Dietrich Novak

Morphodit


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       Geschlecht nicht eindeutig zuzuordnen ist. (Anmerkung des Autors)

      »Wäre möglich. Die Rechtmedizin wird euch die Erklärung bringen. Frau Kern und Herr Habich sind schon bei der Arbeit.«

      »Gut, dann werde ich die gleich mal sprechen«, sagte Valerie lächelnd. »Hinni, du kannst ja Manfred noch weiter befragen.«

      »Ja, geh nur! Ich komme dir schon nicht ins Gehege.«

      Hinnerks seltsame Aussage bezog sich auf die Tatsache, dass sich zwischen Valerie und Stella Kern gerade etwas anbahnte. Keine große Sache für Hinnerk, da er auf Frauen nicht eifersüchtig war. Außerdem war Valerie schon immer zweigleisig gefahren und hatte über längere Zeit ein Verhältnis mit Stella Kerns Vorgängerin, Tina Ruhland gehabt. In ihrer Ehe sprach man offen über derlei Dinge, weil Besitzdenken beiden fern lag.

      »Gibt es brauchbare Spuren?«, fragte Hinnerk, als Valerie weitergegangen war.

      »Das muss sich noch herausstellen. Da ist ziemlich viel herumgetrampelt worden. Unter anderem von dem, der die Leiche gefunden hat. Er steht da drüben und ist eher abgenervt als ängstlich, wenn du mich fragst.«

      »Ich spreche gleich mit ihm. Habt ihr ein Handy oder persönliche Dinge bei ihr gefunden?«

      »Nein, eine Handtasche hatte sie ja nicht dabei. Der Ausweis steckte in der Brusttasche des Hemdes. Als wollte man den Zettel am Zeh vorwegnehmen.«

      »Wenn uns jemand die Arbeit erleichtern will, muss er zwingende Gründe haben. Und wenn es nur der Hinweis auf diese spezielle Person ist.«

      Valerie begrüßte Stella mit einem Kuss auf die Wange, was Knud etwas befremdlich aufnahm.

      »Hallo, werden wir mal wieder um die Nachtruhe gebracht«, sagte Valerie.

      »Ja, wie üblich. Schön dich zu sehen. Der Anlass ist mal wieder alles andere als schön.«

      »Hoger hat da so eine Vermutung geäußert. Ich würde dich bitten, bei der Toten darauf zu achten, ob es sich um eine biologische Frau handelt oder ob an ihr eine Geschlechtsangleichung vorgenommen wurde. Du erkennst das doch, oder?«

      »In der Regel schon. Auch wenn es sehr gut gemacht ist. Was veranlasst euch zu dieser Vermutung?«

      »Das Ganze erinnert an eine Bestrafung. Warum sollte man einer Frau die Brüste entfernen und ihr einen Kunstpenis in die Vagina stecken?«

      »Vielleicht aus Hass gegenüber Frauen?«

      »Und was soll die Verkleidung? Ich glaube kaum, dass sie freiwillig so herumgelaufen ist. Für eine Kampflesbe hat sie zu lange Haare. Hoger könnte Recht haben. Da wollte jemand etwas rückgängig machen, weil

      er mit der Geschlechtsanpassung nicht einverstanden war.«

      »Ziemlich rüde Methoden …«

      »Wer weiß schon, was in den Köpfen von Psychopathen vorgeht? Je mehr ich mit denen zu tun habe, desto weniger möchte ich es eigentlich wissen. Eine Erklärung für ihr verwerfliches Tun ist es in den meisten Fällen eh kaum. Zu abstrus sind die Gedankengänge.«

      Als Valerie und Hinnerk leicht übernächtigt einige Stunden später ins Büro kamen, informierten sie Heiko Wieland über den neuen Fall. Der smarte Kommissar aus Wiesbaden, der mit seinem Freund zusammenlebte, war erst unlängst zu ihnen gestoßen. Inzwischen wohnte sogar Ben als Untermieter bei Heiko und Fabian. Anfangs in zwei Zimmern mit eigenem Bad und separatem Eingang. Doch dann hatte Heiko seinen Bruder Tobias wiedergefunden, der jahrelang als vermisst galt. Tobi, der sich mittlerweile Sergej nannte, war Päderasten in die Hände gefallen, nach Hamburg verschleppt worden und später nach Berlin geflüchtet, wo er als Stricher arbeitete. Um ihn aus dem Milieu herauszuholen, hatte Heiko ihn bei sich aufgenommen. Was für Ben bedeutet hatte, ein Zimmer abzugeben. Doch da sich alle gut verstanden, war das kein Problem gewesen.

      »Die Befragung des Zeugen hat nicht viel gebracht«, sagte Hinnerk. »Als er mit seinem Cruisingpartner am Fundort ankam, war die Frau schon tot. Vom Täter gab es natürlich keine Spur mehr. Aufgrund der Kleidung dachten die beiden zunächst, es handle sich um einen Mann. Die von dem Kunstpenis verursachte Beule in der Hose hielten sie für eine Erektion. Dass man der Frau die Brüste amputiert hatte, auf den Gedanken kamen sie deshalb nicht, wunderten sich nur über das blutdurchtränkte Hemd.«

      »Dass der Tiergarten nachts so gefährlich ist, hätte ich nicht gedacht«, sagte Heiko.

      »Ja, lass dir das eine Lehre sein«, meinte Valerie. »Falls dir auch mal nach sexueller Abwechslung zumute ist.«

      »Also hör mal! Weder provoziere ich die Kerle, indem ich in Frauenkleidern herumlaufe, noch bin ich notgeil, da ich in einer festen Beziehung lebe.«

      »Das sieht man doch nicht so eng bei euch. Und in unserem Fall war es umgekehrt. Eine Frau trug Männerkleidung.«

      »Das erinnert mich an den Fassbinder-Film „In einem Jahr mit dreizehn Monden“«, sagte Heiko. »Die Transsexuelle geht nachts in den Park zu den Schwulen und wird fürchterlich vertrimmt, als man merkt, was Sache ist. Glaubt ihr, unser Opfer hatte es sich auch anders überlegt?«

      »Das wäre zumindest ein ganz neuer Gedanke«, sagte Hinnerk. »Ich kenne zwar den Film nicht, aber der Vergleich ist nicht von der Hand zu weisen.«

      »Das erscheint mir weit hergeholt«, meinte Valerie. »Das fand ich schon in dem Film fragwürdig. Schwule wollen etwas in die Hand nehmen, wenn sie eine fremde Hose aufmachen und keine Damenwäsche sehen. Dass man sie nach dem Mord umgezogen hat, erscheint mir naheliegender.«

      »Als Adresse ist bei dieser Jana Steinbach die Ebersstraße in Schöneberg angegeben«, sagte Hinnerk. »Jana deutet für mich übrigens darauf hin, dass der Vorname zuvor Jan war. Jedenfalls stehen in der Ebersstraße meines Wissens vorwiegend Altbauten mit riesigen Wohnungen. Es ist also gut möglich, dass sie in einer Wohngemeinschaft gelebt hat.«

      »Lieschen, bring doch mal in Erfahrung, ob Jana Steinbach die Hauptmieterin der Wohnung ist, oder wer sonst.«

      »Das kann aber einen Moment dauern. Am besten, ihr genehmigt euch derweil einen Kaffee«, sagte Marlies Schmidt, die Kriminalassistentin und gute Seele der Abteilung, die von allen nur Schmidtchen oder Lieschen genannt wurde, was in keinem Fall abwertend gemeint war.

      »Das erinnert mich an einen Fall vor vielen Jahren«, sagte Hinnerk. »Damals fand man eine Transsexuelle erschlagen in ihrer Wohnung auf. Die Ehefrau hatte sich kurz zuvor in der Küche erhängt.«

      »Und warum weiß ich nichts von dem Fall?«, fragte Valerie.

      »Weil du damals im Mutterschutz warst, Schatz. Ich wollte dich nicht aufregen. Die Ermittlungen verliefen eh im Sande. Niemand wollte etwas gehört oder gesehen haben. Brauchbare Spuren gab es auch nicht. Die Staatsanwaltschaft ging schließlich von Einbrechern aus dem Ostblock aus, die damals in Banden organisiert ihr Unwesen trieben. Als die Einbrüche schlagartig aufhörten, nahm man an, sie wären in die Heimat zurückgekehrt.«

      »Ich hab hier was!«, rief Marlies und kam kurz darauf zurück. »Frau Steinbach hat mit einem gewissen Detlef Krüger zusammengewohnt, der als Hauptmieter eingetragen ist.«

      »Dann sollten wir uns den Herrn mal ansehen«, sagte Hinnerk. »Vielleicht haben wir dann schon unseren Mörder. Falls nicht, sollte er zumindest über den Tod seiner Mitbewohnerin informiert werden.«

      »Schon gut, ich fahre hin. Falls es eine Todesnachricht zu überbringen gibt, ist das ohnehin mein Part, wie ich den Verein hier kenne«, meinte Valerie.

      »Du machst das eben am besten mit deiner einfühlsamen Art«, spottete Hinnerk.

      »Darf ich mitkommen?«, fragte Heiko.

      »Gern, das Elend anderer Leute scheint dich magisch anzuziehen. Tschuldigung, war nicht so gemeint.«

      Auf Namens- und Klingelschild tauchten dann tatsächlich D. Krüger und J. Steinbach