buchstaben erkennen konnte: „A, C, O, N, I, T, U, M! Eisenhut – kein Zweifel!“

      Schließlich hielt Essimnus dem Ritter die Phiole entgegen. Dieser entkorkte sie und hob sie unter seine Nase. Ein schwacher Rosenduft war wahrnehmbar: das Rosenwasser!

      „Hast du Caecina zur Rede gestellt?“ Claudius sah den ehemaligen Quaestor neugierig an.

      „Oh ja! Zunächst habe ich diese Beweise sichergestellt und dann habe ich sie damit konfrontiert. Aber sie streitet alles ab! Sie ist sogar so unverschämt zu behaupten, es handle sich um eine Rezeptur „zur Stärkung meiner geschwächten Manneskraft!“

      „Deiner Manneskraft?“

      „Ja! Unverschämtes Weibsstück! Schamloses Geschöpf!“

      „Und wie erklärt sie das Bleiplättchen?“

      Claudius drehte die kleine Tafel zwischen den Fingern. Auch auf der Rückseite waren Ritzungen zu erkennen. Bei genauerem Hinsehen entpuppten diese sich als Buchstaben aus dem griechischen Alphabet. Allerdings ergaben sie keinen Sinn.

      „Sie behauptet, sie wisse nichts davon. Es sei mit Sicherheit nicht von ihr. Sie war sogar so frech, die Dienerschaft zu bezichtigen, mir nach dem Leben zu trachten!“

      Essimnus machte eine kurze Pause, dann schloss er: „Ich hätte das nie gedacht,