Michael Schenk

Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen


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habt Ihr einen ungewöhnlich hohen Rang.«

      »Kein Dienst ist zu niedrig, wenn er zum Wohl des Reiches ist.«

      Der Erste Schwertmann der Ostmark nickte bedächtig. Er vermutete mehr

      hinter ta Enderos Besuch, aber es wäre unhöflich gewesen, weiter in den

      hohen Gast zu dringen. Sie passierten eine Gruppe von Männern und Frauen,

      die abgedeckte Eimer mit sich führten, von denen ein bestialischer Gestank

      aufstieg. Mor bemerkte, wie ta Enderos die Nase rümpfte.

      »Die meisten Städte des Pferdevolkes haben eine vernünftige

      Kanalisation«, erklärte er, »doch hier in Merdonan lässt der Boden das nicht

      zu. Das dort sind Dungschlepper, welche die Abfälle sammeln und aus der

      Stadt bringen.«

      Der Gardekommandeur versuchte durch den Mund zu atmen. »Ein

      durchaus ehrbares Handwerk. Es hilft, Krankheiten zu vermeiden.«

      »Und es hält die Felder fruchtbar.«

      Langsam trabten die Gardisten und die Pferdelords auf den riesigen Turm

      der alten Ostwache zu. Die breite Straße, auf der sie sich bewegten, führte

      vom Haupttor über den großen Handelsplatz bis zum Haus des Pferdefürsten,

      wo sich die Ostwache erhob. Während sie näher kamen, wurde den Alnoern

      die enorme Größe dieses Bauwerks deutlich.

      Der Große Turm war das Wahrzeichen der Stadt und fand sich als Symbol

      auf den grünen Rundschilden der Pferdelords aus Merdonan wieder. Er war

      ungewöhnlich hoch und ungewöhnlich alt. An seiner Basis maß er gut

      zwanzig Längen im Durchmesser und stieg über hundert Längen auf, bevor er

      sich an seiner obersten Spitze zu einer Plattform von kaum vier Längen

      verjüngte. Unten gab es nur eine schmale Türöffnung, die von einer schweren

      Metalltür verschlossen wurde, und ab der zweiten Turmebene zogen sich enge

      Schießscharten um seine fünf Seiten herum.

      »Euer Hoher Lord Bulldemut schätzt eine trutzige Bauweise«, meinte ta

      Enderos lakonisch und deutete auf des Haus des Pferdefürsten. Es stand an

      der Basis des Turms und hatte im Untergeschoss keine Öffnungen außer einer

      schweren metallenen Tür. Im Obergeschoss zogen sich schießschartenartige

      Schlitze entlang, und auf dem flachen Dach ragten die Arme zweier Katapulte

      auf.

      »Diese Bauweise hat uns genutzt, als die Orks Merdonan einnahmen. Hier,

      auf diesem Platz, haben wir den letzten Widerstand geleistet, bis die Beritte

      der Marken zu Hilfe eilten. Ah, Ihr hättet die Schlacht erleben sollen. Seite an

      Seite mit den Elfen trieben wir die Bestien in die Sümpfe zurück.«

      »Ich hörte, die Elfen hätten ihre Ländereien verlassen.«

      »Ja, sie sind zu den Neuen Ufern aufgebrochen. Ihre Länder sind nun

      verwaist.«

      »Das Bündnis wird schwächer«, murmelte der Gardekommandeur leise.

      »Vor einigen Jahreswenden kämpfte ich an ihrer Seite zusammen mit tapferen

      Pferdelords der Hochmark gegen die Schwärme der See.«

      »Dann kennen wir also beide gute Geschichten für lange Winterabende«,

      meinte Mor schmunzelnd.

      Vor dem Haus des Pferdefürsten wartete ein Ehrenberitt und präsentierte

      im Ehrensalut, als ta Enderos seine Männer einschwenken ließ. Der

      Gardekommandeur saß ab und übergab die Zügel einem seiner Reiter. Auf

      der obersten Stufe der Treppe, die ins Gebäude hineinführte, wartete die

      stämmige Gestalt Bulldemuts. Graue Strähnen durchzogen seine rotblonden

      Locken, und als er kurz zur Seite blickte, sah ta Enderos, dass dem

      Pferdefürsten das rechte Ohr fehlte.

      Das Willkommen war herzlich, wenn auch ein wenig distanziert, und ta

      Enderos spürte, dass der Pferdefürst hinter seinem Besuch mehr vermutete als

      den Kauf von Pferden. Dieser Eindruck bewahrheitete sich, als Bulldemut

      seinen Gast in das bescheidene Amtszimmer führte. Der Pferdefürst wartete,

      bis ein Bediensteter die gebotenen Erfrischungen gebracht und den Raum

      wieder verlassen hatte. Nachdem die beiden Hohen Lords allein waren, lehnte

      sich der Pferdelord in seinem Stuhl zurück und musterte den Alnoer

      nachdenklich.

      »Ihr braucht also Pferde, Hochgeborener? Dafür habt Ihr einen mühseligen

      und weiten Weg auf Euch genommen.«

      Es war wohl an der Zeit, sein Gegenüber einzuweihen, etwas, das ta

      Enderos nicht einmal mit seinem Hauptmann getan hatte. Es wäre ihm lieber

      gewesen, mit Nedeam zu sprechen, den er kannte, doch die Hochmark

      verfügte über keine größeren Herden von Wildpferden, die der offizielle

      Grund für seine Reise waren. Immerhin genoss Bulldemut den Ruf eines alten

      Kämpfers. Ta Enderos hoffte, in ihm den richtigen Ansprechpartner zu

      finden, um seinen flüchtigen Plan reifen zu lassen, bevor er an das Ohr des

      Königs drang.

      »Was haltet Ihr von den Orks, Hoher Lord Bulldemut?«

      Die Züge des Pferdefürsten nahmen einen lauernden Ausdruck an. »Es

      geht wohl doch nicht nur um Pferde, nicht wahr? Schön, wir sollten diese

      Formalitäten sein lassen und wie Kämpfer miteinander reden. Was ich von

      den Orks halte? Jeder kennt diese Bestien. Solange sie existieren und dem

      Schwarzen Lord dienen, wird es keinen Frieden für die Marken des

      Pferdevolkes geben.«

      »Auch nicht für die Provinzen des Reiches Alnoa«, stimmte ta Enderos zu.

      »Wir beide wissen, dass die Legionen der Finsternis in Rushaan geschlagen

      wurden. Und ebenso gewiss ist, dass dies kein endgültiger Sieg war. In ihren

      Bruthöhlen werden sie zu Hunderten geworfen, so können diese Kreaturen

      ihre Verluste leicht ausgleichen. Jeder getötete Ork wird von zwei neuen

      ersetzt, doch jeder unserer gefallenen Kämpfer hinterlässt eine schmerzliche

      Lücke.«

      »Wohl wahr«, nickte Bulldemut. »Es dauert viele Jahreswenden, bis ein

      Knabe