immer, denn kaum hatten wir den Zoll passiert, der gleich fragte, wie viele Zigaretten wir dabei hätten, meldeten sie sich schon bei mir und sagten, wir dürften eh nicht rauchen. Da nutzte es auch nichts, dass ich sagte, mein Vater sei Raucher und würde sich auch freuen. Mit dem Zoll musste man umgehen können, gab es da doch feste Regeln zu beachten, aber das lernte man in den 3 ½ Jahren.
Unter allen Funkern, denen ich begegnete, war auch ein Genie. Der Mann fuhr auf der „MEERKATZE“.
Das war ein früherer Marinetender, der nach dem Krieg zum Fischereischutzboot umgebaut worden war. Er hatte auf See stets zwei Empfänger in Betrieb und benutzte einen Kopfhörer, bei denen er jeweils eine Muschel an einen Empfänger angeschlossen hatte. So verfolgte er mit einem Ohr den Bord-zu-Bord-Sprechfunkverkehr und mit dem anderen die verschlüsselten gemorsten Wettermeldungen. Diese entschlüsselte er im Kopf und tippte sie im Klartext in die Schreibmaschine. Das wäre heute reif für eine Eintragung ins Guinness-Buch der Rekorde. Eine Meisterleistung der Konzentration und grenzend an Bewusstseinsspaltung.
Schade war nur, dass der Meister nichts von meiner Passion für die Funkerei wissen durfte. Da verstand er keinen Spaß, war er doch der felsenfesten Meinung, dass die Lehre des Elektrohandwerks das Interesse für die Funktechnik ausschließen müsse.
Nach diesem Job gab es wieder Einsätze auf Lotsenversetzdampfern, wo wir z. B. die Kühlanlage auf der SIMON VON UTRECHT reparierten und auf einem inzwischen fertiggestellten 999-BRT-Neubau unserer Werft. Es war ein Kühlschiff. Die Konstruktion der „CARIBIA“ war nicht ganz frei von Problemen.
„CARIBIA“
Ich kann mir zwar kein Urteil darüber erlauben, und so will ich mal vermuten, dass das Schiff leichte Stabilitätsprobleme hatte. Ich erinnere mich, dass wir für Restarbeiten vor der Ablieferung und im Maschinenraum waren. Die Schiffsführung war gerade bei den Krängungsversuchen. Dabei wurden Betonquader mit dem eigenen Ladegeschirr von der Pier aufgenommen und der auftretende Krängungswinkel gemessen. Bei 45° ist der kritischste Punkt erreicht, denn dann kentert das Schiff. Bei den Versuchen wurden wohl 20°-30° erreicht. Auf alle Fälle verließen wir alle den Maschinenraum über die schon bedenklich schräg stehende Stahltreppe.
Zu den Restarbeiten gehörte auch das Verkitten der Stopfbuchsen der E-Armaturen. Bei +27 °C Außentemperatur stiegen wir durch eine Schleuse hinab zum Betriebsgang im Laderaum. An Backbord und Steuerbord abgeschottet lagen die Kühlboxen. Trotz der dickwandigen Isolation herrschten hier Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Wir kneteten verbissen den „GURU“-Kitt, den wir zum Abdichten der Stopfbuchsen benötigten, der aber bei diesen Temperaturen und dem Einsatz der Körperwärme nicht weich werden wollte. Im harten Zustand ließ er sich aber nicht verarbeiten. Mit feinfühliger Unterstützung durch die Flamme der Lötlampe war es dann doch noch zu schaffen. Erfahrung ist alles.
Das Schiff machte seinen Konstrukteuren noch weitere Sorgen: Bei der Abnahme durch den ‚Germanischen Lloyd’ stellten die Experten u. a. fest, dass die Kühlanlage so optimal funktionierte, dass das Wasser in den Peilrohren fror. Aber auch dieses Problem wurde gelöst, indem elektrische Heizelemente, so genannte „Bakerrohre“ in die Peilrohre eingebaut wurden. Ob das die optimalste Lösung war, ist nicht überliefert. Aber unser Meister, ein allseitig geschätzter Fachmann, hatte letztlich auch dieses Problem gelöst. Er hatte damit bewiesen, dass er noch viel kompliziertere Situationen beherrschen konnte. Bei der Übergabe eines Neubaus, bei den Standproben (Prüfung der Maschinenleistung bei festgemachtem Schiff) und den GL-Abnahmen sind übrigens nur die Meister der verschiedenen Gewerke an Bord. Jeder hofft dabei, dass sein Arbeitsbereich fehlerfrei übergeben werden kann, aber sicher ist man da nie und auch sehr einsam, wenn tatsächlich Probleme auftreten. Diese müssen dann nämlich unter Zeitdruck gelöst werden, denn gleich nach der Jungfernfahrt will der Reeder mit dem Schiff Geld verdienen.
Die wirklich letzten Restarbeiten auf der CARIBIA waren noch die Montage eines Ölvorwärmers, ein paar zusätzliche Steckdosen, Schaltkästen und ein Anschluss für das Bordtelefon in der Eignerkammer. Hier hatte ich den Verstärkerkasten für das eigentlich „stromlose Telefon“ einzubauen und damit auch einmal eine kleine Aufgabe, die ganz entfernt mit Elektronik zu tun hatte.
Dann folgte die Betriebserprobung. Die Seeleute froren Schellfisch bei minus 40 °C ein und prüften das Kühlgut, indem sie die bretthart gefrorenen Fische einfach über der Deckskante zerschlugen. Die Fische platzten wie Glas, und die Auftraggeber waren zufrieden. Nun wurde das Schiff an die Eigner übergeben. Das geschieht in einer kleinen Zeremonie, wo es nach vielen guten Sprüchen heißt „Hol nieder Werftflagge, heiß vor Reedereiflagge“. Natürlich sind dabei nur Ehrengäste und die hochrangigen Vertreter der Werft an Bord. Das Schiff machte unter seinem norwegischen Eigner wohl nur eine Reise als Kühlfrachter. Wie der „Küstenklatsch“ zu berichten wusste, wurde es dann zur Beförderung von Stückgut umgerüstet, durch Änderungen an den Aufbauten stabilisiert und zu meiner Zeit bis Ende 1956 nicht mehr auf der Werft gesehen.
Dafür legten interessante andere Schiffe an. Oft kam die „ELSE SIEG“, ein hölzerner, schwarzer Viermastschoner mit dem Danziger Wappen am Bug. Der Schoner war aber schon abgetakelt und fuhr nun als Motorschiff mit teilweise gekappten Masten. Oder es legte ein kleiner Binnentanker „HANSEAT“ vom Rhein an, der Wein geladen haben sollte. So etwas sprach sich im Nu herum. Blitzschnell prüften findige Werftleute, ob noch verwertbare Restbestände im Tank waren. Das Zeug war aber schon umgeschlagen und sauer, es war wohl für die örtliche Essigfabrik bestimmt gewesen.
Zu unseren Aufgaben gehörte auch die Entmilitarisierung ehemaliger Tonnage der Kriegsmarine. Die Engländer und Amerikaner hatten nach Kriegsende große Beute gemacht und verfügten nun neben größeren Einheiten über ehemalige Flugsicherungsboote, Räumboote, KFK (Kriegsfischkutter), Vermessungsboote, Tender, Schlepper, Wachboote und mehr. Im Zuge der Minenräumaktionen wurden die Schiffseinheiten mit eingefahrenen deutschen Ex-Besatzungen wieder in Dienst gestellt.
Da die deutschen Werften die Ersatzteile für diese Marineschiffe noch am Lager hatten, verblieben die Einheiten in Deutschland und wurden hier gewartet. Das am meisten gebaute und kleinste Marineschiff, von dem gut 600 Exemplare abgeliefert wurden, war der KFK (Kriegsfischkutter), der als „Reichsfischkutter“ schon so konzipiert war, dass er nach dem Krieg auf ein ziviles Fahrzeug umgerüstet werden konnte.
Kriegsfischkutter Vs 132, KFK 143, 1944-1945 in Sonderburg/DK
Einige Schiffe und darunter die meisten KFK wurden bei der Auflösung der Räumflottillen der Bundesregierung überlassen.
Minensuchboot der Bundesmarine „SKORPION“, ex. R 120 der Kriegsmarine. Boote dieser Art wurden nach dem Krieg für zivile Zwecke umgebaut, als Wohnboote hergerichtet oder abgewrackt.
Es bestand aber die Auflage, die Boote zu entmilitarisieren, woran mehr als 60 Werften beteiligt waren. An diesen Schiffen haben sicher einige Werften gut verdient. Ein uraltes, ungeschriebenes Gesetz sagt, dass das Material, das auf der Werft ausgebaut wird, der Werft gehört. Auf den KFK-Kuttern verblieb ein Teil der Einrichtung. Ausgeschlachtet wurden bei uns speziell Räumboote. Wenn ein Boot bis auf den Rumpf „entkernt“ wurde, dann fiel eine Menge an wieder verwertbarem Ausbaumaterial an: So bauten wir sorgfältig Schalttafeln, Schaltschränke, Schaltkästen, MES(Minen-Eigen-Schutz)-Anlagen, Echolote, Generatoren, Umformer, Anlasser, Telefone, Kommando- und Funkanlagen, Positionslampen, Schalter, Scheinwerfer, Klarsichtscheiben, Regler, Gruppenhorchgeräte (GHG) und weiteres Material aus und demontierten auch die Kabel.
Alles Material wurde sorgfältig abgeborgen und kam dann auf unser reichlich sortiertes E-Lager, das auf dem Boden über der Maschinenbauhalle eingerichtet wurde. In flauen Zeiten wurden diese genormten Sachen aufgearbeitet und dann zu irgendeinem Zeitpunkt an unsere KFK-Fischerkundschaft als Ersatzteil verkauft.
Aus