Jochen Polanski

"Die Jagd, die Beute und der Tod"


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tat er gelassen und ruhig. Eine wohltuende Wärme beherrschte seinen gesamten Körper. Über die Zoobrücke überquerte er den Rhein.

      .Das Erste was er tat, er ging duschen. Das erfrischende Wasser und die vitalisierende Dusch-Lotion waren genau das Richtige. Beim Einseifen bekam er eine Erektion, die junge Mary vor Augen. Er war gut bestückt, er genoss es, wie immer folgte ein Wechselbad, warm-kalt, warm-kalt. Er lächelte, selbst beim Abtrocknen hatte er noch einen Ständer. Er ging aus dem Bad, zog sich im Schlafzimmer frische Kleidung an, eine schwarze Jeans, ein marineblaues T-Shirt, darüber einen gleichfarbigen Troyer.

      Deppe setzte sich an seinen Rechner, der im Wohnzimmer, abgeteilt durch ein großes Kiefernholzbücherregal, auf einem sonnengelblackierten Schreibtisch, stand. Er war Systemprogrammierer, die PC-Konfiguration war sein Heiligtum, die ausgeklügelte Grafiksoftware das A und O. Abgesehen davon, dass er selten Besuch hatte, - wenn dann waren es Kumpels, mit denen er dieses oder jenes Geschäft machte – ließ er keinen an seinen Computer dran. Das Sicherheitssystem suchte Seinesgleichen, es war sehr schwer zu knacken, ein tägliches wechselnde Pass-Wort und verschiedene Antivirus-Scans, die auch in der Lage waren, den elendesten Wurm oder hinterlistigsten Trojaner zu entdecken und zu eliminieren.

      Rolf Deppe war 36 Jahre alt, seit 2 Jahren geschieden, seine Frau war mit einem Kerl durchgebrannt und lebte jetzt mit ihm in Frankfurt. Kein Kontakt mehr, gut so. Er exerzierte am PC eine notwendige Maßnahme, eine Sicherheitsanwendung, die all seine Spuren , seine persönliche Merkmale löschen würde.

      Brand hatte Wochenenddienst. Er brauchte nicht lange zu fahren, um das Polizeipräsidium am Waidmarkt zu erreichen. Es war Sonntagmorgen, der 17. November, er las die Berichte der bisherigen Ermittlungen. Der Hauptkommissar war heute ein bisschen wortkarg. „Du bist heute sehr mitteilsam,“ meinte Paulsen, als er zwei Becher Kaffee mitbrachte, Brands schwarz mit einem Süßstoff, seiner mit etwas Mich, ohne Zucker. Er stellte sie auf den Schreibtisch, nippte von den Tasse.

      „Danke, Jürgen, der Kaffee tut gut.“ Ein grauer Novembertag, Regentropfen prasselten auf die Scheiben der Mordkommission. „Dieser Bernd Neumann, den die Mitfahrzentrale uns nannte, den gibt es gar nicht. Name, Adresse und Personalausweisnummer sind gefälscht.“

      „Ich weiß,“ sagte Paulsen, „ wir haben es hier mit einem gezielt vorgehenden Täter zu tun, der nichts auslässt, um unerkannt zu bleiben.“

      „Und es fehlt uns immer noch jede Spur von Nicole Stürmer. Keine Hinweise gibt es bis jetzt, nichts. Niemand hat ihren Einstieg in das Auto beobachtet, das wäre schon viel wert. Und dass das Kennzeichen vom Wagen gefälscht ist, spricht für sich. Ich würde mich nicht wundern, wenn es bald eine zweite Vermisste gibt.“

      „Das Gleiche denke ich auch.“

      Gabi und Frank hatten gerade gefrühstückt, er hatte frische Brötchen vom Bäcker gekauft, was er sonntags immer machte.

      „8 Tage sind schon vergangen,“ sie blies den Rauch auf den abgeräumten Frühstückstisch, „Glaubst du, dass sie noch lebt?“

      „Es gibt kein Lebenszeichen von Nicole seit letzter Woche Freitag. Das ist, was Tatsache ist, was wir wissen. Das heißt nicht, dass sie doch noch am Leben ist.“

      Gabi Augen waren den Tränen nahe, sie trank einen kräftigen Schluck Kaffee. „Frank, ich halte dass nicht mehr aus. Die ständige Angst, die Unwissenheit macht mich krank. Und wenn uns ihre Todesmeldung erreicht?“

      „Bleib stark, Gabi,“ er drückte seine Zigarette aus, griff ihren rechten Oberschenkel, rieb sanft einige Male, dann streichelte er ihre Wangen. Sie fing an zu weinen.

       5

      Alfred Bongartz ging mit seinem Mittelschnauzer Max wie jeden Morgen am Rhein Gassi. Der Rentner aus Duisburg war Witwer, seine Ehefrau war vor 5 Jahren gestorben im Alter von 61 Jahren. Seitdem lebte der 6 Jahre ältere Witwer ein Leben, das aus regelmäßigen Ritualen bestand: alles dazu bestimmt, den Kopf hoch zu halten. Er traf sich mit ehemaligen Arbeitskollegen, die er seit einem Jahr vermisste. Die erste Zeit im Ruhrort war noch schwer, der Hafen war sein Leben gewesen, und als seine Frau nicht mehr da war, war ihm bewusst geworden, wie sehr er für sie gelebt hatte, wie er sie geliebt hatte.

      Max fing an zu bellen. Bongartz zog an der Leine.

      „Was ist los?“ Er zog sich seine englische, karierte Mütze zurecht, blickte auf das Rheinufer, das Max bellend mit energischer Kraft zusteuerte. „Da stimmt doch was nicht!“. Der leichte Regen wurde stärker, die Weiden und Ulmen am Ufer wogen ihre Äste im stürmischen Wind. Bongartz trug eine wind- und wasserdichte schwarze Jacke. Max hörte nicht auf zu bellen Eine krumme Weide, dessen Wurzeln und Äste im Fluss verliefen, bot ihm einen Anblick, der ihn erschaudern ließ: ein schwarzer Plastiksack, verwickelt mit Schnurbändern, die im nassen, morschen Holz fest hingen, aus dem lange helle Haare gespenstisch heraustraten, die in der Strömung wie die Tentakeln einer toten Qualle diabolisch glitten.

      „Ganz ruhig Max,“ Alfred Bongartz klopfte ihn an die rechte Seite, ging dann ganz nahe ans Wasser. „Da steckt eine Leiche drin! So wie es aussieht, muss es eine tote Frau sein.“ Nur der höchste Punkt des Kopfes war zu erkennen. Max schnüffelte und jaulte. So hatte er sich den Sonntagmorgen nicht vorgestellt. An Frühstücken war nicht zu denken! Als nächstes riefe er die Kripo an.

      Als er wieder zu Hause war, ging er zum Telefon, tippte die Nummer der Kripo.

      „Guten Tag, Bongartz mein Name, Alfred Bongartz. Ich habe heute gegen halb 9 eine Frauenleiche am Rheinufer gefunden.“

      Er nannte alle Einzelheiten, wo genau er sie entdeckt hatte, wie er sie vorgefunden hatte. Die Duisburger Kripo war schnell vor Ort. Hauptkommissar Schwarze leitete die Ermittlungen, die Spurensicherung begann, nachdem die Leiche mit zwei Tauchern geborgen war, mit den Untersuchungen. „Ein grausamer Anblick, eine so junge Frau, unbekleidet...“, Schwarze betrachtete die starre, vom Wasser aufgeschwommene, nackte Tote. Ein schwarzer Streifen zog sich von untern links nach oben rechts, die Brustwarze war zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Tampons steckten in ihren Ohren, und ihr Mund war geknebelt. Die Augen der einmal jungen Frau hatten etwas Mahnendes an sich: Obwohl sie geschlossen waren, schienen sie zu schreien.

      „ Sie war Anfang 20, so wie ich das anhand ihres Zustands feststellen kann,“ sagte Rechtsmediziner Ludwig, „genauere Untersuchungen werden zeigen, was passiert ist. Eins steht schon fest: Sie ist einem gewalttätigen Sexualverbrechen zum Opfer gefallen.“

      „Unsere Mordkommission hat im Laufe der letzten Woche mit keinem Fall zu tun gehabt, der solch eine Frau behandelte. Wir müssen die anderen Städte informieren. Die können sicherlich Näheres in Erfahrung bringen.“

      In der Duisburger Rechtsmedizin fing Ludwig mit der Autopsie an. Er fand heraus, dass der schwarze Streifen an der Leiche von einem Stromschlag herrührte. Bei der Untersuchung der Vagina fand Ludwig trotz der Zeit, die die Tote im Wasser getrieben war, Spermaspuren, und die nicht wenig. waren.

      Das Telefon klingelte. Schwarze meldete sich. „Was haben Sie herausgefunden?“

      „Ich lag mit dem Verdacht richtig. Sie wurde vergewaltigt. Der Mörder muss sie mit einem Stromschlag, der offensichtlich seine Quelle im Sicherheitsgurt hatte, bewusstlos gemacht haben. Ein gezielter Stoss Strom. Nicht zu viel, als dass er sie hätte töten können. Sie wurde penetriert, noch halb am Leben, ich fand Druckstellen an beiden Unterarmen. Also hatte sie sich doch noch gewehrt. Todesursache ist nicht ein weiterer starker Stromschlag, sondern sie wurde mit gezielter Kraft am Solarplexus geschlagen. Aber alles andere hat schon genug angerichtet.“

      „Danke, Ludwig. In Duisburg sind wir nicht fündig geworden. Doch nach einigen Telefonaten fanden wir heraus, das in Köln eine Frau vermisst wird, auf die die Personenbeschreibung zutrifft. Zeit der mutmaßlichen Tat stimmt auch.“

       6

      Gegen Mittag trafen Brand und Paulsen im Duisburger Polizeipräsidium ein. Kollege Schwarze begrüßte sie in seinem Büro.

      „Die