Jo Thun

Club Infantil


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kochen, nicht putzen, es gibt Sauna und Schwimmbad, und einen Babysitterservice. Das ist bestimmt besser, als zu Hause auch noch den Haushalt schmeißen zu müssen, du kannst dich ganz auf Ben konzentrieren.“

      „Hört sich nicht schlecht an. Teuer?“

      „Ja, aber wir rechnen das einfach als Geschäftsreise über die Firmenkasse ab. Ist schon bezahlt.“

      Das bestätigte mich nur wieder in meiner Maxime: Je weniger ich über Buchhaltung wusste, umso besser.

      „Du bist dir deiner Sache aber ganz schön sicher? Was ist, wenn Rana doch nein sagt?“

      Alba zuckte die Schultern. „Dann stornieren wir alles wieder. Ich habe noch bis Ende der Woche Zeit. Wäre jetzt auch nicht das Ende der Welt.“

      „Und wenn doch? Wenn sie dann danach wieder arbeiten will, was macht ihr dann?“

      „Na ja, irgendwann will sie sicher wieder arbeiten. Oder hast du gedacht, sie gibt ihren Job auf?“

      Ich schwieg. Zum einen, weil ich nicht so recht nachvollziehen konnte, warum Leute gerne arbeiteten, wenn sie auch zu Hause bleiben konnten. Und zum anderen, weil ich nicht wirklich wollte, dass Ben so früh schon in die Kita sollte.

      „Mattes? Was ist los? Was passt dir nicht?“

      „Nix. Alles okay. Obwohl. Ich dachte doch irgendwie, dass ihr, wenn ihr so doll ein Kind wollt, dass ihr euch dann auch die Zeit dafür nehmt.“

      Alba schob die Papiere weg, legte ihren Stift zur Seite und schaute mich intensiv an. Oh je. Das könnte wieder eine ihrer längeren Reden werden, eine dieser „Was bist du für ein Macho!“-Reden.

      „Weißt du, dass die frühere Familienministerin von der CDU nur 10 Wochen Babypause gemacht hat, bevor sie sich wieder in die Arbeit gestürzt hat? Und die damalige SPD-Generalsekretärin saß noch früher wieder am Schreibtisch. Wirfst du denen auch vor, dass sie sich nicht mehr Zeit für ihr Kind genommen haben?“

      „Nein, natürlich nicht.“ Schon alleine deswegen nicht, weil ich die zwei gar nicht kannte.

      „In Amerika haben berufstätige Frauen grundsätzlich nicht mehr als zwölf Wochen Mutterschaftsurlaub, wobei die meisten schon früher wieder anfangen.“

      „Ist ja gut, ich will ja nur, dass es Ben gut geht. Und dass ihr nicht die Lust an ihm verliert.“

      „Die Lust an ihm verlieren? Mattes, ist das dein Ernst? Wie könnten wir jemals die Lust an ihm verlieren? Wir haben ihn uns gewünscht, und wir lieben ihn über alles. Wir richten uns total nach ihm, er kriegt alles, was er braucht. Und unser Leben ist nicht mehr das, was es vorher war – soll es auch nicht. Trotzdem gibt es aber auch Dinge, die uns ausmachen, und die weiterhin wichtig sind.“ Ich hatte doch gewusst, dass es eine ihrer langen Reden werden würde.

      „Aber wer kümmert sich denn dann um Ben, wenn ihr beide arbeitet?“

      Alba nahm den Stift wieder zur Hand und begann, auf einem Blatt Papier kleine Kringel zu zeichnen. „Wir müssen ja nicht gleichzeitig arbeiten. Einen Tag Rana, einen Tag ich. Oder drei Tage sie, drei Tage ich. Übrigens, wenn du dich endlich besser hier einarbeiten würdest, dann könnte ich auch öfter mal zu Hause bleiben.“

      Jetzt nahm diese Unterhaltung ganz entschieden eine Wendung, die mir nicht behagte. „Ich könnte Ben ja auch mal nehmen während des Tages.“

      „Oder das.“

      „Also auf jeden Fall braucht ihr kein Kindermädchen einstellen. Das habt ihr doch nicht vor, oder?“

      „Nein, haben wir nicht. Obwohl das nicht das Schlimmste ist, was einem Kind passieren kann!“

      „Ich weiß schon. Am besten hat ein Kind ein ganzes Dorf um sich.“ Das war eine von Albas Lieblingsideen. Sie hatte mir schon oft erklärt, dass ein Kind viel besser dran ist, wenn es viele Bezugspersonen hat als nur eine einzige. Im Prinzip eine einleuchtende Idee, zumal diese Theorie ja auch meine eigene Beziehung zu Ben aufwertete.

      Am Ende kam alles so, wie Alba es geplant hatte. Rana und Alba packten ihre Koffer, ich packte meinen Koffer, und zu dritt packten wir Bens fünf Koffer. Alba händigte mir die Reiseunterlagen aus, eine Mappe mit Babyinstruktionen und den Schlüssel fürs Familienauto. Das durfte ich nämlich fahren, weil auch Alba und Rana, die ich unterwegs zum Flughafen bringen sollte, noch reinpassten. Als wir in Tegel ankamen, schlief Ben und Rana wollte erst gar nicht los, weil sie unbedingt Ben noch einmal sagen musste, wie sehr sie ihn liebte. Ich versprach ihr hoch und heilig, Ben die Nachricht zu übermitteln, sobald er aufwachen würde, und schließlich begnügte sie sich mit 24 Küssen, die sie Ben auf die geschlossenen Augen drückte. Alba hatte inzwischen ihren Koffer und die Reisetasche auf einen Gepäckwagen gehievt und schlug ungeduldig ihre Pässe in die linke Hand.

      Als sich zum Schluss Alba auch noch von Ben verabschiedet hatte, hätten sie losgehen können, aber Rana musste doch noch einmal Tschüss sagen (Ben, nicht mir). Endlich fiel Alba ein, dass ich auch noch da war.

      „Danke, dass du uns gefahren hast. Genieß deinen Urlaub mit Ben, und grüß mir Sule.“

      „Sule? Wer ist denn Sule?“

      Aber jetzt waren sie wirklich weg und drehten sich auch nicht mehr um. Wer war Sule? Versuchte Alba etwa, mich mit jemandem namens Sule zu verkuppeln? Wie unangenehm! Ich wollte doch nur ein paar nette Tage mit meinem Sohn verbringen – Bindung festigen, sozusagen. Da war keine Zeit für romantische Techtelmechtel. Außerdem trauerte ich immer noch Isabelle hinterher.

      Während ich den Wagen langsam zurück Richtung Autobahn lenkte, fiel mir das letzte Gespräch mit Isabelle wieder ein. Vor ein paar Monaten hatte sie ganz überraschend angerufen, um zu fragen, wie es mir so geht. Es war kurz vor Bens Geburt und ich weiß nicht, warum ich der Frau, die einmal ein Kind von mir hatte bekommen wollen, unbedingt erzählen musste, dass ich im Begriff stand, Vater zu werden. In der langen Pause, die auf meine Neuigkeit folgte, hatte ich genügend Zeit, meinen Fehler einzusehen.

      „Ich dachte, Kinder interessieren dich nicht. Wer ist denn die Glückliche, mit der du jetzt doch Kinder willst?“

      „Nein, so ist es ja gar nicht. Ich habe keine Beziehung, ich habe das Kind in einer Arztpraxis gezeugt.“

      „Ach so! Na, wenigstens nicht in der Besenkammer. Also dann, viel Spaß mit deinem Kind!“ Und dann hatte Isabelle aufgehängt. Mein erster Impuls war, sie zurückzurufen und alles aufzuklären. Aber mir fiel nicht ein, was genau ich ihr hätte sagen sollen. Irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass sie sich nicht für Alba und Rana freuen würde, denen ich zu einem Kind verholfen hatte. Wie erklärte man überhaupt potentiellen Partnerinnen am besten, dass man ein Kind zusammen mit einem lesbischen Paar hat? Obwohl ich jetzt fast zwei Stunden Zeit hatte, um mir eine Antwort auf diese Frage zu überlegen, fiel mir keine ein.

      Kapitel 6

      Die Fahrt dauerte dann doch länger als zwei Stunden, weil Ben auf halber Strecke aufwachte. Und da ich ja kein Flugzeug kriegen musste oder sonst wie Zeitdruck hatte, konnte ich bequem auf dem nächsten Rastplatz anhalten. Es war alles schon Routine: Wickeltasche über die Schulter, Thermo-Tasche mit der warmen Flasche in die Wickeltasche gestopft, und das schreiende Kind auf den freien Arm genommen. Bei MacD war noch ein Tischchen frei und ich breitete die Utensilien aus: Flasche mit warmer Milch, Latz, Spucktuch, Tempos. Beim Anblick der Flasche beruhigte sich Ben bereits und machte vor Vorfreude wohlig schmatzende Geräusche. Er war ein Meister im Flaschentrinken und brauchte keine zehn Minuten für eine volle Flasche. Diese kurze Zeitspanne nutzten allerdings mehrere Frauen, sich Ben genau anzusehen und Kommentare zu geben, die von „Ach wie süß“ über „Der ist ja noch ganz klein!“ bis hin zu „Schade, dass es solche Väter wie Sie nicht öfter gibt!“ reichten. Während ich noch so dasaß und Ben zuguckte, wie er die letzten Tropfen aus der Flasche saugte, kam mir die Erleuchtung: Ich könnte Ben benutzen, um mit Frauen ins Gespräch zu kommen! Anscheinend flogen die auf Männer mit Kindern.

      Vorsichtig begann ich mich