Horst Udo Barsuhn

Conn: Happy Years


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Während sie mich aus ihrem Garten vertreiben will, sehe ich aus den Augenwinkeln einen weißen Personenkraftwagen der die abschüssige Straße heranbraust. Ich schreite langsam vor Lydia her, die mir weiter folgt.

      Das weiße Auto ist so schnell unterwegs, dass es die Kurve zur nächsten Zufahrt auf die Bundesstraße keineswegs schaffen kann. In diesem Moment durchbricht der weiße Wagen auch schon den hölzernen Vorgartenzaun, knallt gegen die Hausfassade, durchbricht diese und steckt jetzt, zerbeult, in der Küchenwand fest. Ein toller Anblick, denn der hintere Teil des Autos steht im Vorgarten, während das Vorderteil auf dem Küchenboden parkt. Staub umnebelt die Luft, zudem fallen noch einige Steine aus der Fassadenwand herab, dann ist zunächst einmal Ruhe.

      Lydia ist ganz blass und denkt jetzt nicht mehr an meine Verfolgung. Entsetzt hat sie die Augen aufgerissen und bringt kein vernünftiges Wort heraus. Innerhalb kurzer Zeit ist die Unfallstelle aber mit Bewohnern unseres Städtchens gefüllt. Nüchtern denkende haben medizinische und polizeiliche Hilfe herbeigerufen und auch die Feuerwehr kommt mit dem ersten Einsatzwagen. Es vergeht einige Zeit bis der Fahrer des Wagens aus dem Autowrack geschnitten wurde. Auch die Vertreter der Presse können sich natürlich so einen Anblick nicht entgehen lassen und ein Fotograph macht ausdruckstarke Bilder, während einige Bewohner meines Städtchens, mit ihren Handys kleine Schnappschüsse erstellen und diese rasch weitersenden.

      Außer einem gewaltigen Schreck ist dem Autofahrer nichts passiert, während sich Lydia fragt ob sie mit dem Kerl schreien soll, weil er so schnell gefahren ist, oder lieber eine Kerze in der Kirche anstecken sollte, weil ihr selbst nichts passiert ist. Minuten zuvor war sie noch in der nun völlig ruinierten Küche gewesen, zumindest so lange, bis ich mich so vehement gemeldet hatte. Mich wird sie wahrscheinlich bei den Dankesworten in der Kirche nicht mit einbeziehen, sondern eher denken dass es Unglück bringt wenn einem ein schwarzer Kater über den Weg läuft. Schade drum, aber nicht zu ändern. Ich mag Lydia trotzdem sehr, auch wenn sie nach wie vor keine Katzen ausstehen kann, denn wahre Gefühle müssen nicht unbedingt erwidert werden, sondern wir bekommen sie wertfrei, ohne Hintergedanken und ohne etwas miteinander aufzurechnen zu wollen.

      Die Feuerwehrleute und die Polizei bringen das Unfallereignis in kurzen Worten auf den Punkt: „Zu schnell, zu schlecht, „zu dappisch“ (Coon Übersetzung: Ganz dumm, einfach total blöd und bescheuert gefahren). Nachdem das Autowrack aus Lydias Haus gezogen wurde, hat die Feuerwehr Sicherungsmaßnahmen ergriffen. Damit nicht noch weitere Fassadenstücke herabfallen können, wird das Loch mit Stützen gesichert und auch notdürftig, mit Seekieferplatten verbarrikadiert. Die Polizei empfiehlt Lydia ins Hotel zu ziehen, aber das lehnt sie das ab und besteht darauf weiter in ihrem Heim zu bleiben. Sie hat das auch begründet: „Ich habe in meiner Jugend, während der Kriegszeit, schon weit schlimmeres durchgemacht als hinter zerstörten Wänden zu übernachten“.

      Ich denke mir bei diesem Ausspruch: Bei allen Katzengöttern, was für eine tolle, widerstandfähige Frau. Die wirft so schnell nichts um. Respekt, Respekt!

      05: Die Radarfalle:

      Ab und zu besuche ich befreundete Menschen in meinem Städtchen. Einer dieser besonders guten Freunde ist Horst. Er ist ein alleinlebender Rentner und hat in seinem Leben schon jede Menge, verschiedener Berufe ausgeübt. Er ist so ein richtiger „Old Scool-Vertreter“. Er machte in den verschiedenen Ländern in denen er sich aufgehalten hat, Fotos und erstellte dann ganz herkömmlich und altmodisch die entsprechenden Fotoalben. Manchmal zeigt er mir dann die Bilder und erzählt mir von den Vorkommnissen, die er dort selbst erlebt hat. Kunst und Kultur und verschiedene Musikstilrichtungen mag er, auch wenn sie noch so unterschiedlich erscheinen mögen. Bei meinem heutigen Besuch ist er sichtlich in Rage (wütend). In der Pfalz würde man sagen: „Der iss awwer heid gelade“(Coon: Der ist aber heute energiegeladen), oder auch: „Mit demm iss awwer heid ned gut kärrsche esse“ (Coon: Mit ihm ist es heute nicht angenehm Kirschen zu essen). Beide Aussagen drücken die persönliche Wut über etwas aus, was ihn geärgert hat. Schon wenige Minuten später bin ich im „Bilde“: Die Verwaltung hat eine transportable Radarfalle im Städtchen installieren lassen. Wie ich den Worten von Horst entnehmen kann, ist nicht nur er, sondern auch viele andere Einwohner dort „hineingerauscht“. Bislang waren dort 50 Kilometer zulässig gewesen, aber die Verwaltung, hat in ihrer, unendlichen Weisheit und einer göttlichen Eingebung, die Geschwindigkeit, quasi über Nacht, auf 30 Kilometer herabgesetzt. Schilder wurden angebracht und praktisch zeitgleich auch die Geschwindigkeitsfalle sofort in die Wege geleitet. An dieser Straße befinden sich weder Schulen, noch ein Geschäft und auch kein Museum, Kindergarten oder Altersheim. Es sind auch keine nennenswerten Unfallschwerpunkte oder ein anderer, logischer Grund dafür vorhanden diese Maßnahmen umzusetzen. Die Einwohner meines Städtchens sind von der Geschwindigkeitsreduzierung überrascht worden und bis man dafür der Verwaltung, bei den nächsten Kommunalwahlen, die dafür berechtigte „Quittung“ geben kann, dauert es noch zwei Jahre. An diesem Tag habe ich mich schon rasch von Horst verabschiedet, weil ich mir vor Ort auch einen eigenen Eindruck der Situation machen will. Als ich ankomme, fährt Metzger Josef gerade in die Radarfalle und ich höre ihn bis auf die Straße kräftig fluchen.

      Wirklich keine Gefahrensituation auszumachen. An anderen Stellen im Ort wäre die Reduzierung der Geschwindigkeit angebracht gewesen, aber hier, wo wirklich nur wenige Anwohner sind, ist der Wunsch der Verwaltung, die Bürger „Abzuzocken“, eindeutig ersichtlich. Ich habe mich dann mit einigen anderen Katzen aus meinem, und dem angrenzenden Bereich „kurzgeschlossen“. Schon nach wenigen Stunden sieht man immer wieder Katzen, die Enten und andere Vögel, von kleinen Teichen aufschrecken, und in Richtung der Radarfalle treiben. Die Behördenfotos haben dann die Geschwindigkeiten der fliegenden Enten ermittelt: Die meisten Enten hatten eine Geschwindigkeit von 42 bis 48 Kilometern aufzuweisen. Dann hat es aber einige bemerkenswerte Geschwindigkeitsflieger gegeben, die mit bis zu 54 Kilometern geblitzt wurden. Selbst ein Fischreiher hat die Radarfalle ausgelöst. Die Behörden können es sich nicht erklären, wieso sich so enorm viele Enten, gerade diese Straße, für ihre Flugtätigkeiten ausgesucht haben. Nach neuesten Informationen kommen nachts jetzt sogar noch Eulen hinzu, die durch die Radarfalle rauschen und ständig eine Fotoaktivität auslösen. Sogar einige Fledermauspopulationen sollen schon als dichte Wolken, auf den Bildern erkennbar gewesen sein. Anrufe bei Vogelkundlern haben nur ungläubiges Achselzucken hervorgerufen, aber um der Verwaltung wenigstens scheinbar entgegen zu kommen, haben die Ornithologen versprochen sich der Angelegenheit mit Vehemenz zu widmen. Das waren zumindest deren offizielle Stellungnahmen zur Sache, während sie sich hinter vorgehaltener Hand über die Verwaltung fast kaputt gelacht haben und natürlich keinen Finger rühren um „der abstrusen Gedankenwelt einiger überbezahlter, unnötiger Beamter wertvolle Zeit zu schenken“.

      Nach einigen Tagen haben dann Mitarbeiter der Verwaltung sowohl die Radarfalle, als auch die 30 Kilometer-Geschwindigkeits-Beschränkungsschilder aus dem Straßenbild wieder entfernt. Nach Aussagen von Anwohnern, sind seit die Beschränkungen rückgängig gemacht wurden, übrigens weder fliegende Enten, Reiher, Eulen oder Fledermäuse in der Straße gesehen worden. Auch die Katzen die angeblich vermehrt aufgetreten waren, sind aus diesem Teil der Stadt fast vollständig verschwunden. Einen Reim aus der ganzen Geschichte kann man sich nicht machen, wodurch die Angelegenheit eine irritierte, ratlose Verwaltungsspitze hinterlässt. Die angesprochenen Ornithologen hingegen erzählen sich an ihren Stammtischen: „Das haben wir doch gleich gewusst dass an der ganzen Angelegenheit nichts dran ist. Wahrscheinlich waren die zuständigen Beamten für die Radarstelle nur zu „blöde“ um ein ordentliches Ergebnis zu erzielen und wollten uns deshalb vor ihren Karren spannen, damit die eigenen Fehler wieder mal vertuscht werden können“.

      Die anderen Fachleute stimmen mit dieser Meinung überein und so kann man die Gläser wieder fröhlich klingen lassen. Einer meint dann nach einigen weiteren Gläsern mit leicht belegter Stimme: „Eigentlich schade dass mir die Verwaltung die Bilder über die Fledermäuse nicht zugeschickt hat, dann hätte ich behauptet das wären „Eudimorphodons“ gewesen, Flugsaurier aus dem „Trias“! Ab diesem Punkt des Umtrunks gibt es weder bei den Ideen noch an den Steigerungsaspekten irgendwelche Grenzen. Jeder überlegt was man der Verwaltung noch alles an Unsinn hätte übermitteln können. Schon erstaunlich wie bei manchen Menschen der Mut und der Ideenreichtum überproportional zum Alkoholpegel