Worten, „hat das Ministerium“, wieder folgte eine Pause, in der Michael tief Luft einsog, „die Kaste der am wenigsten politisch ambitionierten Engel abgestellt.“
„Die am wenigsten politisch ambitionierten Engel? Welche Kollegen meinen Sie damit?“
„Engel eben, die kleinen Engel. Sie wissen schon.“ Dabei streckte der Erzengel seinen rechten Arm nach unten und klappte die Hand nach vorn, als wolle er Zwerge streicheln.
„Bedaure, Exzellenz, ich stehe etwas auf dem Schlauch.“
„Putten“, platzte es aus Erzengel Michael heraus, „wir haben die Erde vorübergehend den Putten anvertraut.“
An dieser Stelle orderte der Herr über den rechten Glauben in der Milchstraße einen weiteren Drink. Debora Zack bemerkte ein leichtes Zittern der Hände. Angezählt, dachte die Majorin. Sie wusste, wann sie im Angesicht der Macht auf der Hut sein musste, also schwieg sie. Der Erzengel fuhr fort.
„Diese Engel unterhalten im Auftrag meines Ministeriums auf dem Planeten einige versteckte Außenposten. Lediglich ein Frachtraumschiff der galaktischen Postunion hält den Kontakt zu ihnen und fliegt den Planeten auf seiner Route zu den äußeren Systemen ein bis zweimal pro Erdenjahr an.“
„Und davon merken die Menschen nichts?“, fragte die Majorin.
„Normalerweise nicht. Geheimes Postraumverfahren, die Menschheit ist technologisch noch nicht weit genug, unsere Tarnverfahren aufzudecken. Allerdings hat es in der letzten Zeit einige Zwischenfälle gegeben.“
„Welcher Art?“
„Einige Havaristen, Abenteurer, Piraten, Freihändler auf der Suche nach exotischen Waren und nicht zuletzt ein paar reiche Schnösel, die beweisen wollten, dass sie über dem Gesetz stehen, haben die Erde besucht, sind gesehen worden oder haben sogar den einen oder anderen Menschen entführt. Das hat für Gerüchte gesorgt. Nichts wirklich Ernstes, aber bedenklich.“
„Warum?“
„Die Menschen stehen vor dem Sprung ins All. Und damit wären wir bei unserem Problem.“
Insgeheim hatte sich die Majorin schon geraume Zeit gefragt, wann sie endlich zur Sache kommen würden, schließlich traf ein Erzengel und oberster Glaubenshüter der himmlischen Verwaltung einen Offizier in geheimer Mission nicht aus Jux und Tollerei. Schon gar nicht konspirativ auf einem kosmischen Scherbenhaufen, nur um über einen kleinen blauen Planeten zu zetern, der den meisten Zivilisationen des Imperiums so egal war wie das Wetter auf Beteigeuze.
„Sie haben einen Auftrag für mich?“
„Ja, geheim und dringend.“
„Worum geht es?“
„Die Details finden sie in der Akte.“ Der Erzengel deutete auf den dünnen Umschlag.
„Bitte geben Sie mir eine kurze Einweisung, äh, Michael.“
„Irgendjemand hat über das Gehirn der Menschen geforscht. Wohl in der Absicht, das Mängelwesen Mensch, die ganze Spezies, zu verbessern.“
„Nicht ungewöhnlich, so eine Primatenforschung.“
„Grundsätzlich nicht, aber verboten, besonders im Falle der Menschen. Die Forschung hätte von meinem Ministerium genehmigt und begleitet werden müssen. Die Menschen sind äußerst gefährlich fürs Universum.“
„Wegen ihrer Narretei?“
„Gewissermaßen, präzise: wegen ihrer Eigenart, eine aus ihrem Glauben geborene Vision oder eigene Erleuchtung keinem Zweifel auszusetzen. Schon gar nicht dem des Wissens.“
„Sie glauben ohne Wissen?“
„Schlimmer, sie bestehen auf ihrer Version von Wahrheit ohne Einsicht in die Vielfalt von Wirklichkeit.“
Die Majorin zuckte mit den Achseln und fragte: „Tun wir das nicht alle?“
„Vielleicht, aber wir verbreiten unsere Wahrheiten nicht mit Feuer und Schwert und ohne Zweifel. Wenn sie in Menschengehirnen herumpfuschen, wissen sie nicht, welche Hirngespinste, welche Ungeheuer sie freisetzen.“
Da krachte plötzlich der Prediger von nebenan unter Getöse durch den zerbeulten Getränkeautomaten. Kinderscharen stürzten heran und balgten sich um herauskullernde Getränkedosen. Der Trommelschlag der Gläubigen wurde schneller. Einige hochgewachsene Scharlatane mit ihren spitzen Hüten kamen in die Halle und schritten gemessen durch die Kinder Richtung Abfertigungsschalter. Zwischen sich trugen sie, an zwei langen Stangen befestigt, ein Transparent. Darauf stand ‚Vorsicht, Lesen schadet dem gesunden Verstand!
Die Majorin fragte sich kurz, was wohl ein gesunder Verstand sei.
„Wie also lautet mein Auftrag, Exzellenz?“
„Mir liegen Informationen vor, nach denen drei Prototypen eines Mikrochips zur Optimierung des menschlichen Gehirns zur Erde gelangt sind. Ich befürchte, dort wurden sie Probanden eingesetzt und diese Menschen könnten sich schon bald auf dem Weg ins Zentrum des Imperiums befinden. Das Dumme ist, dass die Dinger nicht richtig funktionieren. Stöbern sie diese armen Narren auf. Neutralisieren sie die Chips und finden sie heraus, wer für diese Forschung verantwortlich zeichnet.“
„Mit Verlaub, wie können drei Menschen gefährlich für das Imperium werden, auch wenn sie, äh, einen Chip im Hirn haben?“
Der Erzengel drehte sich vollends zur Majorin um und nahm die Sonnenbrille ab. Seine Augen glühten wie sterbende Sterne.
„Es gibt eine Prophezeiung neueren Datums, eine sehr ernst zu nehmende Prophezeiung, erstellt mit den neuesten technischen Mitteln der Vorhersage. Glauben sie mir, Major, als Erzengel kenne ich mich mit Mystik und dergleichen aus, ist quasi mein Fachgebiet.“
Die Majorin hielt nichts von Prophetie, zu vage, zu ungenau, zu beliebig. Darüber hinaus mangelte es ihrer Erfahrung nach der Zunft der Prognostiker vor allen Dingen an Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Anstand und der Fähigkeit zur Selbstreflexion.
„Was besagt diese Ankündigung?“
„Dass eines Tages von der Erde aus ein neuer Glaube ins Universum gelangt und das Imperium Angelinas bedroht und in eine Periode von Chaos und Aufständen stürzen wird. Die Details erspare ich Ihnen, einiges finden sie in der Akte.“
„Sie glauben, die Steuerchips könnten das Imperium destabilisieren?“
„Ja, unterschätzen sie die Macht dieser Chips nicht, wenn sie erst mal an einen menschlichen Geist angedockt haben. Ein Witzbold aus dem Umfeld dieser Forschungen hat die Dinger Gottesmodule getauft. Das trifft es wahrscheinlich besser, als wir es uns wünschen sollten.“
„Gottesmodule klingt vielversprechend, hinter denen könnten noch ganz andere kosmische Kräfte her sein“, bemerkte Majorin Zack vorsichtig.
„Naheliegend“, erwiderte der Erzengel widerwillig.
„Eine Frage noch, äh, Michael, wieso haben Sie mich geholt und überlassen die Ermittlungen nicht dem Sicherheitsdienst ihres Ministeriums?“
„Weil in dieser Angelegenheit niemandem zu trauen ist …“, nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „und weil Sie ausgewiesene Expertin für die Wüste Zone sind. Ich vermute, die Chips kommen von da, Sie sollten mit ihren Nachforschungen dort beginnen. Informieren sie mich, und nur mich, über den Stand der Ermittlungen, am besten am Rand des großen Golfturniers in ein paar Standardwochen Sternenzeit. Also gute Jagd und Halleluja, Major.“
Die fluchte lautlos in sich hinein.
Das Golfturnier war eine der berüchtigtsten Veranstaltungen in der Galaxis. Alle paar Jahre trafen dort die sieben Erzengel des Wohlfahrtsausschusses, die den wichtigsten Institutionen des Imperiums vorstanden, aufeinander. Kein Festival der Harmonie und Freude. Üblicherweise gingen sich die Sieben sorgfältig aus dem Weg, um sich nicht in einem unkontrollierten Moment der Leidenschaft gegenseitig zu teeren und zu federn, wie Spötter behaupteten.
Die