Norbert Kuntz

Daniel & Andiswa


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mich auf den Weg Richtung Stadt. Mit einem breiten Dauergrinsen im Gesicht lege ich eine meiner Lieblings-CDs ein und drehe die Lautstärke hoch. Ich stimme lautstark bei der Sängerin Lira mit ein:

      „I just wanna feel good every day, I want to wear a smile upon my face!“

      Harare

      Die ganze Woche habe ich schlecht geschlafen, mich in Tagträumen wiedergefunden und mir mein Hirn zermartert: Wie würde die zweite Begegnung mit Andiswa an diesem Samstag verlaufen? Wir treffen uns ja eigentlich aus beruflichen Gründen, also wie könnte ich da zum Privaten wechseln? Wäre das überhaupt möglich? Und wie würde sie reagieren? Fragen über Fragen, die in meinem Kopf herum schwirrten und mich keinen klaren Gedanken fassen ließen. Dabei hätte ich doch die Interviews mit den Leuten vom Football-For-Hope-Projekt vorbereiten sollen.

      Als ich meine Aufregung nicht mehr verbergen kann, vertraue ich mich Clarence an, der ist ja immerhin auch Afrikaner, und frage ihn, wie das denn so sei mit den Xhosa-Frauen. Er lacht.

      „Du hast dich also in eine verguckt, Dannyboy!“

      „Ich glaube, es hat mich so richtig erwischt!“

      „Also mit den Xhosa-Frauen ist das nicht so einfach. Die suchen natürlich eigentlich auch den ,Mann fürs Leben’ wie alle anderen Frauen auch, aber sie haben halt Erfahrungen mit Xhosa-Männern. Da liegt die Crux, denn die sind bekannt dafür, dass sie alles andere als treu sind. Viele haben Kinder mit mehreren Frauen und wollen nur Spaß und keine Verantwortung. Daher gibt es jetzt viele ,moderne’ Xhosa-Frauen, die auch nur auf Spaß aus sind und wenn sie ein Kind wollen, dann bekommen sie es eben und erziehen es meist allein. Bei uns in Zimbabwe ist das anders, wir leben in festen Zweierbeziehungen und Treue wird bei uns ganz groß geschrieben.“

      „Und wie ist das mit interkulturellen Beziehungen? Da bist du doch Fachmann – oder?“

      „Also, als ,Sugardaddy’ scheidest du ja aus, da bist du zu jung!“

      „Sugardaddy?“

      „So nennt man die älteren weißen Männer, du weißt schon, die mit den grauen Schläfen, zwei Scheidungen hinter sich und erwachsenen Kindern, die zur Universität gehen. Die suchen sich dann junge schwarze Freundinnen im Alter ihrer Kinder. Und es gibt viele Frauen Anfang Zwanzig, die es darauf anlegen, sich einen solchen ,Sugardaddy’ zu angeln, der ihnen alle Annehmlichkeiten des Lebens bieten kann. Letztendlich ist das aber ein fairer deal, beide bekommen schließlich das, was sie sich wünschen. Aber du fährst ja nicht mal eine deutsche Nobelkutsche, sondern nur einen asiatischen Kleinwagen. Fällst also keinesfalls in diese Kategorie!“

      „Ah, gut, da brauche ich also keine Angst zu haben, dass sie mit mir anbändeln könnte, um mich auszunutzen.“

      „Ganz ausschließen kannst du das nie. Ich meine, klar, ich liebe Teresa, meine schwedische Freundin, aber sie hat mir natürlich auch Möglichkeiten eröffnet, in meinem Leben voran zu kommen, die ich ohne sie nicht hätte. Das spielt immer ein bisschen mit, ist aber auch nicht schlimm, wenn sich beide dessen bewusst sind.“

      „Sie wird mit mir arbeiten und ich möchte nicht, dass es so aussieht, als würde sie für mich arbeiten, also keinesfalls wie ihr Boss rüber kommen.“

      „Mensch, Dannyboy, mach dir nicht so viele Gedanken. Sei einfach du selbst, dann klappt das schon. Bist doch ein netter, cooler Typ!“

      „Danke Clarence, das baut mich jetzt echt auf.“

      Da er nicht weiß, ob er meine letzte Bemerkung ernst nehmen soll, oder ob das mehr ironisch gemeint war, schiebt er noch eine ganz spezielle Bemerkung über Xhosa-Frauen nach.

      „Ich hoffe nur für dich, dass sie nicht so einen typischen Xhosa-Hintern hat! Ich wusste ja nicht, dass es solche Rundungen gibt, als ich aus Zimbabwe kam. Bei uns sind die Frauen eher so gebaut wie bei euch in Europa. Aber hier? Mann oh Mann, das sind ja gewaltige Ballons, mit denen du es da zu tun hast!“

      Ich kann kaum glauben wie abfällig sich Clarence über die Figuren der hiesigen schwarzen Frauen äußert, schüttele den Kopf und deute mit dem Finger auf das Gemälde African Princess an der Wand über dem Sofa.

      „Genau so sieht sie aus – wunderschön!“

      Dann sitze ich endlich in meinem südkoreanischen Kleinwagen, der also keine südafrikanische Frau je beeindrucken wird, und fahre die 25 km von der Innenstadt hinaus nach Khayelitsha. Dieser Stadtteil ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Angeblich kommen jährlich etwa 25.000 neue Familien aus dem Ostkap hier an, um in der Großstadt nach Arbeit zu suchen und ,ihr Glück zu finden’. Inoffiziell spricht man in der Stadt inzwischen von einer Million Einwohner! Und diese drängen sich auf extrem engem Raum, aber Khayelitsha ist nicht etwa ein einziges, großflächiges Slum voller Wellblechhütten. Khayelitsha ist quasi eine Stadt für sich, mit allem, was eine Stadt ausmacht: Verwaltungsgebäuden, Schulen, Sportanlagen – es gibt sogar ein modernes Freibad, Polizeistation und Feuerwehr, Gericht und Gefängnis und neben vieler kleinen Geschäfte gibt es auch eine große Shopping-Mall. Und natürlich ist diese ,Millionenstadt’ dann auch wieder in einzelne Ortsteile untergliedert. Da gibt es Wellblechhüttensiedlungen, große Bereiche mit sozialem Wohnungsbau – den sogenannten Matchbox-Häusern der Regierung, aber auch Viertel mit wohlhabenden Bewohnern, die es sich in den ,Township-Villas’ gemütlich eingerichtet haben.

      Das Football-for-Hope-Centre unter der Federführung des Vereins Grassroot Soccer befindet sich im Ortsteil Harare, der vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 als Bereich mit der höchsten Konzentration von Gewalttaten in Khayelitsha erkannt wurde. Daher wurde gerade Harare als Standort für gewaltpräventive Projekte ausgewählt.

      Als ich 2010 über die Anfänge dieses Zentrums berichtet habe, waren die Ansprüche enorm. 5000 Kinder und Jugendliche wollte man pro Jahr erreichen und neben der sportlichen Betätigung in das Utshinsho-Programm hineinbringen. Aufklärung über HIV/AIDS und Tests sämtlicher Teilnehmer im Alter von 12 bis 18 waren ein wichtiger Teil des Programms.

      Ich bin gespannt, wie sich die Kunstrasen-Anlage und das ganze Umfeld heute präsentieren werden, aber nicht deshalb habe ich weiche Knie und wippe im Auto unruhig hin und her.

      Mein Navigationssystem lenkt mich erst einmal in die falsche Richtung – wer fährt schon mit einem Leihwagen in die Townships? Offenbar sind die Straßennamen hier nicht richtig übertragen worden. Obwohl mir aufgrund der mir bekannten Vorgeschichte dieser Gegend ein wenig mulmig zumute ist, bewahre ich die Ruhe. Mit meinem guten journalistischen Orientierungssinn finde ich doch noch den richtigen Weg und biege schließlich auf den kleinen Parkplatz in der Nakanye Street ein.

      Da sehe ich sie bereits am Rande des Fußballfeldes stehen und mit einigen Mädchen in Fußballtrikots reden. Ich muss schmunzeln – über meine Annahme, dass ich gedacht hatte, dass ich wohl vor ihr da sein würde, ich bin schließlich Deutscher und sie Südafrikanerin! Und ich liebe Pünktlichkeit!

      Und ich sehe auf Anhieb, wie richtig es war, eine junge Xhosa-Fotografin in meine Arbeit einzubinden. Andiswa ist im regen Gespräch mit den Mädchen. Sie ist quasi eine von ihnen, die sich ihnen in ihrer Muttersprache zuwendet. Ich mag gar nicht aussteigen und ihr und den Mädchen lieber aus der Distanz noch etwas zuschauen, aber schließlich bringe ich meine zittrigen Knie zur Ruhe und nähere mich der Gruppe.

      Andiswa und die Mädchen bemerken mich sogleich und halten in ihrem Gespräch inne – und alle vier schenken mir ein breites Lächeln. Hat Andiswa ihnen etwa schon von mir erzählt? Und wenn ja, was? Den fröhlichen Gesichtern zufolge kann es nur Positives gewesen sein und ich probiere also auch mein breitestes Lächeln und umarme – ganz südafrikanisch – eine nach der anderen, wobei ich gleich die Namen der Spielerinnen erfahre: Babalwa, Sibeko und Jabulile. Zuletzt auch eine Umarmung mit Andiswa, wobei ich vielleicht ein bisschen länger