Werner Siegert Ingrid Schumacher

Endlich im Knast!


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brachte das Telefon. Die Nummer war noch gespeichert. Elsterhorst wählte.

      Kein Anschluss unter dieser Nummer.

      „Eigenartig. Dabei war doch alles professionell vorbereitet. Sie holten mich hier ab. Ich hatte mich entsprechend den Anweisungen hergerichtet. Der Rollstuhl war im Kofferraum ....“

      „Den Rest kenne ich. Ich habe zugesehen.“

      „Sie haben ....?“ Esmeralda hatte die Angewohnheit, Sätze unvollendet zu lassen.

      Elsterhorst erstattete ihr eine Art Zeugenbericht. Wenig professionell. Esmeralda sah ihn unentwegt an. Ihre klaren grauen Augen waren ernst und ohne Spott. Und Elsterhorst fuhr fort mit seinen Ausführungen.

      „Er, ich meine, der Täter, will ins Gefängnis. Gibt es denn so etwas?“

      „Ist er krank?

      „Er ist alt und halbblind.“

      „Wo soll er dann auch sonst hin? Da wird er besser behandelt als in jedem Heim!“

      Wer stellte nun eigentlich die Fragen?

      „Sehen Sie es doch mal so, Herr Elsterhorst. Er ist hilfsbedürftig. Ein Heim kann er sich nicht leisten. Da ist der Seniorenknast doch keine schlechte Lösung?“

      „Gibt es das öfter?“

      „Um das herauszubringen, müssten Sie sich schon selbst dort einmieten. Die geben sicher an mit ihren Tricks.“

      „Und wenn mich jemand erkennt?“

      „Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Ich bin Maskenbildnerin und richte Sie so her, dass selbst Ihr Hund Sie für einen Fremden hält. Warten Sie mal.“

      Sie gab ihm ein Kärtchen mit Ihrer Telefonnummer und einer E-Mail Adresse. Elsterhorst erhob sich. Esmeralda rief die Hunde herein. Ein kurzer Abschied.

      „Vielen Dank für Ihre Aufrichtigkeit, Frau Kleeblatt.“

      Kein „Auf Wiedersehen“?

      Dann stand er auf der Straße und trat den Heimweg an. Rinaldo trottete mit liebeskummriger Miene neben ihm her.

      Elsterhorst war zutiefst unzufrieden mit sich. Wie kam er dazu, mit dieser wildfremden, arroganten Frau über einen seiner Fälle zu sprechen? Obwohl – am Ende war sie doch sehr verständnisvoll gewesen. Aber was hieß das schon? Vielleicht war sie bis über beide Ohren in die Angelegenheit verwickelt? Er wollte sie nie wieder sehen – es sei denn im Gerichtssaal.

      Morgen würde er Schäfer erneut verhören. Ganz offiziell. Keine Sonderaktionen mehr. Aber er würde die Wahrheit aus ihm herauspressen.

      Er, Elsterhorst, in den Knast gehen? Verrückte Idee von dieser Maskenbildnerin. Ach, zum Teufel mit allen Kleeblättern!

      Ein Akt der Barmherzigkeit

      Als Elsterhorst am nächsten Morgen in Begleitung eines Polizisten den Verhörraum betrat, war er fest entschlossen, jegliche Ausfälle des mutmaßlichen Möchtegern-Mörders umgehend durch alle erlaubten Maßnahmen zu ahnden. Aber was er da vor sich sah, ließ seine Aggressionen vergehen wie Nebel in der Morgensonne.

      Dr. Joannes Schäfer saß vornüber gebeugt am Tisch, die Hände vor das Gesicht geschlagen, als wolle er sich gegen jeden Versuch eines Paparazzo wehren, ihn zu fotografieren.

      Langsam hob er den Kopf und sah Elsterhorst aus geröteten Augen an.

      „Wie geht es ihr?“

      „Wie geht es wem?“

      „Frau Rotklee. Hat sie irgendwelchen Schaden genommen?“

      Elsterhorst gab dem Polizisten ein Zeichen, ihn allein zu lassen. Der verließ achselzuckend den Raum.

      „Sie heißt nicht Rotklee. Rotklee ist ein Hormonersatz für Frauen nach der Menopause. Sie heißt Kleeblatt, Esmeralda Kleeblatt.“

      „Wie geht es Frau Kleeblatt?“

      „Es geht ihr gut, jedenfalls besser als Ihnen.“

      „Woher wollen Sie das wissen, Herr Kommissar? Frauen sind so verletzlich, so sensibel. Mit Ihren Methoden lässt sich nicht feststellen, wie sehr sie vielleicht leidet.“

      Elsterhorst hatte seine eigene Meinung über die Sensibilität von Frauen. Also schwieg er.

      „Ich möchte mich bei ihr entschuldigen. Können Sie mir das ermöglichen?“

      Ausgerechnet Elsterhorst! Er hasste weinerliche Männer.

      „Hören Sie, Herr Doktor Schäfer, ich kann eine ganze Menge. Ich könnte zum Beispiel dafür eintreten, dass Sie aus Mangel an Beweisen sehr bald entlassen werden.“

      Wo soll er auch hin? hörte er Esmeralda im Stillen sagen.

      „Was sind Sie nur für ein Mensch?“

      Das hätte Elsterhorst auch gerne gewusst, aber er hakte nicht nach.

      „Passen Sie auf, Herr Doktor Schäfer. Ich sitze hier am längeren Hebel und dennoch mache ich Ihnen einen sehr entgegenkommenden Vorschlag. Sie erzählen mir jetzt die ganze Geschichte von Ihrem so genannten Mordversuch und ich sorge dafür, dass Sie in den Seniorenknast kommen.“

      „Können Sie mir das schriftlich geben?“

      „Nein! Entweder Sie tun, was ich Ihnen vorgeschlagen habe, oder Sie stehen sehr bald auf der Straße.“

      „Aber Sie geben Frau Rotklee, ich meine Frau Kleeblatt, einen Brief von mir?“

      „Ja, Sie können ihr einen Brief schreiben. Aber ich werde ihn lesen.“

      Schäfer besann sich eine Weile.

      „Ein höchst merkwürdiger Vertrag, wenn man unsere Berufe in Betracht zieht. Also, ja. Schlimmeres als meine Entlassung kann mir ja nicht passieren.“

      „Fangen Sie an?“ Er drückte auf den Knopf des Aufzeichnungsgerätes.

      „Also, da gibt es doch diese Leute, die versprechen, einem aus jeder Notlage zu helfen. Sie rufen an oder verteilen Zettel an den unmöglichsten Orten. Die einen wollen für Sie ins Gefängnis gehen, wenn Sie etwas verbrochen haben. Die anderen verhelfen Ihnen dazu, selbst verurteilt zu werden.“

      „Und an solche Leute sind Sie geraten?“

      „Es sind zum Teil sehr gute und barmherzige Menschen, Herr Kommissar. In meinem Fall sollte beiden geholfen werden. Mir und, nun ja, dem Opfer. Es gab da einen Brief, den sie mir zuschickten.“

      „Haben Sie ihn?“

      „Er wurde mir abgenommen.“

      Elsterhorst griff nach dem Telefon und gab eine kurze Anweisung. Bald darauf brachte ein Polizist eine Schachtel mit den Dingen, die man bei Schäfer gefunden hatte, darunter einen in Plastikfolie gehüllten Brief. Er nahm ihn ohne jede Vorsichtsmaßnahme heraus. Es war ein Computerausdruck.

      Sein Inhalt stürzte Elsterhorst in große Verwirrung.

      „Sehr geehrte Damen und Herren,

       ich danke Ihnen für Ihr Verständnis dafür, dass ich nach dem Schicksalsschlag, der mich getroffen hat, nun auch nicht mehr leben möchte.

       Erich, der treue Gefährte während meiner letzten Jahre, hat mich für immer verlassen. Ohne ihn ist mein Leben leer und kalt geworden. Wie oft sprach er die Worte ‚Ich liebe Dich’ ganz nahe an meinem Ohr. Er teilte die Mahlzeiten mit mir und weckte mich morgens mit seinem fröhlichen Gezwitscher. Dann fand ich ihn. Er lag auf dem Rücken, die Krällchen eingezogen. Tot in seinem Käfig.

       Dort, wo ich hingehe, hoffe ich ihn wieder zu sehen. Er wird mir entgegenfliegen

       Ihre Emma Krämer“

      „Und