Metin Buz

Wer hat Gerlinde Bauer getötet?


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      Metin Buz

      Wer hat Gerlinde Bauer getötet?

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       TEIL I

       TEIL II

       TEIL III

       TEIL IV

       NACHWORT

       Danksagung

       Impressum neobooks

      TEIL I

      Metin Buz

      Wer hat Gerlinde Bauer

      getötet?

      Industriekrimi

      1

      „Wir sind überaus erfreut, hier und heute einen so verdienten Mitarbeiter auszeichnen zu können. Inner-halb kürzester Zeit nach seiner Versetzung von der Abteilung Arbeitssicherheit in die Personalabteilung ist es ihm gelungen, zur Implementierung vieler Arbeits-prozesse in der Personalabteilung und damit so zu deren Optimierung in einer beispielhaften Weise bei-zutragen", verkündete der Geschäftsführer zum Tagesordnungspunkt ‚Verschiedenes’ der Betriebsver-sammlung. „Dank seines unermüdlichen Einsatzes konnten zum Beispiel die Entwicklungsplanung für Führungskräfte und die Leistungsbeurteilung für außertarifliche Angestellte im Betrieb zum ersten Mal elektronisch umgesetzt werden. Als Zeichen unseres Dankes und unserer Anerkennung für seinen Einsatz, seinen Fleiß, für seine Loyalität und Integrität über-reichen wir Herrn Brás einen Scheck über 10.000 Euro und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg.“

      Nach der Versammlung, unter vier Augen im Büro, wurde Brás von Schultheiß, seiner Chefin, gelobt: „Gut gemacht! Das hat mich in meinem Entschluss bestätigt, Ihnen das Feld vorzeitig zu überlassen. Wie Sie ja wis-sen, habe ich nicht vor, bis zum regulären Rentenalter zu arbeiten. Wenn alles klappt, gehe ich in Alters-teilzeit und höre mit achtundfünfzig auf. Dann werden Sie mein Nachfolger. Versprochen ist versprochen. Und die Geschäftsleitung hat dieser Entscheidung ja auch schon zugestimmt.“

      Der Geschäftsführer Waldmann war ein großer, kräf-tiger Mann. Er hatte ein rundes, bräunliches Gesicht mit tiefblauen Augen und weißen Haaren. Er lief lang-sam und kerzengerade, sprach wenig, aber jedes ein-zelne Wort betonend. Er hatte eine Ausstrahlung, die andere sofort erfasste und in den Bann zog — ein charismatischer Typ, der alleine mit seinem Auftritt große Wirkung erzielte. Im Betrieb sah man ihn kaum, denn er war ständig auf Dienstreise bei Kunden oder an anderen Standorten der Firma. Nur wenn wichtige Kunden oder Vertreter der Konzernleitung aus den USA kamen, war er vor Ort und lief mit ihnen durch den Betrieb. Die Kunden und die Mitarbeiter respek-tierten ihn gleichermaßen. Kam er von einer Reise zurück, rief er seine Mannschaft, die Mitglieder der Geschäftsleitung, zu sich, informierte sie und verteilte verschiedene Aufgaben, die dann zeitig und präzise auszuführen waren und tatsächlich so ausgeführt wur-den. Auch als guter Akquisiteur war Waldmann be-kannt, holte er doch einen Auftrag nach dem anderen herein. Von Lucis bis Osada, von Binair bis Ravi, Kreutzer, EFG, alle großen Autohersteller, ohne Ausnahme, hatte er mit der Zeit als Kunden gewinnen können, ihre Aufträge lasteten den Betrieb gut aus. Die Maschinen liefen rund um die Uhr, dreischichtig wurde gearbeitet. Sogar an Wochenenden und Feier-tagen mussten immer wieder Sonderschichten gefah-ren werden, um die angeforderte Stückzahlen produ-zieren und liefern zu können. Am Ende des Finanz-jahres rief Waldmann die Mitglieder der Geschäfts-leitung zusammen und erkundigte sich danach, ob sie neue Mitarbeiter oder neue Maschinen und Geräte bräuchten, weil sie so viel Umsatz machten. Damals erlebte die Firma ihre Blütezeit und expandierte stetig.

      Das Werk in Villbeck hatte für Waldmann eine beson-dere Bedeutung. Er hatte dort als Sicherheitsingenieur angefangen. Später, zu Beginn der Achtzigerjahre, hatte er die Geschäftsführung übernommen, gerade in einer Phase, in der die Firma bestreikt wurde, denn die Konzernleitung hatte entschieden, die Produktion nach Italien zu verlagern. Nach langen Verhandlungen mit der Konzernleitung und dem Betriebsrat gelang es ihm schließlich, eine Schließung des Betriebs zu verhindern, den Standort auf Dauer zu erhalten und ihn sogar auszubauen. Unter seiner Führung wurde Villbeck in kürzester Zeit zum erfolgreichsten Werk innerhalb des Konzerns. Waldmann war daher mit dem Werk Villbeck besonders verbunden und setzte sich folglich auch besonders stark für es ein. Das Werk lag innerstädtisch, innerhalb eines intensiv genutzten Ge-werbegebiets, ein typisches Großstadtareal. In einer Zeit, in der es als angesagt galt, dass die Firmen die großen Metropolen verließen, um auf der grünen Wiese Produktionshallen mit vermeintlich niedrigeren Kosten zu errichten, verteidigte er diesen Standort, ohne zu wanken, denn er verband mit ihm weit überwiegende Vorteile, etwa die Nähe zum Flughafen, die zum Großkunden CarAg oder die schnelle Erreich-barkeit dank guter Verkehrsanbindung. In seiner Ein-gangsrede hatte er zur Wirtschaftslage des Unterneh-mens auch den Druck angesprochen, der von anderen Kunden auf die Firma ausgeübt wurde, Kunden, die Errichtung neuer Werke in ihrer Nähe und deshalb die Aufgabe des Standorts Villbeck forderten. Sie würden unverschämte Preisnachlässe verlangen, schon seien die ersten Aufträge verloren gegangen. Darum, so hatte er angefügt, appelliere er mit allem Nachdruck an jeden einzelnen Mitarbeiter, sich weiterhin mit voller Kraft für den Erhalt des Standortes einzusetzen, verstärkt eigene Ideen einzubringen, jene Potenziale zu entdecken, die in einem steckten, in einem jeden von ihnen, ebenso wie in Brás, den am Ende der Be-triebsversammlung zu würdigen er die Ehre haben würde. Er glaube fest an ihre Fähigkeiten und ihr Erfah-rungswissen und sei sicher, dass eine Belegschaft, die so motiviert sei und über so viel Erfahrung verfüge wie sie, seine Zuhörerschaft, eben diese alle Schwierigkei-ten werde meistern können. Er, Waldmann, gehöre nicht zu jenen, die bei jeder noch so minimalen kon-junkturellen oder betrieblichen Schwankung Men-schen auf die Straße setzten, weil sie im Personalab-bau das Allheilmittel schlechthin gegen missliebige Zahlen sähen.

      „Daher“, wiederholte er nochmals, „lassen Sie uns gemeinsam unser Wissen und unsere Erfahrungen und unsere Motivation einsetzen ohne Abstriche, damit wir allen zeigen, wie gut wir sind und wie wichtig dieses Werk ist.“

      Die Mitarbeiter, die zahlreich erschienen waren und die Betriebskantine bis zur letzten Ecke füllten, hörten der emotionalen Rede ihres Geschäftsführers still und aufmerksam zu und waren davon sichtlich berührt. Seine Worte waren wie Balsam auf ihre Seelen, Aner-kennung, Wertschätzung und Motivation zugleich.

      Noch am Abend desselben Tages wurde ihm aus der Konzernleitung in New York über Telefon mitgeteilt, dass man ihn nicht mehr brauche. Die Zusammenarbeit sei mit sofortiger Wirkung beendet.

      Die Geschäftsleitung des Werks Villbeck bestand aus-schließlich aus langjährigen Mitarbeitern. Sie alle hat-ten im Betrieb klein angefangen und waren dann lang-sam aufgestiegen, bis in die Positionen, die sie jetzt bekleideten: Geschäftsführer, Werkleiter, Produktions-leiter, Controller, Leiter Produktentwicklung usw. Sie kannten sich sehr gut aus in ihrer jeweiligen Materie und verfügten über vorzügliche Kontakte zu ihren Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern. Fachlich waren sie über alle Zweifel erhaben. Aber sie setzten sich offen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, für ihren Standort ein und riskierten dadurch Schwierig-keiten bei der Konzernführung, Schwierigkeiten, die den Fortbestand ihrer Anstellungsverhältnisse gefähr-deten.