Jochen Schmitt

Rolands Lied


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„Die Franken sind für unserer Kampfesweise nicht zu begeistern. Sie haben für den Krummsäbel nichts übrig. Vielleicht könntest du aus deinem Beutebestand zwei Schwerter beisteuern?“

       „Das könnte ich tatsächlich, aber ob die eine Königsgabe darstellen?“

       „Ich denke da an zwei ganz bestimmte! Du hast dir doch gerade zwei königliche Prachtstücke aus Damaskus zugelegt!“

       „Woher weißt du…?“ Im selben Augenblich ging ihm auf, dass er sich selbst verraten hatte. Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen – zu spät. Die Neugier der Runde war geweckt. Leugnen oder herabspielen nutzlos. Blitzschnell begriff er: Jetzt ging es nur noch um Schadensbegrenzung, sonst war er die Schwerter los. Er konnte vielleicht noch das Mehr verhindern, indem er die nun so hoch bewertete, dass die anderen sich mit einem davon begnügten.

      „Ich habe erst letzte Woche zwei erstklassige Schwerter, neue Klingen, aus bestem Damaszener-Stahl erworben. Der Handschutz jeweils vergoldet, der Griff gewickelter Golddraht, am einen Knauf leuchtet ein grüner Smaragd, am anderen funkelt ein roter Rubin. Zwei Prachtstücke, jedes eine würdige Königsgabe. Ich bin in beide rettungslos verliebt – aber eines davon stelle ich zur Verfügung. Das gebe ich mit! Entscheidet ihr, welches es sein soll.“

       „Ich fürchte, du musst beide hergeben! Eines für König Karl, das andere für seinen Busenfreund Hruotland, den Markgrafen der Bretagne, den die Germanen Roland nennen. Das erst bringt uns den Erfolg! Der ebenso kleine wie unheilbar eitle Gernegroß Hruotland, durch diese „Gleichstellung“ mit seinem Kumpel Karl geehrt – unser Anliegend und Abdallahs Mission haben jetzt schon den Erfolg sicher!“ Emir Husayn hatte sofort begriffen und reagiert.

       Betroffen verzog Abu Taur, mächtiger Wali von Huesca, sein Gesicht in mürrische Falten. Die umfassenden Kenntnisse des Spionagechefs Malik über der Franken innere Führung hatte er nicht einkalkuliert.

       „Nein! Nein! Nein! Kommt überhaupt nicht in Frage! Eines meiner Schätzchen behalte ich!“ Sein Stöhnen kam zu spät.

      Maliks Idee hatte sich sofort in den Köpfen der Anwesenden als beschlossen festgesetzt. Jazid sprach es aus:

       „Lieber Vetter Abu Taur, du musst dich von beiden deinen Geliebten trennen. Ich!!! Dein künftiger König befiehlt es dir“, brabbelte er etwas zusammenhanglos. „Tröste dich! Sitze ich erst mal mit dieser deiner generösen Hilfe auf dem Thron, schenke ich dir zwei neue solche Schätzchen!“ Vergnügt über seinen Geniestreich grinste er in die Runde. Abu Taur sah sich hilfesuchend ebenso um – und resignierte. Er las es mühelos in allen Gesichtern. Dieser verfluchte al-Rasa´il, dieser Malik hatte ihm einen üblen Streich gespielt. Grollend gab er nach. Mit König Jazids Lieferung brauchte er nicht zu rechnen, und dem elenden Schurken Malik würd er es bei Gelegenheit zurückzahlen, nahm er sich vor.

      „Und du, Suleiman, was bietet Barcelona?“

       Der war nun gewarnt, und zu schlau, um jetzt noch seine Schätze preiszugeben.

       „Erst mal überlegen. Ich horte keine Besonderheiten. Ein Säckchen mit Gold-Denaren hätte ich zu bieten – aber das ist wohl keine Gabe für Könige. Andererseits bin ich bereit, damit die Reisekosten Abdallahs zu bestreiten. Ja, wenn ich einen jungen Elefanten, oder wenigstens eine junge Löwin oder ein Affenpaar hätte – das wäre was! Hab ich aber nicht! Ach ja, da fällt mir ein – aber ich weiß nicht…“

       „Los, raus mit der Sprache, oberster Häuptling aller erfolgreichen Mittelmeer-Piraten, lass uns das Urteil fällen!“ löste ihm der Emir launig die Zunge.

       „Nun, letzte Woche brachte einer meiner braven Schiffskapitäne einen verdächtig reichen Handelsfahrer aus Griechenland auf. Der hatte eine Sammlung von vier Nubier-Mädchen an Bord, aus dem Lande Punt, das andere wohl auch Äthiopien nennen. Alle rank und schlank, gleich groß, jede gleichermaßen wohlproportioniert, an den richtigen Stellen gerundet; jede 12 Winter alt, und jede noch Jungfrau. Die sitzen unberührt bei meiner Umm im Harim. Das wäre in meinen Augen ein königliches Geschenk, das die Franken überwältigen müsste. Wenn der König sie nicht selbst benutzen will, könnte er mit diesem hellbraunen Elfenbein den einen oder anderen seiner Grafen auszeichnen!“

      Das musste erst mal verdaut werden. Grübelnd blickten sie sich an. Dann rief der Wesir al-Rasa´il begeistert aus:

       „Großartig! Genau das ist es! Abdallah reist getarnt als Sklavenkarawane zum Pader Born. Die beste Tarnung die wir uns ausdenken können! Und genau das richtige Argument, das überzeugen wird: Die Mädchen sind keine Christinnen und keine ist eine Muslima. Also zum Geschenk als Sklavin bestens geeignet! Und außerdem: Der Frankenkönig ist der allerletzte seines Stammes! Er arbeitet mit allen verfügbaren Damen hingebungsvoll daran, diesem in seinen Augen besorgniserregenden Zustand abzuhelfen. Deine vier Grazien, lieber Wali, sind genau die perfekte Abrundung zu Abu Taurs beiden Schwertern. Wenn das nicht Abdallahs Auftrag gelingen lässt, will ich nicht länger Malik heißen!“.

       „Wir werden dich demnächst „Ali“ rufen, denn dein Vorschlag hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn Abdallah ausschließlich Eunuchen mit auf die Reise nimmt, und selbst seinen bekannt emsigen Vermehrer von den Mädchen fern halten kann!“ juxte der angeheiterte Möchtegernkönig Jazid.

      „Das bringt uns zur Frage, wer in Abdallahs Gesandtschaft mitreist. Es müsste eigentlich ein respektable Gruppe Würdenträger sein. Das aber verbietet die Geheimhaltung. Offenkundiger könnten wir unsere Absicht gar nicht öffentlich anzeigen. Ich meine, Abdallah sollte eine Gruppe erfahrener Chassas, einige unserer höheren Offiziere, nach seiner Wahl mitnehmen. Das ließe sich auch als eine Militärmission zur Erkundung der fränkischen Militärmacht umdeuten, wenn das nötig würde“, meinte sein Vater, der Hadjib.

       „Exakt so machen wir das!“ befand der Emir, und sah sich nach Widerspruch um. Es kam nur beifälliges Nicken.

       „Ich fasse zusammen, und nichts wird schriftlich festgehalten! Jeder gräbt das in seinen Kopf: Wir entsenden Abdallah mit einer Gruppe Chassas, dazu einige Murabitun, getarnt als Sklavenkarawane. Der Mädchen halber füge ich einige zuverlässige Sklavinnen zur Abrundung des Angebotes bei. Aus meiner Schatzkammer entnimmt er für Mann wie Frau geeignete Goldschmuckstücke, je ein Dutzend Ringe, Ketten, Armreifen. Der Graf Theuderich schuldet mir als seinen Anteil daran ein Säckchen Gold-Denare – einverstanden, Graf Roderich?“

       „Selbstverständlich, das machen wir so!“

       „Sodann nimmt Abdallah auf der Durchreise unauffällig die Gaben der Walis in Huesca und Barcelona entgegen. Die Mädchen, Suleiman, müssen mit Maultieren übergeben werden. Die gesamte Karawane ist beritten. Zelte und Vorräte auf zwei oder drei guten und stabilen Karren mitgeführt, unsere besten Zugtiere vorgespannt, zeugen von vermeintlichen Handelsgütern. Einige sprachkundige und erfahrene Söldner spielen die Knechte und schützen gleichzeitig die Kolonne. Die Karawane eilt direkt ohne unnötige Aufenthalte zum Reichstag und dem König Karl. Dort erst verwandelt sich die Delegation der Gesandten in Chassas. Die entsprechend vornehme Seidenkleidung wird verdeckt auf den Wagen mitgeführt. Die Mädchen werden am Hof der Franken mit meinem Schmuck ausgestattet – aber nackt dem König in der Audienz zugeführt! Es müsste mit dem Sheitan zugehen, wenn die Franken und ihr König nicht geblendet sein werden. Nutze den Augenblick und lass dir eine rauflustige und beutesüchtige Barbarenhorde zusichern!“

       Für einen Augenblick saß die Runde stumm. Dann kam begeisterter Beifall auf, Klatschen und Zurufe. Die neun Verschwörer waren alle gleichermaßen überwältigt von dem Geisteskind, das sie soeben gemeinsam zur Welt gebracht. Selbst die Damen hinter der Trennwand stimmten in die allgemeine Begeisterung ein.

      Abdallah stellte noch am selben Abend seine Truppe zusammen und erteilte seine Befehle. Die halbe Nacht hindurch mussten die Männer schuften. Er saß derweil in der Schatzkammer des Emirs, sortierte goldene Schmuckstücke und schwere silberne Armreifen.

      2. Kapitel: Nach Paderborn

      Abdallah verabschiedete sich, nach halb durchwachter Nacht recht kurz angebunden, von seinen beiden hoch schwangeren Hauptfrauen. Prinzessin Rosana, Tochter des Emirs,