Geshe Kelsang Gyatso

Der Spiegel des Dharma mit Ergänzungen


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Anhaftung an die Erfüllung deiner eigenen Wünsche, unkontrolliertes Begehren,

      Ist die Hauptursache all deiner eigenen Probleme und Leiden

      Und ohne zuerst Entsagung zu entwickeln, gibt es keine Methode, sie aufzugeben.

      Deshalb solltest du dich stark bemühen, reine Entsagung zu entwickeln und zu bewahren.

      Wenn du durch tägliche Schulung die spontanen Gedanken entwickelst:

      «Ich könnte heute sterben» und «Ein kostbares menschliches Leben ist so selten»,

      Und du über die Wahrheit von Karma meditierst und die Leiden des Kreislaufs unreinen Lebens, Samsara,

      Wird deine Anhaftung an weltliche Vergnügen aufhören.

      Wenn in dieser Weise unkontrolliertes Begehren nach weltlichen Vergnügen

      Nicht einmal für einen Moment entsteht,

      Sondern Tag und Nacht ein Geist entsteht, der sich nach Befreiung, Nirvana, sehnt,

      Dann wird zu dieser Zeit reine Entsagung erzeugt.

      Die Erklärung im Urtext, wie wir reine Entsagung erzeugen, ist dieselbe wie sie von Je Tsongkhapa in seinen Lamrim Lehren erläutert wurde, und auch ich erkläre dies ausführlich im Buch Moderner Buddhismus. Beruhend auf mündlichen Anleitungen können wir auch das Folgende üben. Wir stellen uns vor und denken:

      Heute, als ein Mensch, genieße ich menschliche Bedingungen und heute Nacht lege ich mich als Mensch schlafen. Doch während des Schlafes hört meine Atmung aufgrund von Karma und anderen Bedingungen vollständig auf. Morgen dann werde ich, anstatt als Mensch aufzuwachen, an einen Ort gelangen, der von Feuer durchdrungen ist, und mein Körper wird untrennbar vom Feuer sein. Ich bin in der Hölle wiedergeboren, wo ich für Millionen von Jahren unerträglichen Schmerz erleben werde.

      Indem wir über diese Vorstellung, die aus unserer Weisheit kommt, immer wieder nachdenken, werden wir uns vor einer samsarischen Wiedergeburt im Allgemeinen fürchten und vor einer niederen Wiedergeburt im Besonderen. Diese Furcht ist Entsagung, die aus unserer Weisheit stammt. Wir meditieren fortwährend über diese Entsagung, bis wir diese Furcht Tag und Nacht bewahren, ohne sie jemals zu vergessen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir reine Entsagung, oder Entsagung des Pfades, entwickelt. Pfad ist in diesem Zusammenhang ein spiritueller Pfad oder eine spirituelle Verwirklichung. Wie effektiv diese Meditation ist, hängt von unserem Potenzial für spirituelle Verwirklichungen ab.

      BODHICHITTA

      «Bodhi» bedeutet Erleuchtung und «chitta» bedeutet Geist. Bodhi­chitta ist ein Geist, der sich spontan wünscht Erleuch­tung zu erlangen, um jedem einzelnen Lebewesen jeden Tag zu helfen. Er ist das Tor, durch das wir den Pfad zur Erleuch­tung betreten, und das höchste gute Herz der Söhne und Töchter der Eroberer Buddhas, die auch «Bodhi­sattvas» genannt werden. Sie alle werden bald Buddhas sein, erleuch­tete Wesen. Wir sollten ihrem Vorbild folgen. In dem Moment, in dem wir Bodhi­­chitta entwickeln, werden wir ein Sohn oder eine Tochter der Buddhas und werden bald ein Buddha sein. Wie wunderbar!

      WIE WIR DEN KOSTBAREN GEIST DES BODHICHITTA ERZEUGEN

      Im Urtext heißt es:

      Wird diese Entsagung jedoch nicht

      Durch den mitfühlenden Geist des Bodhichitta aufrechterhalten,

      Wird sie keine Ursache für das unübertroffene Glück, Erleuchtung, sein.

      Deshalb musst du dich bemühen, den kostbaren Geist des Bodhichitta zu erzeugen.

      Indem wir über die Bedeutung dieses Verses nachdenken, fassen wir, beruhend auf den folgenden Versen, den Entschluss, uns zu bemühen, diesen kostbaren Geist des Bodhi­chitta zu erzeugen:

      Von der Strömung der vier mächtigen Flüsse [Geburt, Altern, Krankheit und Tod] mitgerissen,

      Eng gefesselt durch die Ketten des Karmas, die so schwer zu lösen sind,

      Gefangen im eisernen Netz des Festhaltens am Selbst,

      Vollständig umhüllt von der pechschwarzen Dunkelheit der Unwissenheit,

      Eine Wiedergeburt nach der anderen im grenzenlosen Samsara annehmend

      Und unaufhörlich gepeinigt von den drei Leiden [schmerzhafte Gefühle, sich veränderndes Leiden und durchdringendes Leiden]:

      Indem du über den Zustand deiner Mütter, aller Lebewesen, in Umständen wie diesen nachdenkst,

      Erzeuge den höchsten Geist, Bodhichitta.

      In dieser Übung gibt es fünf Stufen der Kontemplation und Meditation. Zuerst erkennen wir klar, dass alle Lebe­wesen unsere Mütter sind. In Zusammengefasstes Sutra der Vollkommenheit der Weisheit sagt Buddha: «Du solltest alle Lebe­wesen als deine Mütter oder Väter erkennen und ihnen immer mit liebevoller Güte und Mitgefühl helfen.» Wir sollten uns diesen Rat zu Herzen nehmen.

      Aufgrund unserer sich ändernden Wiedergeburten erkennen wir einander nicht und deswegen glauben wir, dass es viele Feinde und zahllose Fremde gibt. Dies ist ein Irrglaube und Unwissenheit. In Wahrheit sind alle Lebewesen unsere Mütter. In unseren zahllosen früheren Leben nahmen wir zahllose Wiedergeburten an. In jeder einzelnen dieser Wieder­geburten hatten wir eine Mutter und deshalb hatten wir zahllose Mütter. Wo sind alle diese zahllosen Mütter jetzt? Es sind all die Lebewesen, die heute leben. Indem wir dies verstehen und so denken, erkennen wir aus tiefem Herzen, dass alle Lebewesen unsere gütigen Mütter sind, und wir wert­schätzen sie, indem wir glauben: «Sie sind wichtiger als ich, da ich nur eine einzige Person bin.»

      Mit dieser wertschätzenden Liebe für alle Lebewesen führen wir die folgende Übung aus. Auf der ersten Stufe überlegen wir und denken tief nach, wie zahllose Mutter­lebewesen den Kreislauf der Leiden von Geburt, Krankheit, Altern und Tod fortwährend erfahren, Leben für Leben, ohne Ende. Wir sollten uns an die ausführliche Erklärung im Buch Moderner Buddhismus erinnern. Dann erzeugen wir einen starken Wunsch, sie alle dauerhaft von diesem Leiden zu befreien. Dieser Wunsch ist Mitgefühl für alle Lebewesen. Um diesen Wunsch zu erfüllen, fassen wir den festen Entschluss, Erleuchtung zu erlangen. Dieser Entschluss ist der mitfühlende Geist des Bodhichitta. Dann meditieren wir fortwährend über diesen Entschluss, bis wir unseren Entschluss Tag und Nacht aufrechterhalten, ohne ihn jemals zu vergessen.

      Auf der zweiten Stufe überlegen wir, wie alle Mutter­lebewesen durch die Ketten des Karmas eng gefesselt sind – die nichttugendhaften Handlungen, die sie aus Anhaftung, Wut oder Unwissenheit begangen haben und die dazu führen, dass sie nie frei von Leiden und Problemen sind. Wir erzeugen den aufrichtigen Wunsch - der Mitgefühl ist -, sie alle dauerhaft von diesen Ketten zu befreien. Um diesen Wunsch zu erfüllen, fassen wir den festen Entschluss, Erleuchtung zu erlangen. Dieser Entschluss ist Bodhichitta. Wir meditieren dann fortwährend über diesen Entschluss, bis wir unseren Entschluss Tag und Nacht aufrechterhalten, ohne ihn jemals zu vergessen.

      Auf der dritten Stufe heißt es im Urtext, dass Lebewesen im eisernen Netz der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst gefangen sind. In diesem Zusammenhang wird das Festhalten am Selbst als ein Geist definiert, der irrtümlicherweise glaubt, dass wir und andere, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, tatsächlich existieren. Wir sollten immer wieder über die Bedeutung dieser Definition nachdenken, bis wir klar unsere Unwissenheit des Festhaltens am Selbst erkennen, die immer in unserem Herzen weilt und deren Funktion es ist, unseren geistigen Frieden und unser Glück zu zerstören. Mit dieser Erkenntnis überlegen wir, dass jedes einzelne Lebewesen im eisernen Netz der Unwissenheit des Festhalten am Selbst gefangen ist und deshalb niemand irgendein echtes Glück besitzt. Das ist so, da ihr geistiger Frieden, die Quelle des Glücks, immer durch ihre Unwissenheit des Festhaltens am Selbst zerstört wird, die immer in ihrem Herzen weilt. Indem wir dies verstehen und in dieser Weise denken, entwickeln wir einen aufrichtigen Wunsch, allen Lebewesen, die unsere Mütter sind, reines Glück zu schenken. Um diesen Wunsch zu erfüllen, fassen wir den festen Entschluss, Erleuchtung zu erlangen.