Jochen Schmitt

Rolands Lied


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dem du pfeifst! Da siehst du mal wieder, wie wertvoll ein Baske ist! Ohne mich würdest zu hinten mit Eris Staub schlucken.“

       „Oller Angeber, gibs dran, deine Sprache hast du per Zufall mit der Muttermilch geschluckt!“

       „Ja, genau wie du dein Fränkisch! Und beides zusammen hat uns Bewegungsfreiheit eingebracht! Ist dieser Morgen nicht herrlich? Kein Chassa weit und breit! Keiner der uns herumkommandiert!“

       „Jubel nicht zu früh! An jedem Lagerplatz wirst du wieder zum rechtlosen Befehlsempfänger!“

       „Macht nichts. Dafür entschädigen uns nachts Mascha und Adegund mit ihren Diensten!“

       „Hoffe nicht auf allzu viel. Du musst die beiden mit sechs anderen teilen. Und da wir ja nur abseits lagern werden, darfst du die Chassas auch noch einbeziehen. Denn dass Abdallah seine Biliana mit denen teilen wird, halte ich für so wahrscheinlich, wie du des Emirs Übertritt zu unserem Christentum!“

       „Nun, so wie ich Adegund kenne, macht sie bereits mit Mascha einen Fahrplan für die Nächte.“

       „So, so, sieh einer an! Dieser „Sihdi“ „kennt“ also die Adegund!“

       „Aber sicher! Die war doch Küchensklavin. Sie hatte freien Zugang zum Kräutergarten im Park. Wir haben uns manche Nacht zwischen den Blumenrabatten gewälzt! Im Übrigen kenne ich einen Franken, der auch gelegentlich nächtlich im Park gesichtet wurde, wo er etwas anderes als Wachdienst ausübte!“

       „Mag sein, aber nicht mit einer Willigen, die Adegund hieß. Schließ lieber für dich daraus nicht auf Bevorzugung! Nur ein Chassa hat Vorfahrt. Du wirst dich mit uns einreihen. Und nun schließ lieber mal dein Riesenmaul. Dort oben über uns kreist schon einer der Lämmergeier. Der will bestimmt sein Nest in deine Höhle bauen!“

       Basco riss seinen Mund zur Erwiderung noch weiter auf – und klappte ihn sofort wieder zu. Ein heißer Luftzug ließ ihm die Kehle trocknen. Die Mittagshitze wogte herbei.

      Nur eine Meile hinter ihnen kam die verstaubte Gruppe schon wie ein Zug echter Fernhändler daher. Niemand konnte nun unter ihre Tarnung sehen.

       Vier Tage lang ging es flott auf der Ostschulter des Rio Ebro hinunter, nach Süden, und dann ab dem Dörfchen Lleida westwärts, in Richtung Barcelona, so wie es die Steinplatten der Römerstraße vorgaben. Huesca hätte einen Umweg bedeutet. Der Wali selbst hatte Abdallah unter vier Augen darauf hingewiesen. Den anderen Ratsmitgliedern schien das nicht aufgefallen zu sein. Oder sie hatten aus Respekt den Irrtum des Emirs und seines Hadjibs nicht korrigiert. Wie auch immer, der Wali heilte den Fehler und schwor, seine kostbaren Schwerter mit Eilpost und starker Bewachung dem Wali von Barcelona zu liefern.

      Abdallah, seine Offiziere und die als Knechte getarnten Unteroffiziere hatten genug Erfahrung, um Eile mit Weile zu paaren. Zügig, doch unauffällig, schwamm die Kolonne im täglichen dichten Straßenverkehr mit. Die mit meterlangen Steinquadern gepflasterten, und nun schon mehr als 800 Jahre alten und 30 Fuß breiten Römerstraßen, bildeten in Westeuropa ein Fernstraßennetz, das mit den heutigen Autobahnen verglichen werden kann. Es war ähnlich dicht genutzt. Sie überholten nur dann, wenn sie auf einen Stau trafen.

       Die Tiere wurden von ihnen aufmerksam betreut und gehütet. Der angehende Sommer begleitete sie. Nur gelegentlich ein erfrischender Regenschauer. Die saftig grüne Region, ihre Wälder und Auen, hielten das Klima im erträglichen Bereich. Dennoch war die mittäglich volle Sonne eine arge Beschwernis für Mensch und Tier. Am besten erging es noch den drei weiblichen Reisenden im Schatten der Wagenplane. Dafür mussten sie das Holpern der Straße und das Kreischen der Achse ertragen. Jede Reiseunterbrechung wurde zur Erlösung. Ohne die übliche Siesta ging es nicht.

      Mittags einige Stunden Rast an einem Wasser, und im Schatten eines Waldes mit Weidemöglichkeit, das musste genügen. Dadurch kamen auch die Menschen zu ihrer Erholung, zum Auslauf und zur Einnahme von Mahlzeiten. Im Ergebnis ging es so mit Ausdauer zügig voran. Im ersten Morgenlicht brachen sie ihre Zelte. Im letzten Tageslicht bauten sie die wieder auf. Bewusst mied Abdallah die Raststätten. Geheimhaltung war oberstes Gebot! Sie hatte den Vorrang vor Luxus und Bequemlichkeit. Abseits der Fernstraße im Wald wurde das Lager errichtet. Und nachts von den erfahrenen Murabitun umschichtig bewacht. So schafften sie die 300 km bis Barcelona in beachtlichen 7 Tagen.

      Am frühen Abend, die Stadt voraus schon erkennbar, hockten die beiden vom Vortrupp am Straßenrand. Zusammen mit einem alten Bettler. Bevor Abdallah reagieren konnte, stand der Bettler in seinem Weg. Munter und erstaunlich sicher trat er zu dem an der Spitze reitenden Abdallah, hob sich verneigend die Rechte an seine Stirn und sprach ihn an. Es war ein Rastrero, ein Erkunder des Walis. „Sihdi, mein Herr, der Wali, sendet euch seinen Gruß. Er bittet euch, die Stadt zu meiden. Nur so kann Geschwätz vermieden werden. Mein Herr hat bereits gehandelt. Wir benützen die Abzweigung hier, nach Norden um die Stadt herum. Eine Stunde später findet ihr einen fertigen Lagerplatz, an einem Bach im Wald. Dort lagert seit heute Mittag eine „Händler- Karawane“, verkleidete Rastreros mit euren Waren. Morgen früh ziehen beide „Karawanen“ entgegengesetzt davon - und niemand ist weiser!“

       „Gut, dann reite mit den beiden voraus. Wir folgen!“

       Der angebliche Bettler zog ein gesatteltes Maultier aus dem Busch. Die drei ritten mit einigem Vorsprung voraus. Ganz so, als ob sie mit der ihnen angestrengt nachfolgenden Händlertruppe nichts zu tun hätten.

      Die Übergabe am Abend erfolgte wie abgesprochen. Die beiden Trupps lagerten sich scheinbar nebeneinander an einem Bach. Die beiden Walis hatten zu Abdallahs Erleichterung ihre Zusagen peinlich genau eingehalten. Er hatte sich zuvor Kopfschmerzen gemacht. Wie sollte er sich verhalten, wenn ihn einer oder gar beide im Stich ließen? Oder der Herrscher von Barcelona die ihm anvertrauten Schwerter so interessant fand, dass er sich nicht mehr von ihnen trennen mochte? Machtmittel, um sie zu zwingen besaß er nicht, und so ein maurischer Wali war nur schwer zur Preisgabe von Schätzen zu überreden. Dankbar erlebte er diese seltene Ausnahme. Die Schwerter, eingehüllt in je einen kunstvoll geknüpften kleinen Perserteppich, nahm er tiefer mit in den Wald. Einerseits Fan seines Krummsäbels, begeisterte er als Connaisseur sich doch für diese Prachtstücke. Mit einigen kunstvollen Chassa Fechthieben zerteilte er einige Kubikmeter Luft in Schnipsel. Beide Waffen zeigten sich präzise ausgewogen.

       Bei den Jungfrauen beließ er es beim äußeren Augenschein. Das schien ihm ratsamer!

      Am nächsten Morgen zogen sie in entgegengesetzten Richtungen davon. Dass Abdallahs Kolonne über Nacht um einiges zugenommen hatte, fiel niemandem auf. Im nun schon eingespielten und perfektionierten Zusammenwirken rollte und ritt sie in Reichweite am Mittelmeer nach Norden. Die nächsten 400 km brachten sie nahe Nimes. Die vier Mädchen, alle gleich von hellem Kaffeebraun, erwiesen sich tatsächlich als die angepriesene Augenweide. Die grazilen jungen Damen betörten Sinne, von denen der eine oder andere Unteroffizier bereits geglaubt hatte, er hätte sie nicht mehr. Abdallah sah sich genötigt, seine Männer nachdrücklich zu verwarnen. Er verwies sie zum Trost auf die zwei Sklavinnen, die nicht nur die jungen Mädchen betreuen und bewachen mussten. Sie standen zusätzlich des Nachts reihum den Männern zur Verfügung, oder, genauer gesagt, sie lagen ihnen zur Entspannung.

      Zu aller Erleichterung hatte der Wali die vier Grazien mit verträglichen und gut eingerittenen Maultieren ausgestattet. Und ebenso erfreulich war, dass sich alle vier sehr gut im Sattel behaupten konnten. Doch schon am nächsten Abend wandte sich Adegund, nun sowohl Chefköchin wie Obersklavin, an Abdallah und berichtete von einem neuen Problem. Die zarten Sitzflächen und die empfindlichen Spältchen der Mädchen litten beachtlich unter der Beanspruchung. Zwar habe sie bereits Peitschensalbe zum intensiven Einsatz gebracht, jene, mit der ansonsten Delinquenten nach 50 Peitschenhieben wieder gebrauchsfähig gemacht wurden. Wenn er aber so weiter mache, würden die Schwielen am Po die Ware in Paderborn sehr unansehnlich erscheinen lassen, bemerkte sie ebenso deftig wie listig.

      Da erwies es sich nun doch als sehr hilfreich, dass der Reisemarschall beim Abmarsch zwei Karren mehr in die Kolonne eingefügt hatte, als eigentlich nötig. Sehr zum damaligen Unwillen Abdallahs, der sich nur schwer von deren Nützlichkeit überzeugen ließ. Es war auch keine besondere beabsichtigt. Einfach Vorsorge, eine Reserve für eventuelle unvorhergesehene Schwierigkeiten. Außerdem beschleunigte das die Reise. Die