Geshe Kelsang Gyatso

Der Spiegel des Dharma mit Ergänzungen


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sterben, unser Geist jedoch in sein nächstes Leben geht und wie im Traum so viele unterschiedliche Dinge seines nächsten Lebens sieht und erfährt. Mit diesem Verständnis werden wir an der Existenz zukünftiger Leben keinerlei Zweifel haben.

      Gleich nach unserem Tod werden wir einen neuen Körper haben, den Körper eines Zwischenzustandswesens, das ein Lebewesen zwischen seinem vergangenen Leben und seiner nächsten Wiedergeburt ist. Im Allgemeinen beträgt die Lebensspanne der Zwischenzustandswesen nur neunundvierzig Tage. Innerhalb dieser Zeit werden sie als Mensch, Gott oder Halbgott, oder in den niederen Bereichen als Tier, hungriger Geist oder Höllenwesen wiedergeboren. Wenn wir als ein Mensch geboren werden, müssen wir menschliches Leiden erleben, und wenn wir als ein Tier geboren werden, müssen wir tierisches Leiden erleben und so weiter.

      Wir sollten wissen, dass wir als Mensch in dieser Welt wiedergeboren wurden, da wir in unseren früheren Leben verunreinigte tugendhafte Handlungen begangen haben, die dazu führten, dass wir in dieser unreinen Welt als Mensch geboren wurden. Deshalb sind wir hier. Niemand hat uns in diese Welt geschickt, indem er sagte: «Du sollst in die Welt der Menschen gehen und dort leben.» In gleicher Weise werden Tiere in ihrem eigenen Bereich als Tier wiedergeboren, weil sie in ihren früheren Leben nichttugendhafte Handlungen begangen haben, die die Hauptursache dafür waren, diese Wiedergeburt anzunehmen.

      Niemand hat die Macht oder Autorität, den Lebewesen zu sagen: «Du sollst in den menschlichen Bereich gehen, den Tierbereich, den Höllenbereich oder den Götterbereich.» Wir alle nehmen aufgrund unserer früheren Handlungen, oder Karma, die wir seit anfangsloser Zeit angesammelt haben, unterschiedliche Wiedergeburten an und erleben unterschiedliche Leiden.

      Buddha gab ausführliche Erklärungen, durch die wir die Verbindung verstehen können zwischen unseren Handlungen in vergangenen Leben, die entweder tugendhaft oder nichttugendhaft waren, und unseren Erfahrungen in diesem Leben, die entweder Glück oder Leiden sind.

      Um diese Verbindung zu beweisen, führte Buddha ebenfalls viele Beispiele an. Einst lebte ein Mann namens Shri Datta, der viele äußerst negative Handlungen beging. Später, als er alt war, bat Shri Datta Buddha, ihm Ordination zu gewähren. Um Ordination zu empfangen, heißt es, benötigen wir zumindest ein klein wenig tugendhaftes Potenzial in unserem Geisteskontinuum, das eine Ursache für Befreiung ist, den dauerhaften inneren Frieden, der «Nirvana» genannt wird. Doch als Buddhas hellsichtige Schüler Shri Datta prüften, konnten sie kein einziges derartiges Potenzial finden und erklärten ihn für die Ordination ungeeignet. Diese Schüler konnten jedoch nicht die subtilen Potenziale sehen, die nur von erleuchteten Wesen gesehen werden. Als Buddha in Shri Dattas dunklen Geist schaute, sah er ein winziges Potenzial für Tugend. Er erklärte seinen Schülern: «Vor vielen Äonen war Shri Datta eine Fliege, die auf etwas Pferdedung in der Nähe des Stupas eines Buddha landete. Es regnete stark und das Wasser trug den Dung mit der Fliege um den Stupa herum. Obwohl die Fliege keine Absicht hatte, den Stupa zu umrunden, erhielt sie dennoch allein durch den Anblick des Stupa Buddhas Segnungen, und diese hinterließen in ihrem Geist ein tugendhaftes Potenzial, um Befreiung zu erlangen.» Dann gewährte Buddha ihm die Ordination. Infolgedessen nahm Shri Dattas positives Potenzial zu und er erlangte noch im gleichen Leben Befreiung.

      In den Lamrim Anleitungen heißt es, dass allein der Anblick eines Bilds von Buddha in unserem Geist ein Poten­zial oder eine geistige Prägung hinterlässt, die eine Ursache der Erleuchtung ist. Das ist so, weil Buddhas vollkommen rein sind, jenseits des Kreislaufs unreinen Lebens, Samsara. Dieses Potenzial ist innerhalb unseres unreinen Geistes. Obwohl das Gefäß, unser Geist, unrein ist, ist sein Inhalt, das Potenzial, das allein vom Anblick eines Bild­s von Buddha stammt, immer rein. Dieses Potenzial wird für uns von großer Bedeutung sein, wie uns die Geschichte von Shri Datta zeigt.

      Eine andere Frage, die wir uns stellen müssen, ist: «Warum brauchen wir dauerhafte Befreiung von Leiden?» Das ist so, weil eine vorübergehende Befreiung von einem besonderen Leiden nicht reicht, selbst Tiere erleben eine solche Befreiung. Im Moment sind wir vielleicht frei von körperlichem Leiden und geistigem Schmerz, doch ist dies nur vorübergehend. Später in diesem Leben und in unseren zahllosen zukünftigen Leben werden wir endlos immer wieder unerträgliches körperliches Leiden und geistigen Schmerz erleben müssen. Deshalb besteht kein Zweifel daran, dass wir dauerhafte Befreiung von all den Leiden dieses Lebens und unserer zahllosen zukünftigen Leben erlangen müssen. Im Buddhismus wird diese dauerhafte Befreiung «Nirvana» genannt. Wir können diese Befreiung nur erreichen, indem wir Buddhas Lehren umsetzen, insbesondere Buddhas Lehren über Selbstlosigkeit, oder Leerheit. Leerheit wird im Wesentlichen in Teil Zwei dieses Buches, im Kapitel Schulung in Meditation über Leerheit erläutert. Eine ausführliche Erklärung findet sich im Buch Moderner Buddhismus.

      Buddhas Lehren, oder Dharma, sind die praktische Methode, um den wirklichen Sinn menschlichen Lebens zu finden. Da Dharma sehr tiefgründig ist, sollten wir, wenn wir Dharma Bücher lesen, immer wieder über ihre Bedeutung nachdenken, bis sie unser Herz berührt. Dies ist für jeden sehr wichtig.

      Nun folgen einige ergänzende Erläuterungen. Erstens müssen wir in Bezug auf Der Spiegel des Dharma die Seg­nungen der Übertragung dieses Buches erhalten. Dies wird das Tor zur Praxis dieser Anleitungen öffnen und uns die Gelegenheit geben, Der Spiegel des Dharma zu üben. Zweitens sollten wir, wenn wir die Übertragungssegnungen erhalten haben, fortwährend starkes Vertrauen in sowohl die Lehren als auch die Lehrer aufrechterhalten. Und zwar deshalb, weil Vertrauen in die Dharma Lehren und Lehrer der Ursprung der Dharma Verwirklichungen ist. Durch dieses Vertrauen entwickeln wir die Absicht Dharma zu üben, aufgrund dieser Absicht bemühen wir uns in unserer Übung, mit Bemühen können wir Dharma Verwirklichungen vollenden und durch Dharma Verwirklichungen können wir unsere eigenen Wünsche sowie die Wünsche anderer erfüllen. Wir alle möchten zu jeder Zeit glücklich sein. Dieser Wunsch wird nur erfüllt, indem wir Dharma Verwirklichungen erlangen. Drittens müssen wir die eigentliche Schulung, die Schulung in Kontemplation – Teil Eins dieses Buches – und die Schulung in Meditation – Teil Zwei dieses Buches –, aufrichtig üben.

      Der Sinn der Schulung in Kontemplation ist, dass die Bedeutung der Anleitungen unser Herz berührt, sodass wir mühelos in der Schulung in Meditation voranschreiten können. Üben wir unsere Schulung in Kontemplation nicht aufrichtig, wird unser Dharma Verständnis rein intellektuell bleiben. Dadurch wird es keine Kraft haben, unsere täglichen Probleme des unkontrollierten Begehrens, oder Anhaftung, der Wut, der Unwissenheit und der anderen Verblendungen zu lösen. Indem wir dies verstehen, sollten wir uns stark bemühen, uns aufrichtig in Kontemplation zu schulen.

      Wie schulen wir uns in Kontemplation? Entsprechend dem Buch Der Spiegel des Dharma sollten wir uns zuerst in den Anleitungen schulen, die in der Einleitung dieses Buches, dem ersten Kapitel, dargelegt sind. Ich möchte vorschlagen, dass wir all diese Anleitungen auswendig lernen. Dann sollten wir die Anleitungen geistig, nicht mündlich, wiederholen, während wir uns immer wieder beständig auf ihre Bedeutung konzentrieren. Wenn wir auf dieser Grundlage über die Anleitungen nachdenken, die in den verbleibenden Kapiteln dargelegt sind, werden unser Verständnis und unsere Erfahrung der Bedeutung dieser Kapitel klarer und stärker, sodass die ganze Bedeutung dieser Anleitungen, Der Spiegel des Dharma, unser Herz berührt. In dieser Weise werden wir die Verwirklichungen dieser kostbaren Anleitungen vollenden.

      Ihr, die die Gelegenheit habt, die kostbaren Anleitungen des Buches Der Spiegel des Dharma zu üben, fasst bitte den starken Entschluss: «Ich werde durch meine aufrichtige Übung dieser mündlichen Anleitung Der Spiegel des Dharma, die von Lehrern stammt, die Emanationen aller Buddhas der zehn Richtungen sind, alle Buddhas der zehn Richtungen erfreuen.»

      An dieser Stelle sollten wir über die Bedeutung des letzten Verses von Die drei Hauptaspekte des Pfades zur Erleuchtung nachdenken, dem Rat aus Je Tsongkhapas Herzen:

      Wenn du in dieser Weise die wesentlichen Punkte

      Der drei Hauptaspekte des Pfades richtig verwirklicht hast,

      Mein Lieber/meine Liebe, zieh dich ins Einzelretreat zurück, erzeuge und bewahre starkes Bemühen

      Und vollende schnell das endgültige Ziel.