Hans Pürstner

Chef Special


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körperliche Robustheit verfügte zuerst von den Knochen befreit und dann in die zur Zubereitung nötige Form geschnitten.

      Der Kalbskopf war jedoch ein Fall für uns Lehrlinge. Anders als die Kalbshälfte war er noch ganz im Urzustand, das heißt, zuerst musste er vom Fell befreit werden Dazu rieben wir ihn mit dem sogenannten „Saupech“ ein und legten ihn dann für einige Zeit in kochendes Wasser. Danach ließ sich das verklumpte Fell mit einem Löffel mühsam abschaben.

      Lag dann der „nackte“ Kalbskopf endlich vor uns, gingen wir an die etwas gewöhnungsbedürftige Aufgabe heran, die Augen herauszuschneiden. Danach kam die Zunge dran, eine als „Rahmkalbszüngerl“ sehnlichst erwartete Spezialität für einige Stammgäste.

      Anschließend wurde -ich habe Sie gewarnt!- mit dem Hackbeil der Kopf in der Mitte zerteilt und daraus das vor der BSE-Krise heißbegehrte Kalbshirn gewonnen.

      Doch noch ist nicht genug der unappetitlichen Vorgänge. Wir waren schließlich junge, abgebrühte Burschen (ich eher nicht ) und da juckte es einem halt in den Fingern, mit den Augen, dem Einzigen das nicht „verwendet“ wurde, irgend einen Schabernack zu treiben.

      Ein Kollege bewarf einen anderen mit einem der Augen, der warf zurück und da wir alle natürlich reaktionsschnell den „fliegenden“ Augen auswichen, klatschten die eines nach dem anderen an die Wände, zerplatzen und liefen in blauen Streifen die Wand herunter.

      Schon war die „schönste“ Augenschlacht im Gange. Ich weiß, die Tierfreunde unter Ihnen werden entsetzt sein, Gott sei Dank ist die Sache inzwischen verjährt.

      Ebenso entsetzt war allerdings auch die Köchin, die, unserem fröhlichen Kreischen folgend, in den Keller kam, um nach dem Rechten zu sehen.

      Kurze Zeit später standen wir alle stramm, dem Anlass entsprechend aber doch ziemlich kleinlaut im Büro des Restaurantbesitzers, einem überaus seriöser Mann, den ich in drei Jahren niemals ohne schwarzen Anzug, weißes Hemd und Krawatte gesehen hatte, und ließen die selbst in unseren Augen verdiente Gardinenpredigt über uns ergehen.

      Nach diesem Erlebnis bekam der Begriff „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ eine neue Bedeutung.

      Endlich Jungkoch

      Nach drei quälend langen Jahren war es dann endlich soweit, ich bestand die Gesellenprüfung in der Landesberufsschule Bad Gleichenberg und kam als frischgebackener und stolzer Jungkoch zurück in meinen Ausbildungsbetrieb.

      Wo mir dann schnell wieder der Unterschied zwischen kulinarischer Theorie und Praxis klargemacht wurde. Aber so schlimm finde ich das heute gar nicht.

      Würde man in einem Restaurant jedes Gericht stur nach Originalrezept zubereiten, grundsätzlich nur mit frischen Zutaten ohne jede Hilfsmittel, es würde noch wesentlich teurer werden und noch länger dauern als ohnehin schon, ohne Garantie dafür, dass außer einigen wenigen Puristen wirklich jemand den Unterschied schmeckte.

      Darum rate ich auch jedem Hobbykoch, Rezepte nicht allzu bierernst zu nehmen. Die gute alte Hausfrau kocht ja auch frei nach Schnauze. Und es schmeckt!

      Das ist schließlich die Hauptsache. Und im privaten Kreis hat man außerdem ja noch einen unbezahlbaren Vorteil gegenüber dem Profikoch.

      Man kennt in der Regel den Geschmack seiner Gäste, deren persönliche Vorlieben und kann sich danach richten.

      Das kann der Koch im Restaurant fast nie, außer vielleicht bei langjährigen Stammgästen.

      Mit den Rezepten ist das ja ohnehin so eine Sache. Da sitzen ein paar Redakteurinnen einer Frauenzeitschrift in ihrer Versuchsküche und denken sich was Neues aus.

      Das wird gekocht, probiert und abgedruckt. Mit teilweise unsinnigen Zusammenstellungen und Grundprodukten. Denn Traditionsrezepte sind einmal entstanden aus der Notwendigkeit, das saisonal erhältliche und bezahlbare Angebot an Nahrungsmitteln so zu behandeln, dass daraus wohlschmeckende und nahrhafte(!) Gerichte entstanden. Billigere Teile vom Fleisch verlangten eben längere Koch- bzw. Schmorzeiten und manchmal mehr Kräuter und Gewürze, um den etwas gewöhnungsbedürftigen Eigengeschmack etwas abzumildern.

      Dies waren die Vorgaben, um neue Rezepte zu entwickeln.

      Das Grundprodukt für ein „Coq´ au vin“ war kein zartes Hähnchen, sondern der alte zähe Hofhahn, der, nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte, irgendwann auch mal zur Ernährung seiner Besitzer beitragen und im Kochtopf landen musste. Und dann mit viel Wein, Kräutern und stundenlangem Schmoren genießbar gemacht wurde.

      In Frankreich weiß man heute noch von uns Deutschen verschmähte Grundprodukte wie Kalbskopf, Ochsenschwanz oder ähnliches zu schätzen. Und macht daraus leckere Rezepte. Wir machen Hunde- oder Katzenfutter damit. Und schimpfen, dass Fleisch immer teurer wird. Nur wächst eben kein Kotelett oder Rumpsteak alleine heran, sondern ein zentnerschweres Tier. Das gefüttert, transportiert, geschlachtet und in unzählige Teile zerlegt werden muss. Diese Kosten werden dann auf die wenigen heute noch gewünschten Fleischteile umgelegt.

      Ich kenne Hobbyköche, die stundenlang durch die Stadt irren auf der Suche nach dem im Originalrezept verlangten Zitronengras oder ähnlichem und dann enttäuscht sind, wenn diese Authentizität nicht dementsprechend gewürdigt wird.

      Obwohl, auch dies ist ein Vorzug gegenüber Restaurantköchen, wird es selten passieren, dass einer der eingeladenen Gäste ihr Essen kritisieren wird. Kritik zu ertragen, nach womöglich stundenlanger Arbeit, ist weiß Gott nicht leicht. Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte aus dem Berufsleben erzählen:

      „Das schmeckt aber komisch, probier mal!“

      Dieses Kapitel beschäftigt sich mit einem besonders heiklen Thema, den Reklamationen.

      Ob man etwas reklamiert, ja reklamieren sollte, hängt ja von zahlreichen Faktoren ab. Wie vorhin schon angedeutet, gibt es gerade in der Gastronomie, wo der persönliche Geschmack eine sehr große Rolle spielt, eher selten die Gelegenheit, eine Beschwerde auch zu beweisen. Das Steak, das mir vielleicht eine Spur zu blutig gegrillt ist, findet ein anderer Gast vielleicht schon fast zu durchgebraten. Viele lieben Knoblauch, andere dagegen hassen den Geschmack. So mancher Gast wiederum fürchtet bloß die Nachwirkungen am nächsten Tag, wie schlechter Mundgeruch etc.

      Sie sehen schon, der uralte Spruch: „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann!“ stimmt gerade in diesem Umfeld ganz besonders gut.

      Auf der anderen Seite sollten Sie aber auch nicht widerspruchslos alles hinnehmen, was Ihnen im Restaurant für teures Geld so aufgetischt wird. Mir ist heute noch gut in Erinnerung, wie ich einmal in einem Hotel für sechzig Pensionsgäste als Vorsuppe eine Tomatencremesuppe zubereitet hatte. Eine Tasse nach der anderen verließ die Küche und kam leer wieder zurück. Erst der vierte Gast wagte den Einwand: „Da ist ja gar kein Salz dran!“

      Tatsächlich hatte ich die ansonsten fachmännisch zubereitete Suppe völlig ohne Salz serviert. Ein ärgerlicher Fehler von mir, und er wäre schon nach dem ersten Gast zu korrigieren gewesen. Hätte der etwas gesagt. So blieben noch einige Gäste mehr unzufrieden mit ihrer Suppe.

      Sehen Sie, dies wäre eine Reklamation gewesen, die ich als Koch sogar begrüßt hätte.

      Auf der anderen Seite ist Geschmack natürlich relativ. Hat ein Gast eine besondere Vorliebe für stark gewürzte Speisen und ist dann nach dem Genuss eines normal gewürzten Ragout enttäuscht, so ist es wenig zweckmäßig, dies dem Kellner mit einem arrogant hingeworfenen „das schmeckt nicht!“ mitzuteilen.

      Wenn schon, dann bitte „Das schmeckt mir nicht so gut“.

      Noch besser ist es, besondere Geschmackserwartungen schon bei der Bestellung anzugeben. Dann lässt sich doch sehr oft etwas machen, wenn auch nicht immer. Wie schon zuvor beschrieben, gibt es Gerichte, die Stunden zur Zubereitung brauchen wie zum Beispiel ein Wildragout oder ein Rheinischer Sauerbraten, sind also zum Zeitpunkt der Bestellung längst fertig.

      Diese