Nick Lubens

Heavy Metal


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grillen.“

      „Was soll's.“, versucht sich Robert in einem letzten Hauch von Aufbegehren. „Sie kann uns nichts. Wir sind schließlich Mars, der Kriegsgott!“

      „Mann, bin ich froh, dass meine Eltern gestern Abend noch bei Freunden eingeladen waren.“, stöhnt Olaf, als wir am nächsten Nachmittag endlich allein im Musikraum der Schule stehen.

      „Bin ich froh, dass wir überhaupt hier sein können.“, strahlt Robert und betastet die wenigen Instrumente, die in dem kahlen Raum herumstehen mit glänzenden Augen.

      „Hätte ich nicht gedacht, so wie das Gespräch angefangen hat.“, wirft Sirko ein.

      „Ich dachte, die schmeißen uns von der Schule.“, fasse ich meinen Eindruck vom Beginn des Elterngesprächs zusammen.

      „Immer der Optimist, was?“, zieht mich Robert auf. „Als ob schonmal jemand wegen ungebührlicher Kleidung von der Schule geflogen wäre. Die wollten uns nur einen Schuss vor den Bug verpassen, damit wir wieder auf den Weg der Tugend zurückfinden.“ Ein empörtes Schnauben unterrichtet uns davon, was er von dieser Taktik hält.

      Ich bin froh, dass wir endlich die Zeit finden, über das Gespräch mit der Pionierleiterin und unseren Eltern zu reden. Gestern sind wir alle von unseren ernst dreinblickenden Eltern aus der Schule abgeführt und nach Hause verfrachtet worden und heute Vormittag waren wir ständig von unseren Klassenkameraden umringt, die sensationsgeil darauf aus waren, die schmutzigen Details unserer Vorladung aus erster Hand zu erfahren.

      „Was ist eigentlich passiert?“, fragt Olaf, der genau wie ich es offenbar nicht fassen kann, dass wir lediglich mit einer Ermahnung, uns mehr um die Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit zu bemühen, davongekommen waren.

      Sirko zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Meine Eltern müssen mal ganz schlimme Finger gewesen sein und irgendwas mit der Kästner angestellt haben als sie jung waren.“

      „Kannst du dir das vorstellen?“, rufe ich bei der Erinnerung an Herrn Kowalskis angeregtes Geplauder mit unserer Pionierleiterin beinahe begeistert. „Dein Vater mit schulterlangen Haaren und die Kästner nur im BH auf einem Konzert?“ Ich lache hysterisch auf.

      „Das will ich mir lieber nicht vorstellen.“, brummelt Robert und verzieht sein Gesicht angewidert.

      „Gab es damals auch schon Heavy Metal?“, fragt Olaf, der wieder mal etwas langsamer von Begriff ist.

      „Quatsch. Das war die Zeit der Hippies.“, klärt Sirko ihn auf. „Meine Eltern haben ein paar wirklich komische Fotos aus ihrer Jugend. Sie haben die ganze Zeit die Beatles und die Stones gehört.“

      „Waren ja richtige Rebellen.“, werfe ich anerkennend ein.

      „Klar, und die Kästner auch.“, kontert Robert mit sarkastischem Unterton.

      „Ist doch egal.“, versucht Olaf die Wogen zu glätten. „Sirkos Vater hat uns rausgehauen. Sie sind so sehr in alten Kamellen geschwelgt, dass die Kästner uns beinahe vergessen hätte. Und jetzt können wir hier Musik machen.“

      „Wenn das mal kein böses Erwachen gibt.“, murmelt Sirko und blickt sich unsicher um.

      „Du willst doch jetzt nicht kneifen, oder?“, fragt Robert lauernd.

      „Dazu ist es sowieso zu spät.“, stellt Sirko schicksalsergeben fest. „Inzwischen weiß die ganze Schule, dass wir eine Metal-Band gegründet haben.“

      „Ich frage mich, woher dieses Gerücht kommt.“, sage ich halb scherzhaft, auch wenn ich mir wirklich nicht erklären kann, wie unser bisher geheimer Plan so schnell die Runde machen konnte. Instinktiv schauen wir alle drei zu Robert, der plötzlich eindringlich die Pauke des kleinen Schlagzeugs, das in einer Ecke des Raums vor sich hinstaubt, inspiziert. „Das ist sicher ganz brauchbar, was meinst du, Motte?“

      Olaf tut ihm den Gefallen des Themenwechsels und schlendert hinüber. Er klopft ein paar Mal auf der Pauke, der Trommel und den beiden Becken herum. „Klar, da lässt sich was draus machen. Wir wollen ja auch keine musikalischen Gipfel erklimmen.“

      „Warum nicht?“, fragt Robert mit völligem Ernst.

      „Wir machen Heavy Metal.“, erwidert Olaf gelassen. „Das muss vor allem laut sein.“

      „Oje. Da muss ich wohl noch einige Aufklärungsarbeit leisten.“, stöhnt Robert und reibt sich die Schläfen. „Wusstet Ihr, dass die klassische Musik einen großen Einfluss auf die ersten Metal-Bands ausgeübt hat?“

      „Nein!“, stellt Sirko pauschal für uns drei Hinterwäldler fest. „Aber ich denke, die Theoriestunde sollten wir uns für später aufheben. Erstmal brauchen wir gescheite Instrumente.“

      Ich greife mir eine der drei Gitarren, die in einem Ständer an der Wand lehnen. Eine Saite ist gerissen, aber der Corpus scheint noch in Takt zu sein. „Das ist jetzt nicht gerade das gigantischste Material.“, kommentiere ich meinen Fund.

      „Für Metal völlig ungeeignet.“, stellt Robert kopfschüttelnd fest.

      „Hey, guckt mal!“, ruft Sirko plötzlich aufgeregt. Er kramt in einer Ecke herum und zieht einen großen braunen Kasten hervor.

      „Was is'n das?“, fragt Olaf neugierig.

      „Mann, ein Verstärker!“, ruft Robert begeistert. „Was sucht der denn hier?“

      „Sieht schon echt alt aus.“, erklärt Sirko mit Kennerblick. Schließlich ist sein Vater Elektriker, da muss er sowas wissen. „Aber den kann mein Vater bestimmt wieder hinkriegen.“

      „Fehlen uns also nur noch ordentliche Instrumente.“, stelle ich lakonisch fest.

      Robert rauft sich die Haare. „Scheiße, ist diese Schule beschissen ausgestattet, oder was? Hier gibt es ja gar nichts. Wie soll man denn da eine gescheite Band aufmachen?“

      „Habt ihr eigentlich schonmal darüber nachgedacht, was wir machen wollen, wenn wir spielen gelernt haben?“, streue ich weiteres Salz in die Wunde.

      Die drei schauen mich verwirrt an.

      „Wir haben keine Spielberechtigung.“, benenne ich das Problem.

      „Spielberechtigung?“, fragt Olaf ungläubig.

      „Ja, die brauchst du, um überhaupt auftreten zu dürfen.“, erläutert ihm Robert das Prozedere. „Die werden zentral vergeben. So eine Kommission hört sich deine Songs an und stuft dich dann ein. Davon hängt die Gage ab, die du kriegst.“

      „Als Schülerband haben wir es da aber leichter.“, versucht Sirko, uns Mut zu machen. „Die Kästner wird sich darum kümmern, dass wir kostenlos bei Feiern auftreten dürfen. Schwierig wird es erst nächstes Jahr, wenn wir nicht mehr in der Schule sind.“

      „Das heißt, bis dahin müssen wir uns einen Ruf erspielt haben.“, stellt Robert nüchtern fest. Trotz der flapsigen Art, mit der er das sagt, wirkt dieser Ausspruch doch wie eine Initialzündung auf uns. Wir spüren plötzlich den Drang, uns zu beweisen und allen da draußen zu zeigen, das wir mehr sind als nur ein paar „verirrte jugendliche Seelen auf dem Pfad der Selbstfindung“, wie es die Pionierleiterin gestern unseren Eltern so schön auseinandergesetzt hat.

      „Instrumente sind also oberste Priorität.“, lege ich die Marschroute fest.

      Robert streckt mir seine riesige Zunge entgegen und grinst albern.

      „Irgendwelche Ideen?“, fragt Sirko in die Runde.

      Eine Zeitlang ist es ungewohnt still in den heiligen Hallen der Musik. Wir grübeln vor uns hin und reiben uns Kinne, Stirn und Schläfen wund.

      „Heureka!“, ruft dann ausgerechnet Olaf, der nicht unbedingt unser Schnelldenker ist. „Ich hab's!“

      „Was hast du?“, fragt Sirko aufgeregt.

      Olaf genießt den Augenblick ungeteilter Aufmerksamkeit für einen Moment, bevor er mit seiner Idee herausrückt. „Mein