Michael Schenk

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes


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auf zu murren.“ Die mahnende Stimme kam von Maratuk. Er war einer der ältesten und erfahrensten Krieger der gelben Kristallstadt. Seine Bartzöpfe trugen die Strähnen hohen Alters. Sorgfältig geflochten hingen sie vor seiner Brust herab. Nur im Kampf wurden die Zöpfe im Nacken verknotet, damit das Blut des Feindes sie nicht beschmutzte oder sie sonst wie Schaden erlitten. Über Maratuks breiten Schultern ragten die Stiele seiner Kampfäxte auf, die auf dem Rücken in Futteralen steckten.

      „Du hast gut reden.“ Parnuk richtete sich auf und stützte sich für einen Moment auf seine Hacke. „Als Axtschläger musst du ja auch nicht im Dreck herumwühlen.“

      „Jemand muss auf euch achten, wenn ihr im Boden der Öde grabt“, lachte Maratuk auf.

      „Hier gibt es keine Gefahr“, murmelte der andere Schürfer. „Nur Felsböcke und heftige Stürme, doch gegen die braucht es keine Kampfaxt. Du könntest also ruhig mit anpacken. Umso schneller sind wir fertig.“

      Maratuk schüttelte den Kopf. „Dies ist die Öde Rushaans. Mag sein, dass die Gefahr durch die Paladine gebannt ist. Sie brannten ja jeden, der es wagte, in die Öde vorzustoßen. Dennoch ist es meine Pflicht, über eure Sicherheit zu wachen. Dies ist fremdes Land, und wir sind weit weg von der Sicherheit unserer Grenze.“

      „Ja“, giftete Parnuk, „und nur, damit wir im Dreck nach wertlosem Gold wühlen.“

      „Die Zeiten ändern sich.“ Maratuks Stimme klang ruhig und belehrend. „Selbst für uns Zwerge gewinnt das Gold an Wert. Ihr wisst ganz genau, die Menschen prägen daraus ihre goldenen Schüsselchen und handeln damit. Die Zeiten, in denen wir unsere Kristalle gegen das Brot der Menschen tauschten, sind vorbei. Heute geben die Menschen uns Gold und kaufen unsere Kristalle, damit sie daraus glänzenden Tand für ihre Weiber fertigen können.“

      Parnuk spuckte aus. „Ja, und wir nehmen das Gold der Menschen und geben es ihnen wieder zurück, damit wir dafür Brot erhalten.“

      „So ist es.“

      Der Schürfer seufzte. „Dann können wir ihnen ebenso unsere Kristalle geben, und sie geben uns dafür wieder Brot. So, wie es immer war. Dann bräuchten wir jetzt nicht das Gold aus dem Boden zu kratzen.“

      Der Axtschläger wippte leicht auf den Fersen. „Mit Gold lässt sich jede Ware handeln, Schürfer. Das ferne Königreich von Alnoa hat wachsenden Bedarf an goldenen Schüsselchen, doch sie haben nicht so viel Gold in ihrem Boden. Also graben wir es aus und geben es ihnen.“

      „Für Brot.“

      „Und andere Dinge.“ Maratuk war nun sichtlich genervt.

      „Diese Alnoer sind verrückt, wenn du mich fragst.“ Erneut rutschte einer von Parnuks Zöpfen nach vorne, und der Schürfer schlug seine Hacke wütend in den Boden, um sich die Enden seiner Manneszierde endlich auf den Rücken zu knoten. „Wenn man nichts zum Tausch hat, dann kann man nicht handeln. Wenn die Alnoer also nicht genug Gold haben ...“

      Maratuk stieß ein leises Grollen aus. „Selbst unsere Freunde vom Pferdevolk fertigen inzwischen eigene goldene Schüsselchen. Hältst du auch sie für verrückt?“

      „Alle Menschen sind verrückt.“ Parnuk nahm seine Hacke wieder auf. „Die einen mehr, die anderen weniger. Unsere Freunde mit den grünen Umhängen sind sicherlich weniger verrückt, als die Alnoer. Dennoch …“

      „Dennoch wirst du unserem guten König Folgschaft leisten und das Gold Rushaans aus seiner Erde kratzen.“ Maratuk deutete um sich. „Stell dir einfach vor, es sei kostbares Erz oder eine wundervolle Kristallsäule. Dann fällt es dir leichter.“

      „Kostbares Erz, wundervolle Kristallsäule.“ Parnuk spuckte abermals aus. „Ich wollte wahrhaftig, es wäre so.“

      Der andere Schürfer räusperte sich. Er hatte seine Arbeit ebenfalls unterbrochen, um dem Disput der beiden zu lauschen. „Wir sind weit weg von zu Hause, fern unserer Kristallstadt. Die Einsamkeit der nördlichen Öde zerrt an unseren Bartzöpfen, guter Herr Maratuk. Das macht uns verdrießlich.“

      Maratuk nickte bedächtig. „Keinem von uns gefällt es, hier zu sein. Zumal unsere Freunde, die Pferdelords, hiervon nichts wissen dürfen. Ihre Scharen bestreifen den Süden, doch der Rest Rushaans ist Öde, in der niemand etwas verloren hat.“

      „Hätte eine Streifschar des Pferdevolkes nicht zufällig dieses große Goldvorkommen gefunden, wären wir ja auch nicht hier“, stellte Parnuk fest.

      „Ah, dann sind es jetzt wohl die Pferdelords, die Schuld an deiner ungeliebten Arbeit haben?“ Maratuks Augen verengten sich.

      Der andere Schürfer hob beschwichtigend die Hände. „Lasst den Streit, ihr guten Herren. Das ist eines Zwerges nicht würdig. Wie es unser guter König Hendruk Hartschlag schon sagte: Geht hinaus in die Öde, grabt so viel Gold aus, wie eure Lasten tragen können, und kehrt zurück.“

      „Und lasst euch nicht erwischen“, fügte Parnuk hinzu. „Die Pferdelords wären nicht begeistert, wenn sie uns hier anträfen. Es verstößt gegen die Unberührbarkeit Rushaans.“

      „Die Pferdelords streifen unten im Süden“, beruhigte der andere. „Bis hier herauf kommen sie nicht.“

      „Bah, jene Schar, die das Gold fand, kam bis hier herauf.“

      Axtschläger Maratuk versuchte, sich zu beherrschen. Parnuk war ein guter Schürfer. Einer der besten der gelben Kristallstadt Nal´t´hanas, die im westlichen Teil des Noren-Brak verborgen lag. Alle Städte der Zwerge lagen gut geschützt im Inneren der Berge, in gewaltigen Höhlen, in denen man die Pyramiden der Städte erbaut hatte. Jede der Städte war von einer Kuppel aus fünfseitigen Kristallelementen umgeben. Sie schützten vor dem Flammenatem der Feuerbestien, die in den Tiefen der Erde lebten und gelegentlich zur Oberfläche vordrangen. Es war eine Eigenheit der Zwerge, dass jede Stadt ihre Kuppel aus andersfarbigen Kristallen errichtete, davon leiteten sich die Bezeichnungen des Zwergenvolkes ab. Doch von den Städten der kleinen Herren waren nur zwei geblieben, und die gelbe Kristallstadt Nal´t´hanas hatte noch immer unter den Folgen einer alten Katastrophe zu leiden. Durch ein Erdbeben war ein Teil der Höhle eingestürzt, hatte die Kuppel teilweise zerschlagen und viele Bewohner getötet. Auch wenn sich die tapferen Zwerge nun langsam von diesem Schicksalsschlag erholten, so litten sie doch manchen Mangel, vor allem da ihre Arbeitskraft auch benötigt wurde, um die nördliche Grenze am Pass des Eten zu schützen. König Hendruk Hartschlag hatte daher die Gelegenheit ergriffen, als er von den leicht zugänglichen Goldvorkommen in der Öde erfuhr. Fünfundzwanzig Zwerge hatte der König nach Norden geschickt, damit sie das Gold heimlich abbauten. Heimlich, damit das Pferdevolk nicht erfuhr, dass die Zwerge nach Rushaan eindrangen. Für König Hartschlag war es eine Frage der Ehre. Das Pferdevolk hätte bereitwillig geholfen, wenn es vom Mangel der Stadt erfuhr, doch die Zwerge waren zu Recht Stolz darauf, ihre Probleme stets aus eigener Kraft zu lösen. So hatte man die fünfundzwanzig Besten entsandt. Eine Zehn an Axtschlägern und fünfzehn Schürfer, die sich nun schon seit drei Monden in der Öde aufhielten. Drei volle Monde. Es war kein Wunder, dass die Männer sich nach den geliebten Bergen und der Nähe ihres Volkes sehnten. So hatte Maratuk durchaus Verständnis für die Nörgeleien des Schürfers Parnuk.

      „Wir haben schon viel Gelbmetall aus dem Boden geholt“, sagte der Axtschläger mit versöhnlich klingender Stimme. „Bald sind unsere Traglasten voll, und dann können wir uns auf den Heimweg machen. Zurück zu unseren Frauen, zu schmackhaftem Pilzbrei und feurigem Blor, der uns Seele und Magen wärmen wird.“

      „Brot und Hornviehfleisch sind mir lieber“, gestand der andere Schürfer ein. „Doch der Blor … Ah, er würde mir auch jetzt Seele und Magen erwärmen.“

      Parnuk trieb seine Hacke wieder in den Boden. „Ja, unser Vorrat an gegorenem Pilzsaft war rasch am Ende.“ Er warf dem anderen einen scharfen Blick zu. „Einige waren ja ein wenig maßlos in seinem Genuss.“

      Der Schürfer grinste und schlug Parnuk versöhnlich gegen den Arm. „Dafür hast du auch nicht so starkes Schädelbrummen bekommen. Aber Maratuk hat recht. Ein oder zwei Tageswenden noch, dann haben wir