Voss und Kommissar Wieland vom LKA«, sagte Valerie. »Wir möchten zu Herrn Krüger.«
»In welcher Angelegenheit?«
»Es geht um Jana Steinbach.«
»Bitte, kommen Sie herein!«
Valerie und Heiko wurden in ein mit Anti-quitäten überladenes Zimmer geführt, das an einen Salon der guten alten Zeit erinnerte. An den Wänden hingen Ölgemälde in breiten Goldrahmen, und überall stand irgendwelcher Nippes herum. Schon auf dem Flur waren Valerie großformatige Fotos aufgefallen, die eine stark geschminkte Frau mit aufwendiger Frisur zeigten. Im Wohnzimmer kamen Plakate hinzu, die eine gewisse Delia als Stargast ankündigten.
»Sind Sie die Mutter von Herrn Krüger?«, fragte Heiko.
»Der war gut«, antwortete die Frau kichernd. »Als meine eigene Mutter hat mich bisher noch niemand bezeichnet.«
»Dann sind Sie Detlef Krüger?«
»Bitte nicht diesen Vornamen, den habe ich immer gehasst. Sagen Sie bitte Delia zu mir.«
»Sie sind das auf den Fotos und Plakaten …«
»Ja, wenn’s recht ist. Es ist nur alles schon eine Weile her. Was ist mit Jana? Hatte sie einen Unfall?«
»Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Frau Steinbach heute Nacht tot aufgefunden wurde. Man hat sie ermordet.«
Delia ließ sich auf einen Stuhl fallen und schlug die Hände vors Gesicht.
»Wer war das? Wer hat diesem lieben Ding etwas angetan?«, fragte sie unter Tränen.
»Das wissen wir noch nicht. Ist Frau Steinbach bedroht oder verfolgt worden?«, fragte Valerie.
»Nein, das hätte sie mir erzählt. Im Gegenteil, sie war so glücklich, endlich einen Mann gefunden zu haben, der sie so akzeptierte, wie sie war.«
»Sie meinen, nach der Geschlechtsanpassung?«
Delia nickte.
»Wie lange war Jana Steinbach schon vor dem Gesetz eine Frau?«
»Seit gut zwei Jahren. Ich habe sie auf diesem Weg begleitet. Als ich sie bei mir aufgenommen habe, nahm sie schon Hormone und lebte als Frau. Sie hat dann zunächst die Änderung des Vornamens beantragt. Keine große Sache. Es musste ja nur ein Buchstabe hinzugefügt werden, damit aus Jan Jana wurde. Die letzte, entscheidende Operation ließ sie dann zwei Jahre später vornehmen. Sie war wie eine Tochter für mich. Ich hatte ja nie Kinder.«
»Sie selbst haben diesen Schritt nie in Erwägung gezogen?«, fragte Heiko.
»Sie sind sehr direkt, junger Mann. Aber in meinem Alter ist man etwas freizügiger mit den Auskünften, die die eigene Person betreffen. Wissen Sie, zu meiner Zeit war das alles noch nicht so einfach. Da fuhr man noch nach Casablanca, um sich operieren zu lassen. Nicht selten ging auch mal etwas schief dabei. Ich hatte das Glück, auf der Bühne die Frau in mir ausleben zu können. Man hat mich gefeiert, wie viele andere auch. Doch die Namensänderung ohne vorhergehende Operation wurde erst 2011 möglich. Vorher musste man sich drei Jahre „beweisen“, zwei unabhängige Gutachten vorlegen und zumindest die Absicht der Geschlechtsanpassung nachweisen. Ich hatte keine Lust auf diese Tortur und mich daran gewöhnt, so zu leben wie bisher.«
»Was wissen Sie über die neue Liebe von Jana«, fragte Valerie. »Haben Sie den Mann persönlich kennengelernt?«
»Er war nur einmal hier. Ein typischer Hetero, dem ich wohl etwas peinlich war. Wenn ich ehrlich bin, war er mir nicht sehr sympathisch mit seinen kalten Augen. Doch Jana war so verliebt. Ich wollte ihr Glück nicht zerstören. Jede von uns hat doch davon geträumt, einmal ein ganz normales, bürgerliches Leben zu führen.«
»Mit uns meinen Sie Ihre Kolleginnen?«
Delia nickte. »Die Kerle waren doch immer nur auf den besonderen Kick aus. Geheiratet haben sie andere. Ich kannte mal eine, die hat sich auf dem Transenstrich in der Winterfeldstraße prostituiert. Da gab es Freier, die unbedingt vorher wissen wollten, ob „er“ noch dran sei. Ach, ich könnte Ihnen Geschichten erzählen …«
»Wissen Sie, wie der Liebhaber Ihrer Freundin heißt und wo er wohnt?«
»Er hat sich mit Kai-Uwe Wendler vorgestellt. Aber ob das sein richtiger Name ist?«
»Und die Adresse kennen Sie nicht?«
»Nicht genau. Jana meinte, er wohne in der Mommsenstraße in der Pension seiner Tante. Dort hat sie ihn ein paar Mal besucht.«
»Danke, das ist doch schon etwas.«
»Halten Sie es für möglich, dass er Jana umgebracht hat? Das wäre ja schrecklich. Hätte ich nur meine Vorbehalte gegen ihn nicht für mich behalten.«
»Hinterher ist man immer schlauer. Gut, dann werden wir uns mal um diesen Herrn kümmern. Haben Sie sich eigentlich nicht gewundert, dass Ihre Freundin heute Nacht nicht nach Hause gekommen ist?«
»Nein, ich dachte, sie wäre bei ihm.«
»In welchen Lokalen oder Bars hat Jana Steinbach verkehrt?«
»Wir sind hin und wieder mal ins Rauschgold oder ins Incógnito gegangen. Allein war sie gelegentlich im Roses oder im Bassy. Doch ich habe mich dort nicht so wohl gefühlt. Die Shows waren mir ein wenig zu schrill. Eben etwas für die jüngere Generation. Ich nehme lieber mal im Lebensstern einen Drink, wenn ich überhaupt noch ausgehe. Doch dort war es Jana zu ruhig. Sie liebte den Trubel.«
»Für den Fall, dass Ihnen noch etwas einfällt, lasse ich meine Karte hier«, sagte Valerie. »Sobald die Leiche von der Staatsanwaltschaft freigegeben wird, erhalten Sie Bescheid.«
»Danke, dann kann ich sie wenigsten ordentlich beisetzen lassen.«
»Wie ist Jana eigentlich umgebracht worden?«
»Wollen Sie das wirklich wissen? Es könnte Ihnen den Schlaf rauben.«
»Besser, als wenn ich mir etwas zusammenfantasiere.«
»Der Täter hat ihr die Brüste amputiert. Letztendlich hat der hohe Blutverlust zum Tode geführt.«
»So ein Dreckschwein. Ihr Busen war ihr ganzer Stolz. Hat man sie vergewaltigt?«
»Der Obduktionsbericht liegt noch nicht vor. Aber in ihrer Scheide steckte ein Kunstpenis. Zusätzlich hat man ihr typisch männliche Kleidung angezogen. Können Sie daraus etwas schließen?«
»Das liegt doch auf der Hand. Jemand war mit ihrer Geschlechtsumwandlung nicht einverstanden und wollte zumindest symbolisch wieder den Urzustand herstellen. Der Täter muss ein Transenhasser sein.«
»Ja, das klingt logisch. Somit würde Herr Wendler nicht in Frage kommen. Es sei denn, er hätte ihr was vorgemacht …«
»Finden Sie es bitte heraus. Nicht dass es noch mehr Opfer gibt. Unser Leben ist schon so kompliziert genug und sollte nicht mit einem so schrecklichen Tod enden.«
»Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht. Schon aus eigenem Interesse. Es kann nicht angehen, dass hier jemand Gott spielt, weil jemand anders tickt, als er es sich vorstellen kann. Nur greifen bei Psychopathen leider keine logischen Argumente. Der ewige Teufelskreis von Schuld und Schuldfähigkeit.«
In der Mommsenstraße gab es drei Pensionen, aber keine mit dem Namen Wendler. Erst als Valerie zum dritten Mal die Straße langsam abgefahren war, während Heiko und sie – jeder auf seiner Seite – die Häuser absuchte, sahen sie ein kleineres Schild, auf dem Pension Ursula stand. Um den Eingang zu erreichen, musste man über den Hof ins Hinterhaus gehen. Auf dem Schild neben der Tür im zweiten Stock stand tatsächlich „Inh. Ursula Wendler“.
Die Dame fiel allerdings aus allen Wolken, als Heiko sie nach ihrem Neffen Kai-Uwe fragte.
»Ich habe keine Geschwister und demzufolge auch keinen Neffen, Herr Kommissar.«
»Dann