Florian Graf

Die Flucht


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doch immer noch die besten", lacht er. Du ärgerst dich. Wie konntest du so naiv sein und einem wildfremden Halunken so schnell dein Vertrauen schenken?

       Mit den Worten, "Die sind zwar wertlos, aber nützlich", nimmt Will dir deinen Stein wieder ab. Den Bogen lässt er dir, und sogar dein Messer gibt er dir zurück.

       "Ich habe mit der Wache noch ein Hühnchen zu rupfen, aber du machst besser, dass du Land gewinnst. Ich kann dir noch einen Ratschlag geben, wie du hier rauskommst. Bin ja kein Unmensch."

        Du hörst dir Wills Ratschlag an.

        Du hast die Schnauze voll und gehst trotzig weiter.

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      Adrenalin versetzt deinen Körper in höchste Alarmbereitschaft. In wenigen Sekunden wird die Türe sich öffnen. Mit einer Mischung aus dem Mute der Verzweiflung und Selbstüberschätzung machst du dich sprungbereit. Du beschließt, dass dir der Überraschungseffekt zum Sieg verhelfen wird. Dein Hund muss die nahende Gefahr bereits gewittert haben und er steht knurrend und mit gespitzten Ohren neben dir.

      Gemeinsam fixiert ihr die Türe mit den Augen...

        ...bis diese sich endlich öffnet.

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      Es gelingt dir nicht der Versuchung zu widerstehen. Nach einem beherzten Griff in die Schale steckst du dir gierig grüne Trauben in den Mund. Schon lange hast du von nichts Süßem mehr genascht.

       Doch so süß sind die Trauben gar nicht! Im Gegenteil. Nach wenigen Kaubewegungen hat dein Kiefer die Reben zu einer mehligen Paste verarbeitet, die abscheulich schmeckt. Die Trauben standen hier wohl doch schon eine ganze Weile.

       Angewidert spuckst du alles aus und musst dich dabei fast übergeben. Zum Glück steht eine Karaffe mit Wasser auf dem Tisch. Hastig spülst du dir den Mund aus, um dem Geschmack loszuwerden.

       Dein Hundefreund sieht dich vorwurfsvoll an und seine großen Augen scheinen zu sagen "Ich hab dich ja gewarnt.."

      Der Nachgeschmack ist furchtbar...

        ...aber du wendest dich jetzt der Türe zu.

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      Im wabernden Licht der Öllampen machst du dich auf den Weg. Der Lufthauch wird schon nach einigen Schritten zu einem kalten Luftzug. Bist du der Freiheit nahe?

       Als der Gang eine Rechtskurve macht, führen einige Stufen nach unten zu einem kleinen Torbogen. Sonnenstrahlen leuchten dir bereits den Weg. Du machst einen innerlichen Jubelsprung und dein Herz schlägt schneller! Doch just in dem Moment hörst du ein Geräusch. Da draußen ist irgendjemand oder irgendetwas.

      Du entscheidest dich...

        ...dich nicht beirren zu lassen, und schleichst weiter.

        ...umzudrehen und gehst zurück in die andere Richtung.

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      Mit großer Entschlossenheit schreitest du bibbernd zu einem kleinen Steg, an den die Wellen mit schmatzendem Geräusch im Rhythmus klatschen. Die Anlegestelle ist gerade groß genug für ein Ruderboot, und du fragst dich wozu sie dient und wer hier wohl festmacht?

       Jetzt gelten deine Gedanken aber einzig und allein deiner Flucht. Es kostet dich dennoch reichlich Überwindung wieder ins Wasser zu steigen. Dein treuer Hund blickt dir ratlos hinterher. Dieses Mal würde er dir nicht folgen.

       Das salzige Meerwasser brennt in deinen kleinen und großen Verletzungen wie die Hölle und du beißt die Zähne noch fester zusammen. Das Wasser ist so kalt, dass du nach wenigen Schwimmzügen auch das letzte Gefühl in deinen Händen und Füssen verloren hast.

       Doch das Schlimmste ist die unterschätzte Strömung. Für jeden Meter nach vorn, treibt sie dich zwei wieder zurück.

       Es dauert nicht lange bis dein Dickkopf zur Erkenntnis kommen muss, dass du im entkräfteten Zustand keine Chance hast aufs Meer hinauszuschwimmen. Bestenfalls zerschindest du deinen Körper an den scharfen Felsklippen des Grotteneingangs.

       Du lässt dich entmutigt zum Steg zurücktreiben. Deine Tränen der Verzweiflung nimmt das Meer unbeeindruckt zur Kenntnis.

       Weit bist du nicht gekommen und du bist froh dass es dir gerade so gelingt dich wieder an Land zu hieven.

       Zur Begrüßung leckt dir eine lange Zunge freudig Salz aus dem Gesicht. Wenigstens freut sich dein Hund über deine Rückkehr.

        Du musst jetzt schnell handeln, um nicht zu erfrieren.

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      Selbst nachdem sich deine Augen ein wenig an die Dunkelheit im Wald gewöhnt haben, stolperst du doch über jede Wurzel und jeden Ast. Das komplette Unterholz scheint sich gegen deine Schienbeine verschworen zu haben. Deine Arme machen die unerfreuliche Bekanntschaft mit dornigen Ranken, und die Mückenstiche hast du längst aufgehört zu zählen.

       Du hast keine Ahnung wie dein Führer durchs Dickicht navigiert, noch dazu in einem Tempo, dass dir alles abverlangt. Die Morgendämmerung setzt schon langsam ein, als der brummelige Kerl endlich eine Pause einlegt.

       "Es ist jetzt nicht mehr weit", liest er deine Gedanken, und nickt dir aufmunternd zu. Er reicht dir die Hand, als ob ihr euch gerade erst getroffen hättet: "Ich heiße Tuck."

       Ihr setzt euch auf den feuchten Waldboden, und du stellst dich vor. Ihr teilt euch die letzten Tropfen aus seinem ledernen Wasserbeutel. Tuck hört dir aufmerksam zu, während du ihm von deinen Begegnungen in der Burg erzählst. An einigen Stellen der Geschichte nickt er anerkennend und brummt in seinen Bart.

       "Du bist bei uns genau richtig, Junge. Und jetzt los, wir sind fast am Lager."

       Tuck stemmt sich mit seinem Stock nach oben und ist abmarschbereit. Die aufgehende Sonne taucht den lichten Wald bereits in wunderschöne Farben.

        Ihr macht euch auf den Weg.

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      Du stocherst mit den Stiefeln im Stroh herum, ohne zu wissen, was du genau suchst. Obwohl du einiges an Stallgeruch gewohnt bist, musst du dir dabei mit einer Hand die Nase zuhalten. Hier hat schon lange keiner mehr sauber gemacht, und du fragst dich, welche Tiere hier schon eingeschlossen wurden, und zu welchem Zweck.

       Dein neuer Freund scheint sich an der Suche beteiligen zu wollen und scharrt mit seinen großen Hundepfoten im Stroh herum. Dabei blickt er dich fragend an. Viele abgenagte Hühnerknochen finden sich im Schmutz, und viel unappetitliches Krabbelgetier obendrein. Als du auf einen arm-großen ausgebleichten Knochen stößt, läuft dir ein kalter Schauer über den Rücken. Du hoffst dass er von einem großen Tier stammt, aber sicher bist du nicht.

       Gerade als du die Suche aufgeben willst, findest du doch noch etwas. Ein Lederhalsband mit einer kaputten Schnalle springt dir ins Auge. Du wiegst es abschätzend in der Hand, doch du kannst nichts besonderes daran erkennen. Ganz offensichtlich wurden hier noch weitere Tiere eingeschlossen, denn für denn