M. E. Wuchty

Neuanfang oder so ähnlich


Скачать книгу

es nicht.“

      Mein linker Mundwinkel hob sich in einem spöttischen Lächeln. „Nun, ich auch nicht. Aber wenn ich raten soll, liegt es vermutlich daran, dass wir etwas zu toll sind.“ Zu meinem Lächeln gesellte sich die linke Augenbraue. Verstand er die Andeutung?

      Sebastian schüttelte den Kopf. „So gesehen sind wir Männer irgendwie blöd.“

      Ich musste laut lachen.

      „Willst du nicht … ich meine, magst du keine Männer?“ fragte er vorsichtig.

      What the heck? War das wirklich seine Art, oder wurde ich hier gerade Opfer der versteckten Kamera? Auf der anderen Seite – war es nicht völlig egal?

      „Meinst du, ob ich auf Frauen stehe?“ fragte ich zurück und lehnte lässig einen Arm auf die Brüstung.

      „Mhm.“ Ebenso lässig spiegelte er meine Haltung. Irgendwie hatte ich das dumme Gefühl, dass es bei ihm besser aussah.

      „Nein.“ Trotzdem dieses Gespräch immer persönlicher zu werden schien, irgendwann ging meine Zurückhaltung einfach über Bord. „Ich mag Männer durchaus, allerdings habe ich festgestellt, dass die meisten Männer mich nicht mehr mögen, wenn sie feststellen, dass ich mehr Mann sein kann, als so mancher Vertreter deines Geschlechtes und das scheint euch zu verschrecken.“

      Sein Gesichtsausdruck war für einen Moment verblüfft, dann senkte er die Augen.

      „Stimmt“, meinte er schließlich und sah mich wieder an, „Wie sollen wir dir denn in unserer absolut und unwiderlegbar logischen Art erklären, wie die Welt funktioniert, wenn du es schon weißt?“

      „Absolut und unwiderlegbar logisch“, wiederholte ich und garnierte meine Worte mit einem schlecht unterdrückten Lachen. „Ja, das klingt nach den Männern, die ich kenne.“

      Obwohl der Spott in meiner Stimme unüberhörbar war, traf es doch einen wunden Punkt.

      „Schön, wenn unsere geistige Überlegenheit anerkannt wird!“

      „Geistige Überlegenheit ist immer eine Frage des Standpunktes, mein Lieber und von meinem Standpunkt aus, ist jene bei den meisten männlichen Vertretern der Spezies Homo sapiens durchaus fragwürdig.“

      „Inwiefern?“

      „Insoferne, als dass das Denken mit anderen Körperteilen als dem Gehirn, allerhöchstens als Ersatzhandlung zu bewerten ist.“ Ich lächelte ihn zuckersüß an.

      „Was können wir denn dafür, dass unsere Herzen so groß sind?“ fragte er mit treuherzigem Blick.

      „Und meistens von einer brüllenden Woge Testosteron zum Schweigen gebracht wird. Ihr seid wirklich zu bemitleiden.“

      Für einen Moment sah er mich ehrlich verblüfft an. „Für dein Mundwerk brauchst du echt einen Waffenschein.“

      Dazu konnte ich nur breit grinsen. Solche Aussagen fasse ich prinzipiell als Kompliment auf.

      „Siehst du, verschreckt“, stellte ich fest.

      „Bist du deshalb so unrund? Weil du allein bist und das Gefühl hast, du würdest alle verschrecken?“

      Fix noch eins! Der Kerl wechselte die Themen schneller, als Lady Gaga ihre Haarfarbe!

      Das klitzekleine Hochgefühl unseres verbalen Schlagabtausches verpuffte, wie Trockeneis in der Sonne. In meinem Mund machte sich ein schaler Geschmack breit. Verschrecken war nicht das Thema, oder doch? Nein, viel mehr das Gefühl, dass alle Welt annahm, ich sei so stark, dass sich alle an mich anlehnen konnten und ich für mich allein stand. Welcher Mann sollte denn in der Lage sein, mich einmal aufzufangen, wenn er nicht einmal in der Lage war, ein kleines verbales Scharmützel mit mir zu überstehen? Ich bin stark, ich stehe noch, wenn andere schon lange in die Knie gegangen sind, aber wenn ich falle, falle ich tief. Ich bemerkte mein eigenes Seufzen nicht, nur, dass ich auf das Geländer starrte.

      Vorsichtig berührte er meinen Arm und ich zuckte zusammen. „Eigentlich wollte ich dich aufmuntern, stattdessen geht´s dir jetzt noch schlechter. Tut mir leid, Carmen.“

      „Schon ok“, sagte ich und rang mir ein Lächeln ab, „Du kannst ja nichts für meine Neurosen.“

      „Magst du ein Bier?“

      Das war nun wirklich ein guter Vorschlag und durchaus dazu angetan, meine angeschlagene Stimmung zu bessern. „Gern.“

      Während er das Bier holen ging, setzte ich mich auf einen Stuhl und schloss die Augen vor der Sonne. Langsam kehrte wieder so etwas wie Ruhe in meinem Inneren ein. Obwohl ich meine Gedanken nicht laut ausgesprochen hatte, schien allein das Gespräch mit Sebastian meine aufgewühlten Emotionen beruhigt zu haben. Jetzt war ich tatsächlich in der Lage, die Sonne zu genießen.

      Ich konnte ihn auf leisen Sohlen auf die Terrasse zurückkommen hören und öffnete vorsichtig die Augen. In mein Blickfeld wanderte eine Bierflasche.

      „Danke.“

      „Santé.“

      Gemütlich lümmelte er sich in den Stuhl neben mir. Mein primärer visueller Cortex stellte so ganz nebenbei fest, wie lang die Beine dieses Mannes waren und sandte diese Information direkt an mein limbisches System. In meinem Körper machte sich ein angenehmes Kribbeln breit.

      „Prost“, sagte ich, bevor meine Hormone die Überhand über meinen Verstand gewannen – das konnte ich im Moment so gar nicht brauchen...

      Mein präfrontaler Cortex andererseits war irgendwie dankbar dafür, dass ich mir noch nicht klar darüber war, ob ich ihn jetzt attraktiv fand, oder nicht. Abgesehen davon, dass ich mir noch überlegen musste, ob sein heutiges Outfit jetzt eher die Regel oder die Ausnahme war, im Gegensatz zu zu kurzen Hosen und formlosen Tweed-Jacketts. Oh Mann, so unglaublich daneben kannte ich mich gar nicht. Ich beschloss, mich eher auf das Bier in meiner Hand zu konzentrieren. Mmm, so ein kaltes Bier an einem warmen Tag ist etwas Feines und mein Gastgeber schien meine Meinung zu teilen. Für ein paar Minuten süffelten wir schweigend unsere Hopfenkaltschale.

      „Sebastian, warum hast du eigentlich mich angerufen?“ Diese Frage ging mir schon länger im Kopf herum. „Auf unserer Chorliste stehen ca. 45 Namen.“

      „Weil ich dich mag und weil du ja praktisch um die Ecke wohnst“, gestand er, ein wenig verlegen, aber ehrlich.

      Oh, äh, ja, mit dem ersten Teil dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet und entsprechend verließ mich meine Schlagfertigkeit. Was hätte ich auch dazu sagen sollen?

      Inzwischen zupfte er am nassen Etikett seiner Bierflasche herum, bis er es abziehen konnte, um es gleich darauf auf seine Stirn zu kleben. Ich erwiderte seinen todernsten Blick einigermaßen fassungslos.

      „Trinkspiel“, erklärte er lächelnd und begann, von seinen Freunden zu erzählen. Das Etikett wurde auf die Stirn geklebt und wer es als erster verlor, musste die nächste Runde zahlen. So weit so gut.

      „Wird das auf Dauer nicht etwas … nun … anstrengend?“ fragte ich grinsend.

      Er hob die Schultern und meinte dann: „Eher kompliziert, je mehr man getrunken hat.“

      „Kompliziert?“ Das war nicht das Wort, mit dem ich es beschrieben hätte.

      „Nun ja, die Stirn zu treffen wird nicht einfacher im Laufe des Abends!“ Sein Körper bebte vor unterdrücktem Lachen. Offensichtlich hatte er ein bestimmtes Bild vor seinem inneren Auge.

      „Habt ihr das nur mit Bier gespielt?“ In mir erwachte ein „furchtbarer“ Verdacht.

      Sein Lachen schallte über die Terrasse. „Nicht nur!“

      „Solange es keine Flaschen mit Tequila waren.“ Das stellte ich mir dann wirklich „kompliziert“ vor.

      Langsam drehte er den Kopf und die Fältchen um seine Augen vertieften sich. Unwillkürlich lehnte ich mich vor.

      „Nein!“

      „Doch,