Norbert Kuntz

Daniel & Andiswa


Скачать книгу

das berücksichtigen. Die interessiert es nicht, mit welchem technischen Equipment du arbeitest. Da zählt nur, was am Ende dabei raus kommt!“

      Oha. So hatte sie sich bisher noch nie ereifert. Da hatte ich gerade eine neue Seite an ihr kennen gelernt. Leider blieb uns keine Zeit dieses Thema zu vertiefen, da sie wieder in den Unterricht musste, aber ich war mir sicher, dass wir darüber noch ausführlicher sprechen würden.

      Aber Kirstenbosch, das sollte ganz privat werden, keine Gespräche über die Arbeit, so hoffte ich. Ich wollte diesen Sonntag mit Andiswa einfach nur genießen!

      Meine Wohngemeinschaft hatte mich perfekt für den Kirstenbosch-Tag ausgestattet. Alibaba lieh mir seine elfenbeinfarbene Picknick-Kühlbox, mit ganz edler Ausstattung: zwei Weingläser, Besteck, Teller, Schalen und Kühlelemente. Clarence steuerte seine Picknickdecke mit Aluboden – „das Gras in Kirstenbosch ist immer etwas feucht“ – bei und Patrick hatte eine praktische Regenplane im Angebot – „Kapstadt, das sind vier Jahreszeiten an einem Tag, da musst du auf jede Eventualität vorbereitet sein.“

      Beim Einkauf im Supermarkt an der Ecke waren die Drei auch behilflich, obwohl da natürlich jeder seinen eigenen Geschmack zur Geltung bringen wollte. Clarence wählte den Wein aus, einen Pinotage aus Stellenbosch; Alibaba legte verschiedene scharfe Cracker und passenden französischen Käse in den Einkaufswagen, während Patrick für die gesunde Abteilung, also Obst und Oliven zuständig war. Ich durfte dann zumindest noch meinen heiß geliebten Appletiser, hundertprozentigen kohlesäurehaltigen Apfelsaft, beisteuern. Als Autofahrer würde ich es bei einem Glas Wein belassen müssen, da bin ich ganz deutsch: kein Alkohol am Steuer! Mit all diesen Dingen wurde die Kühlbox gut gefüllt und einem leckeren Picknick steht schon einmal nichts mehr im Wege.

      Musiktechnisch habe ich mich ebenfalls gut auf mein Date vorbereitet. Dank YouTube kann ich die bekanntesten Songs der Parlotones schon leidlich mitsingen. Ich freue mich schon Andiswa damit überraschen zu können. Hoffentlich empfindet sie meinen Gesang nicht als störend. An den Sänger der Band, Khan Morbee, reicht meine Stimme natürlich bei Weitem nicht heran, aber in Hamburg hatte ich während meiner Studienzeit immerhin im Journalistenchor gesungen.

      Endlich klingelt es an der Wohnungstür, und außer dem meinen schauen natürlich drei weitere neugierige Köpfe aus ihren Zimmern heraus. Meine Mitbewohner hoffen, einen Blick auf die junge Frau zu erhaschen, die mein Herz so blitzartig getroffen hat und ständig in meinen Gedanken herumgeistert. Es gab in den letzten beiden Wochen kein anderes Thema bei unseren gemütlichen Abenden auf der Couch, ebenso wie im Pub um die Ecke, wo wir uns hin und wieder auf ein Bier treffen.

      Jetzt zahlt sich aber meine gute Vorbereitung aus. Alle Dinge, die wir fürs Picknick benötigen, sind schon unten im Auto verstaut und so braucht Andiswa sich nicht in den obersten Stock des Appartementhauses zu bemühen, was ich ihr über die Gegensprechanlage mitteile.

      Besonders Clarence zieht daraufhin eine deutliche Schnute.

      „Du hättest sie uns ja nun wirklich endlich mal vorstellen können, deine Fotografin! Wir haben dich liebestrunkene Quasselstrippe immerhin in den letzten Wochen jeden Abend ertragen müssen, dazu noch das ständige Gedudel der bekanntesten Lieder der Parlotones. Und dann haben wir dir auch noch geholfen, alles fürs heutige Date perfekt vorzubereiten. Wehe, wenn du uns nicht nachher alles in allen Einzelheiten berichtest, du Journalist!“

      „Bei euch komme ich mir ja vor wie bei den Kolleginnen von der Klatschpresse – wusste gar nicht, dass Männer auch so neugierig sein können!“

      Gut gelaunt lasse ich die Drei in ihren Zimmertüren stehen und laufe Push me to the Floor summend die ganzen Etagen über die Treppe hinunter. Das ist meist schneller, als den in die Jahre gekommene Aufzug zu nehmen, und entspricht auch viel mehr meiner Stimmung, die sich noch weiter aufhellt, als ich Andiswa unten vor dem Haus stehend erblicke.

      Sie trägt ein atemberaubendes ärmelloses schwarzes Kleid mit einem Muster aus angedeuteten großen weißen Blüten und einem unverschämt tiefen Ausschnitt. Ich weiß gar nicht, wo ich hingucken soll! Oder erwartet sie etwa, dass ich mit meinen Augen ihre wohl geformten Brüste umkreise? Zum Glück gibt es noch etwas ebenso Auffallendes: ihre Frisur! Sie muss den ganzen gestrigen Samstag beim Frisör verbracht haben, denn auf ihrem Kopf befindet sich ein regelrechtes Kunstwerk. Ihr krauses Haar ist über den ganzen Kopf geflochten und zwar in der Art eines Schachbretts, also die Flechtzöpfe laufen von links vorn nach rechts hinten und von rechts vorn nach links hinten und dazwischen ist die Kopfhaut in quadratischen Feldern zu sehen. Da sich die Zöpfe von ihrem Hinterkopf über die Schultern lang nach vorne – und einige natürlich auch nach hinten – fortsetzen, nehme ich an, dass da mit Fremdhaar nachgeholfen worden ist. So viele eigene Haare hatte sie bei unserem letzten Treffen nicht auf dem Kopf.

      „Wow, du siehst toll aus in dem schicken Kleid und mit der neuen Frisur!“

      Ich bin ganz stolz auf mein fast gar nicht gestammeltes Kompliment, das ich nach einigen Sekunden des Atemholens dann doch raus gebracht habe. Sie hilft mir – wie immer – sofort aus meiner Verlegenheit und wechselt nach einem kurzen „Dankeschön“ gleich das Thema.

      „Ich hoffe, dass sie das Lied, das du da eben vor dich hin gesummt hast, gleich auch spielen. Für mich war das der Höhepunkt auf der Eröffnungsfeier der Fußball-Weltmeisterschaft in Johannesburg.“

      „Ja, das war eine tolle Zeit hier in Südafrika während der WM. Ich wäre bei der Eröffnung gerne live im Stadion dabei gewesen, aber ehrlich gesagt, haben mir Shakira und Freshlyground mit ‚Waka Waka’ besser gefallen.“

      „Ich versteh schon: Hips don’t lie – Männer!“

      „Der Song passte einfach perfekt hierhin – auch wenn er ursprünglich aus Kamerun stammt und in der Hauptsache von einer Kolumbianerin gesungen wurde. Da hätte sich die FIFA besser eine Südafrikanerin gesucht, wo es hier doch so viele exzellente Sängerinnen mit tollen Stimmen gibt.“

      „Die greisen FIFA-Bosse stehen halt auf Shakira. Sie hat doch auch schon bei eurer WM 2006 den offiziellen Song gesungen.“

      „Stimmt, aber in Deutschland wurde ,Hips don’t lie’ nicht als WM-Song wahrgenommen. Wir hatten unseren eigenen WM-Song, da der aber auf Deutsch war, hat der Rest der Welt den nicht registriert.“

      Auf dem Weg zum Auto schaue ich zu Andiswas schwingenden Hüften hinüber und denke, dass Shakira gar nicht so falsch liegt und wir Männer tatsächlich mit weiblichen Reizen einfach einzufangen sind. Um diesen nicht schon jetzt ganz und gar zu erliegen, versuche ich unser Gespräch auf eine sachlichere Ebene zu bringen. Ein Fehler?

      „War es eigentlich kompliziert, heute am Sonntag von Khayelitsha hier in die Roeland Street zu kommen?“

      „Kompliziert nicht, aber es hat ganz schön lange gedauert. Ich musste erst ein Taxi von zuhause bis zum Taxirank nehmen. Dann von dort das nächste Taxi in die Stadt. Eigentlich geht das am Sonntag über die Autobahn schneller als in der Woche, weil da kaum Verkehr ist, aber die Taxis warten am Taxirank immer so lange, bis sie voll besetzt sind und das kann an einem Sonntag dann schon mal 20 Minuten oder sogar noch länger dauern. Ich hatte heute einfach kein Glück. Es saßen erst drei Leute drin, als ich am Taxirank ankam, und so musste ich auf weitere acht Passagiere warten. Von der Taxistation auf dem Bahnhofsdach hier in der Stadt bin ich dann gelaufen. Ich hab nämlich nicht so eine MyCitibus-Karte und bar bezahlen geht in diesen modernen Bussen ja nicht mehr. Insgesamt hab ich jetzt gut eineinhalb Stunden von mir bis zu dir gebraucht.“

      „Oh, das ist doch ganz schön lange – und das am Sonntag, ohne Verkehrsstaus. Es ist ja auch ganz schön blöd, dass so viele Systeme nebeneinander existieren, Taxis, Metro und zwei verschiedene Busgesellschaften. Und jedes Mal muss man extra bezahlen, keine Kooperation! Aber so war das in Deutschland früher auch. In meiner Heimatstadt Hamburg wurde dann 1965 der erste Verkehrsverbund der Welt gegründet, wo du von Anfang bis Ende deiner Fahrt nur noch ein Ticket brauchst. In den meisten Regionen in Deutschland