Hans Pürstner

Chef Special


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Feinschmecker weiß den Unterschied zu schätzen, vor allem zu schmecken!

      Merke ich beim Essen im Restaurant, dass die Sauce offenbar selbst gemacht ist und nicht durch Geschmacksverstärker und ähnlichen Ingredienzien zu einem Einheitsgeschmack verkommen ist, so freue ich mich darüber. Da hat ein Kollege mal nicht den einfachen und bequemen Weg gewählt, sondern sich die Mühe gemacht, sein erlerntes Wissen auch anzuwenden. Zum Vorteil des Gastes, aber auch zum Vorteil seines Chefs. Denn eine selbst angesetzte Sauce schmeckt nicht nur besser (es sei denn, die Geschmacksnerven sind durch Industrieprodukte schon zu sehr abgestumpft), sondern ist zudem auch wirtschaftlicher.

      Auch zu Hause sollte man darüber einmal nachdenken. Alles was man dazu braucht sind ein paar gehackte Kalbsknochen, frisches Suppengrün, eine Zwiebel und etwas Tomatenmark.

      Und Zeit! Das ist der Grund, warum beinahe jeder doch lieber auf Fertigprodukte zurückgreift.

      Hier in kurzen Worten die Herstellung einer braunen Grundsauce:

      Beim Braten oder Schmoren von Fleisch bildet sich die dazugehörige Sauce. Diese Menge ist oft nicht ausreichend für den täglichen Bedarf. Deshalb ist die Küche gezwungen, die Saucengrundlage zu ergänzen.

      Man benutzt dazu geschmacksähnliche Grundstoffe, wie gehackte Kalbsknochen und ev. Fleischabschnitte (Parüren) sowie Röstgemüse (würflig geschnittenes Suppengrün).

      Durch das Anbraten bildet sich der Geschmack und durch Beigabe von etwas Mehl und Tomatenmark die gewünschte Farbe. Während des Auskochens löst das Wasser die Geschmacks- und Farbstoffe aus den Knochen.

      Durch mehrmaliges Einkochen und Wiederaufgießen entsteht so nach ca. 3 Stunden die braune Grundsauce (Demiglace).

      Diese ist nun tagelang im Kühlschrank haltbar (luftdicht im Glas verschlossen) und lässt sich auch einfrieren. Zur Verwendung bei kurzgebratenen Gerichten wie Geschnetzeltes empfiehlt es sich, die Sauce in einem ausrangierten Eiswürfelbehälter einzufrieren, so lässt sich die benötigte kleine Menge problemlos entnehmen.

      Die Zubereitung dieser Grundsauce war auch eine der ersten Aufgaben, die mir als Lehrling zugetraut wurde, nachdem die vielen Monate mit stundenlangem Kartoffel schälen endlich vorbei waren.

      Unser Küchenchef war ein ziemlicher Choleriker (unter Köchen mit Verantwortung keine Seltenheit!), dies war damals schon eine ziemliche Belastung gerade für einen jungen Mann wie mich.

      Doch im Nachhinein bin ich froh über all die Erfahrungen, gute wie schlechte. Sie haben mich reifer und härter gemacht, so leicht kann mich heute nichts mehr erschüttern. Gerade im oft rauen Alltag der Gastronomie braucht man ein dickes Fell, das hat er mir gegeben, fürwahr!

      Wir hatten einen Kollegen im dritten Lehrjahr, ein Baum von einem Mann, unser Küchenchef war dagegen „einen Kopf größer als eine Klobürste“ wie man so schön sagt. Selbst mit der höchsten beinhart gesteiften Kochmütze ging er ihm höchstens bis ans Kinn.

      Doch eines Tages vergaß der Kollege eine Pfanne mit sechs gefüllten Poularden im Backofen. Nachdem er dies festgestellt hatte, beschloss er, die Tür vom Ofen wieder zu schließen und auf den baldigen Heimgang des Chefs zu warten, um die verkohlten Hühner dann klammheimlich zu entsorgen.

      Doch er hatte seine Rechnung ohne den Wirt, vielmehr ohne den Chef gemacht. Dieser machte noch einen Kontrollgang durch die Küche und entdeckte natürlich dessen Fehlleistung. Und schon spielte sich wieder ein häufig wiederholtes Ritual ab:

      „Links oder rechts!“ Das war Frage wie auch Befehl. Gab der Angesprochene keine Antwort, wohin er die avisierte Ohrfeige haben wollte, bekam er diese eben auf beide Seiten. So hart waren damals die Sitten.

      Heute würde wahrscheinlich sofort ein Team von Jugendpsychologen auftauchen und zahllose Krisengespräche führen, kämen ihnen solche Vorfälle zu Ohren.

      Aber mein baumlanger Kollege, im Privatleben gefürchteter Rockerkönig von Graz, er hielt die Backe hin, wie selbstverständlich.

      Bei diesem rauen Klima ist es kein Wunder, dass wir Lehrlinge den einmal pro Jahr stattfindenden Blockunterricht in der Berufsschule fast wie einen Urlaub genossen.

      Die Schule befand sich nämlich nicht in Graz, sondern im altmodisch, betulichen Bad Gleichenberg. Ein Kurort, der im Kaiserreich noch berühmt war, seine besten Zeiten aber längst hinter sich hatte.

      Hier wohnten wir jetzt in jedem Lehrjahr acht Wochen lang in einem kasernenähnlichen Internatsgebäude und besuchten tagsüber den Berufsschulunterricht.

      Als gute Katholiken gingen wir natürlich sonntags zur Kirche. Wir gingen sogar in fünf Kirchen!

      Des Rätsels Lösung: Der beliebte Gasthof „Fünfkirchen“ bot sonntagvormittags einen Frühschoppen an. Für uns Gastro-Lehrlinge eine willkommene Gelegenheit, auch mal selbst die Freuden der Gäste zu genießen, die wir ansonsten in schweißtreibender Arbeit zu bedienen hatten.

      Hatte ich in meinem Ausbildungsbetrieb den tagtäglichen Stress von ca. 500 Essen a la carte erlebt, wurden mir hier nun im Klassenzimmer allerlei Theorie über Speisenkunde, Kalkulation und französische Fachausdrücke vermittelt, während man uns im praktischen Kochunterricht die Grundlagen der klassischen französischen Küche einbläute, wie sie der große Escoffier im 18.Jahrhundert entwickelt hatte.

      Von ihm gibt es eine nette kleine Geschichte, die etwas über sein ganz besonderes Geschmacksempfinden aussagt.

      Er ließ sich einmal eine große gebratene Pute vorsetzen, die mit einer Ente gefüllt war. Die Ente wiederum hatte eine Wachtel in ihrem Inneren, diese war dann gefüllt mit Oliven.

      Die Legende sagt nun, Escoffier habe lediglich die Oliven gegessen und mit bedauerndem Blick geäußert:

      „Die Ente war wohl schon etwas alt!“

      Na ja, ganz so elitär wurde in der Berufsschule nicht gekocht. Aber zumindest sahen wir zum ersten Mal Dinge wie frische Froschschenkel, Sachen, die wir höchstens aus alten Kochbüchern kannten.

      Da standen nun an die dreißig Schüler um den Lehrer herum und schauten ihm mehr oder weniger interessiert über die Schulter, wie er fachgerecht die zu erlernenden Gerichte zubereitete. Ohne uns für irgendetwas verantwortlich fühlen zu müssen.

      Einmal bereitete der Kochlehrer „Tournedos Rossini“ zu, die anschließend für einige prominente Gäste serviert werden sollten.

      Tournedos sind kleine Rinderfiletmedaillons, belegt mit Gänseleber und Trüffeln. Damit die Steaks beim Braten eine gleichmäßige Oberfläche behielten, wurde dünnes Küchengarn um die Mitte gebunden. Durch die Hitze zieht sich das Fleisch zusammen und wölbt eine schöne Oberfläche des Medaillons. Durch das Zusammenziehen verschwindet das Garn aber auch aus dem Blickfeld.

      So kamen schon einige Minuten, nachdem die Tournedos serviert worden waren, einige ratlose Kellner zurück in die Küche und erzählten, dass die Gäste trotz scharfer Messer große Mühe hätten, die Fleischstücke durchzuschneiden. Warum?

      Unser Lehrer hatte einfach vergessen, das Garn vor dem Servieren zu entfernen.

      Unsere Schadenfreude kannte keine Grenzen.

      Einmal kriegten wir Lehrlinge nicht die Schuld!

      Die fliegenden Augen von Graz

      Die zartbesaiteten unter den geneigten Lesern mögen dieses Kapitel bitte überblättern.

      Es ist mir aber wichtig, auch solche Erlebnisse niederzuschreiben, zeigen sie doch den enormen Kulturschock, der mich, den Schüler eines humanistischen Gymnasiums traf, eben noch mit dem Auswendiglernen lateinischer und altgriechischer Vokabeln beschäftigt, jetzt täglich dem eher rauen Klima und der derben Sprache der Gastronomie ausgeliefert.

      Während man heutzutage fertig zugeschnittene Edelteile von Kalb, Schwein und Rind geliefert bekommt machten wir diese Arbeit damals selbst.

      Einmal pro Woche bekamen wir vom Schlachthof einige Kalb- und Schweinehälften