Florian Graf

Die Flucht


Скачать книгу

geht am besten indem du dem Hund...

        ...direkt in die Augen starrst.

        ...das Fell streichelst.

        ...ruhig zuredest.

---

      Zwischen Brettern in einem Regal und den Stufen einer Leiter herrscht eigentlich kein großer Unterschied, denkst du dir. Eigentlich.

       Schon beim ersten Brett merkst du, dass es gar nicht so leicht ist das Gleichgewicht zu halten und das am besten möglichst geräuscharm. Schwups, schon purzeln ein paar Becher scheppernd auf den Boden. Sie hatten den Fehler gemacht dort zu stehen, wo deinem Fuß auf dem Regalbrett nach Platz verlangte. Jedenfalls können unmöglich deine beeindruckenden Kletterkünste Schuld an dem kleinen Missgeschick tragen. Sei es drum, nach wie vor scheint niemand in dieser Welt ein Interesse an den seltsamen Geräuschen aus deiner kleinen Abstellkammer zu haben.

       Oben angelangt, empfängt dich ein erstaunlich guter Rundumblick über den Burghof durch das kleine Gitterfenster. Allerdings ist nicht viel los. Wehmütig fällt dein Auge wieder auf das verschlossene Burgtor und die hohe Mauer. Auf den Zinnen stehen sich gelangweilte Wachposten die Füße in den Bauch. In einem Stall am anderen Ende des Hofs siehst du Pferdeköpfe. Ein Hengst wirft gerade schnaubend seinen Kopf in den Nacken.

       Dir schießt Blut in den Kopf! Ist das???

       Nein, leider nicht. Für einen Moment dachtest du deinen vierbeinigen Freund wieder erblickt zu haben, aber es ist nur ein müder alter Wachhund, der friedlich in der Nähe des Stalls schlummert.

       Enttäuscht und um wenige Erkenntnisse reicher, kletterst du wieder hinab.

      Jetzt bleibt dir nur noch...

        ...den Abstellraum zu verlassen.

---

      Du willst gerade weitergehen, da bleibt dein Gefährte stehen und spitzt seine Ohren. Jetzt hörst du es auch! Jemand summt draußen die Melodie eines Kinderlieds. Dein Freund schnuppert an der Tür und sieht dich fragend an. Eben hast du dir noch vorgenommen allen Menschenseelen besser aus dem Weg zu gehen, doch deine Neugier ist geweckt.

        Du riskierst einen Blick nach draußen.

        Du gehst besser weiter.

---

      Du bibberst wie eine Katze, der man das Fell geschoren hat. Du schlüpfst in deine zerschlissenen Beinkleider, die das Feuer über Nacht getrocknet hat. Dein Wams ist etwas feucht, doch es hält dich allemal wärmer, als nackt herumzuspringen. Nachdem du deine Sachen beisammen hast, wendest du dich der klobigen Tür zu, die tiefer in den Fels zu führen scheint. Durch den Türspalt dringt kein Licht, und du kannst trotz angestrengtem Lauschen keine Geräusche hinter der Pforte ausmachen.

      Wenig überraschend ist die Türe verschlossen, und du beschließt...

        ...mit Gewalt die Türe zu öffnen.

        ...höflich anzuklopfen.

        ...das Schloss zu knacken.

---

      Mit aufgerissenen Augen blickst du dich um. Doch dir bietet sich kein passendes Versteck. Dir bleibt keine Zeit und so ziehst du deinen Hund neben die Tür, die jeden Moment aufspringen wird. Wenn sie sich weit genug öffnet, dann könntet ihr dahinter verborgen bleiben.

      Dein spontaner Plan ist mehr als waghalsig, doch du kannst jetzt nicht lange fackeln...

        ...denn die Türe öffnet sich bereits.

---

      Als dir der leere Krug zu Füßen des Wächters auffällt, wird dir klar, warum er so tief schlummert. Du riechst kurz an dem Tongefäß und verziehst unwillkürlich dein Gesicht. Das muss billiger Fusel der schlimmsten Sorte gewesen sein. Sei es drum. Du entspannst dich etwas und musterst den Betrunkenen aus nächster Nähe.

       Sein wattiertes Lederwams ist fast so dreckig wie deine eigene Kleidung, aber du bist dir sicher, dass du noch nie im Leben so gestunken hast. Er schnarcht laut mit offenem Mund und sein Odem ist alles andere als angenehm. Seine entblößten Zähne offenbaren viele Lücken und ganz allgemein bietet er kein angenehmes Erscheinungsbild. Ob er hier unten schon lange Wache schiebt?

       Dein Blick fällt auf einen Beutel, den er an seinen Gürtel geknotet hat, neben die Scheide seines Schwertes. Du wagst es nicht das Schwert zu stehlen. Das wäre einfach zu laut. Aber der kleine Beutel sieht auch ganz interessant aus.

       Flink entknoten deine Hände ihn und schon hat er den Besitzer gewechselt. Du lächelst ob deines kleinen Erfolges und fast tut dir der armselige Wächter leid. Vorsichtig entfernst du dich. Ein paar Schritte weiter zwingt dich deine Neugier einen Blick hineinzuwerfen. Ein paar Kupfermünzen kommen zum Vorschein. Als Knecht hast du nie Geld besessen und du hast wenig Gefühl für den Wert deiner Beute.

      Du lässt alles unter deiner Weste verschwinden...

        ...und schleichst weiter.

---

      Du räusperst dich und spitzt die Lippen.

       "Ja, ich bin es, die Kammerzofe", säuselst du, und kommst dir dabei ziemlich dumm vor. Deine Knabenstimme ist nie besonders dunkel gewesen, aber du klingst auch nicht wie ein Mädchen. Zu deiner eigenen Verblüffung scheint der Trick dennoch zu funktionieren.

       Die Dame in der Wanne klingt erfreut.

       "Ach, das ist schön dass du da bist. Das Wasser wird schon langsam kalt. Und ein neues Stück Seife wäre auch nicht schlecht. Husch, husch! Worauf wartest du?" Überfordert steht du immer noch mitten im Raum und würdest dich am liebsten in Luft auflösen.

       "Ganz wie es ihnen beliebt", antwortest du jetzt trotzdem schon etwas selbstbewusster und bist nicht ohne Stolz auf deine Kunst eine Mädchenstimme zu imitieren.

       "Sag mal, für wie dumm hältst du mich eigentlich", entfährt es der Wanne. Der freundliche Ton hat sich in Luft aufgelöst und vielmehr schwingt in der Stimme der Frau jetzt eine unübersehbare Drohung mit. Noch immer hat sie dir noch nicht das Gesicht zugewandt.

      Jetzt heißt es eine schnelle Entscheidung zu treffen und du...

        ...gibst dich als der neue Stallbursche zu erkennen.

        ...versuchst die badende Dame von hinten zu überwältigen.