Michael Schenk

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes


Скачать книгу

waren diese Wesen und woher kamen sie?

      Warum hatten sie die friedlichen Zwerge überfallen und gnadenlos abgeschlachtet?

      Maratuk sickerten Tränen über die Wangen, und sie gefroren in seinem Bart. Er hatte seinen Freunden nicht helfen können, konnte sie nicht einmal rächen.

      Seine gedrungene Gestalt straffte sich.

      Dennoch durften diese Bestien nicht ungestraft davonkommen.

      Der alte Axtschläger wandte sich ab.

      Er musste den Kriegern in der Nordfeste die Kunde von der Bluttat bringen. Wer immer dafür verantwortlich war, Männer würden ausrücken und die Täter bestrafen. So begann der alte Zwerg den langen Weg nach Süden, um die schreckliche Neuigkeit zu überbringen.

      Kapitel 4

      Das rotbraune Wams war dick gefüttert, und der grüne Umhang der Pferdelords reichte bis hinab auf den Boden und bestand aus schwerer Wolle. Dennoch zog der Mann ihn enger um seine Schultern und fröstelte. Der Wind war beißend und kalt. Tief unter sich sah er den Pass des Eten, der sich von der Hochmark nach Norden erstreckte, bis er an der Südgrenze Rushaans endete.

      Der Pass glich einer Schlucht, die tief in die Berge schnitt, und er war gut zu passieren. Für die Augen Nedeams war wichtig, dass er sich leicht verteidigen ließ. Ein gutes Bollwerk konnte hier selbst ein starkes Heer für lange Zeit aufhalten. Früher war die Festung Eternas im Tal der Hochmark das nördlichste Sperrwerk des Pferdevolkes gewesen. Doch nie war ein Feind von Norden vorgedrungen. Die Elfen und die Paladine Rushaans hatten das verhindert. Nun waren beide vergangen. Während die Elfen zu den Neuen Ufern aufgebrochen waren, hatten die Paladine endlich ihren Frieden gefunden. So lag zwischen der Öde und der Hochmark des Pferdevolkes nur noch die gelbe Kristallstadt Nal´t´hanas. Die Stadt der Zwerge war jedoch zu schwach, um einen massierten Angriff aufzuhalten. So hatten sich die kleinen Herren und das Pferdevolk dazu entschlossen, am Nordende des Passes des Eten eine neue Festung zu errichten. Diese Nordfeste stand bereits und sicherte nun die Grenze. Ihre Mauern schützten den Pass vor einem Überraschungsangriff. Aber der Pass war viele Tausendlängen lang, und auch der schnellste Reiter brauchte Tage, um ihn zu durchqueren. Zeit, die kostbar war, wenn die Nordfeste Verstärkungen benötigte.

      Aus diesem Grund musste die Festung in das Signalsystem der freien Völker eingebunden werden. Als der Mann in dem grünen Umhang noch ein Knabe gewesen war, hatte eine lange Kette von Signalfeuern die Städte und Festungen des Pferdevolkes miteinander verbunden. Ihre Feuer waren bei Gefahr entzündet worden und hatten die Pferdelords zu den Waffen gerufen. Diese Signalfeuer hatten bis tief in den Süden, in das ferne Königreich von Alnoa gereicht.

      Inzwischen waren die Stapel aus ölgetränktem Brennholz und Brennstein gewichen und durch andere Hilfsmittel ersetzt worden. Große metallene Schüsseln, die das Sonnenlicht reflektierten und die mit Blenden versehen waren, sodass man eine Reihe unterschiedlicher Signale übermitteln konnte. In der Nacht entzündete man starke Brennsteinlampen, deren Licht von den Spiegeln übertragen wurde.

      Die Signalstationen wurden stets an den höchsten Punkten errichtet. In den Städten und Festungen nutzte man dafür hohe Türme. Doch im Gebirge des Noren-Brak und entlang des Passes des Eten konnte man solche Türme nicht errichten. Der Fleiß des Zwergenvolkes hatte es nun ermöglicht, eine Lösung zu finden und jene zehn Zwischenstationen zu bauen, welche die Signalverbindung gewährleisteten.

      Deswegen war der Mann an diesem Ort und versuchte, trotz des beißenden Windes zu lächeln. Man erwartete es von ihm, denn er war Nedeam, der Erste Schwertmann der Hochmark des Pferdevolkes. Er war es, der das Banner seiner Herrin Larwyn in den Kampf führte, wenn ein Feind die Grenzen bedrohte.

      Nedeam war von durchschnittlicher Größe und schlank, und sein langes blondes Haar lugte unter dem Nackenschild des Helmes hervor. Darin ähnelte er vielen Männern des Pferdevolkes. Doch er trug nicht die gerade Klinge der Schwertmänner, sondern die leicht gekrümmte eines Elfenschwertes. Es war die Dankesgabe des Hauses Deshay, dem Nedeam und seine Gefährten im Kampf gegen Orks und Graue Magier beigestanden hatten. Er war nun achtunddreißig Jahre alt, und seine Augen hatten ferne Länder gesehen. Sein Herz hatte dabei Freude und Schmerz erfahren. In den Jahren seines Lebens waren Freunde vergangen und neue an seine Seite getreten. Aber er hatte auch die Liebe seines Lebens gefunden. Llaranya, die Tochter des Elfen Jalan-olud-Deshay. Eine Frau und Kriegerin, die sein Leben teilte und im Kampf an seiner Seite stand.

      Auch jetzt stand sie neben ihm, gehüllt in den zartblauen Umhang des elfischen Volkes. Während die Elfen normalerweise weißblondes Haar ihr Eigen nannten, fiel das von Llaranya lang und schwarz über ihren Rücken. Ihr ebenmäßiges Gesicht zeigte ein sanftes Lächeln, während ihre Blicke den Pass entlangschweiften.

      „Es ist wunderschön“, sagte sie leise.

      „Es ist kalt“, erwiderte Nedeam und zuckte mit einem entschuldigenden Lächeln die Schultern. „Wahrhaftig, meine Geliebte, ich wünschte mir, wir hätten eine angenehmere Jahreszeit für diesen Ritt gewählt.“

      „Es ging nicht früher.“ Sie ergriff seine Hand. „Dies ist die letzte Signalstation, und sie wurde jetzt erst fertiggestellt.“

      Neben ihnen reckte sich eine kleine Gestalt empor. Sie trug nicht die kniehohen Stiefel des Pferdevolkes, sondern derbes Schuhwerk, welches bis knapp über die Knöchel reichte. Das Wams war knielang und dick gefüttert. Es leuchtete in intensivem Blau und war mit zahlreichen Stickereien aus Metallfäden versehen. Kleine Kristallscheiben waren auf einer Seite der Brust an das Leder genäht. Der breite Gürtel hielt einen schweren Hammer und einen Meißel sowie eine Tasche mit Schreibmaterial. Es war das Festgewand des Ersten Steinschlägers der gelben Kristallstadt Nal´t´hanas. Allruk trug es voller Stolz, und er hatte auch allen Grund dazu. Der Zwerg gehörte zu den fähigsten Baumeistern und Steinmetzen seines Volkes, und er hatte den Bau der Nordfeste sowie der zehn Signalstationen geleitet.

      Allruk schien die Bemerkung der schönen Elfin als Kritik aufzufassen. „Wir arbeiteten so rasch, wie es nur eben ging, Hoher Herr Nedeam und Hohe Frau Llaranya.“

      „Entschuldige, guter Herr Allruk, der Fleiß Eures Volkes ist uns wohl bekannt.“ Nedeam legte dem kleinen Herrn anerkennend die Hand auf die Schulter. „Und Euer Werk, guter Herr, ist wohlgelungen.“

      „Das will ich auch meinen“, erwiderte Allruk ohne jegliche falsche Bescheidenheit. „Es war eine schwierige Arbeit, doch ich hatte fleißige und kundige Hände, die sie vollführten.“ Er trat an die Brüstung der Plattform und schlug gegen den Stein. „Alles in zweierlei Maßen, Hoher Herr und Hohe Frau, alles in zweierlei Maßen. Menschen und Zwerge sollen alles gut gerichtet vorfinden.“

      „Ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig das war.“ Nedeam sah sich um und musterte die Plattform und ihre Installationen.

      Die Schlucht des Passes zog sich in einer leichten Kurve von Süden nach Norden. Es gab zahlreiche Klippen und Felsformationen, die sie gelegentlich verengten, bevor sich der Weg wieder verbreiterte. Es war daher ein Problem gewesen, die Signalstationen so zu errichten, dass sie untereinander Sichtkontakt halten konnten. Dazu hatten die Zwerge, mit ihrem unnachahmlichen Gespür für Fels, genutzt, was ihnen das Gebirge bot. An einigen Stellen waren die Oberkanten von Klippen geglättet und die Felsen zusätzlich mit steinernen Säulen abgestützt worden. An anderen Orten hatten sich die Zwerge förmlich in den Berg hineingegraben und eine geeignete Höhlung geschaffen. Gleichgültig, welche Schwierigkeiten sich dem kleinen Volk dabei in den Weg gestellt hatten, die meisterlichen Handwerker hatten sie bewältigt.

      Alle zehn Signalstationen bestanden aus einer großen Plattform, die nicht nur das Signalgerät, sondern auch ein kleines Unterkunftsgebäude für die drei Wachen trug. Diese Männer versahen ihren einsamen Dienst einen vollen Zehntag lang, bevor sie abgelöst wurden. Die erforderlichen Vorräte an Nahrung und Wasser mussten sie selbst auf die Plattform tragen. Zu jeder der Plattformen führte eine steinerne Treppe hinauf, die in den Felsen geschlagen oder über tragenden Säulen errichtet worden war.

      „Ja