Dagny Kraas

Dämonentreue


Скачать книгу

in der Hand. Es war eine grob bearbeitete Unterarmschiene, wie er feststellte. Sie schimmerte leicht bläulich im Licht, und ihre Oberfläche wirkte uneben. Als er mit den Fingern darüber fühlte, tastete er viele kleine Erhebungen.

      »Du kannst sie gerne ausprobieren«, sagte Tiko und machte eine einladende Geste. »Kannst ja mal versuchen, was deine Schuppen hergeben.«

      Cridan runzelte beinahe amüsiert die Stirn, dann ballte er die linke Faust und zog die Außenseite der Schiene über die aufgestellten Schuppen seines Unterarms. Es gab ein kreischendes Geräusch, als die Schuppenkanten über das Metall schrammten, aber weder an den Hornplatten noch an der Panzerung waren wirkliche Spuren zu sehen.

      »Ziemlich hart«, bemerkte Cridan anerkennend, dann reichte er Tiko die Unterarm­schiene zurück. »Hast du noch mehr davon?«

      »Ich werde dir eine Rüstung mitgeben«, erwiderte Tiko. »Mar‘Tian soll sie sich ansehen und mir mitteilen, was er darüber denkt.«

      »Es reicht dir also nicht, was ich darüber denke, ja?« Cridan schob kurzerhand einen Stapel Papiere zur Seite und setzte sich auf die frei gewordene Schreibtischkante.

      Tiko lächelte.

      »Mein Freund, ich weiß, was du darüber denkst. Aber vielleicht steht Mar‘Tian anders dazu. Er sieht den Handel mit Waffen immerhin mit gemischten Gefühlen. Und er geht längst nicht auf jedes Handelsangebot ein.«

      »Wer wüsste das besser als ich?« gab Cridan spöttisch zurück.

      Tiko ließ sich auf den Sessel fallen, der als einziges Sitzmöbel im Raum diente.

      »Du bist also nach wie vor sein ficha‘thar«, stellte er fest. »Gefällt es dir?«

      Cridan neigte zustimmend den Kopf.

      »Ja. Er zieht es vor, mich seinen Ratgeber zu nennen, aber es läuft auf das gleiche hinaus. Ein Ratgeber dient in der Regel nicht dazu, unliebsame Feinde aus dem Weg zu räumen. Ansonsten kann ich mich nicht beklagen: Ich habe ein Dach über dem Kopf, kriege so viel zu essen, wie ich hinunterbringen kann, und habe Menschen an meiner Seite, die mich tatsächlich zu mögen scheinen.«

      Sie grinsten beide.

      »Und bei euch?« fragte Cridan. »Wie ist es als gebundener Mann? Gironna wirkt ausgesprochen entspannt.«

      Tiko lachte.

      »Das stimmt. Und nicht nur sie. Es ist…«

      Er zögerte kurz und schien die passenden Worte zu suchen.

      »Anders«, sagte er schließlich. »Ich meine, es ist beileibe nicht so, als wäre dies mein erstes Kind, aber es ist das erste, bei dem ich jeden Tag sehe, wie es in ihr wächst. Und es ist ja nicht nur das: Wenn ich die Hand auf ihren Bauch lege, kann ich spüren, wie mein Kind sich in ihr bewegt. Es ist, als könnte man ein Wunder in der Hand halten! Und wenn ich das tue, dann sieht sie mich mit diesem ganz besonderen Blick an. Ich sage dir, Cridan, so etwas hast du noch nicht erlebt! Es ist, als wäre die Sonne in ihren Augen, eine strahlende Sonne, und sie scheint nur für mich.«

      Cridan musterte ihn.

      »Alter Junge«, brummte er dann, »dich hat es ja wirklich ganz schön erwischt. Ich hätte gedacht, dass dir die Schwärmerei mit der Zeit ausgeht, aber es scheint immer schlimmer zu werden!«

      »Immer schöner«, berichtigte Tiko lächelnd. »Aber lass uns zum Geschäftlichen kommen. Du brauchst fünfzig Männer?«

      »Männer oder Frauen, ja«, nickte Cridan. »Fünfzig deiner besten Leute. Ich habe da schon ein paar im Auge, aber ich würde dir die Wahl lassen.«

      Tiko schnitt eine Grimasse.

      »Mir ist schon klar, wen du willst«, sagte er. »Aber du wirst weder Dorach‘tar noch Murth Gantor bekommen.«

      Cridan schnaufte enttäuscht. Er hatte gehofft, wenigstens einen der beiden Leibwächter von Tiko mitnehmen zu können.

      »Was ist mit Cor‘tarach?« fragte er.

      Tiko legte den Kopf schief.

      »Ist noch unterwegs, könnte aber die Tage zurückkommen, wenn du Glück hast. Ich würde mich an deiner Stelle jedoch nicht darauf verlassen. Cor‘tarach hat hin und wieder eigene Einfälle, die ihn länger aufhalten als geplant.«

      »Eigene Einfälle?« Cridan seufzte. »Ich vermute, als Mar‘Tians ficha‘thar will ich gar nichts darüber wissen! Also gut. Dann sag‘ mir, wer da ist, und wen ich mitnehmen kann! Ich brauche ein paar anständige Leute, die ihren Mann stehen können und wissen, was es heißt, eine Waffe zu führen. Männer, deren Gegenwart klar macht, dass das Ganze kein Vergnügungsausflug wird. Mar‘Tian ist nämlich auf die glorreiche Idee gekommen, dem ganzen Unternehmen zusätzlich zum üblichen Personal auch noch vier Kammerzofen mitzugeben. Kammerzofen! Damit Béo reisen kann wie eine Königin!«

      Er zog eine Grimasse.

      »Vier Weiber, die den ganzen Tag nichts Besseres zu tun haben, als um Béo herum zu gackern wie aufgeregte Hühner! Sag mir mal, wie ich das aushalten soll! So hübsch können die gar nicht sein!«

      Tiko lachte, stand auf und zog aus einer der überquellenden Schubladen des Schranks eine Pergamentrolle, die er auf dem Tisch öffnete.

      »Sieh her«, sagte er, ohne auf Cridans Worte einzugehen. »Das sind alle, die in unserer Siedlung leben. Ein paar leben etwas weiter draußen, auf den Höfen, das sind diese Namen«, er tippte darauf, »und etliche sind auch in L‘hunival oder in den Städten der Umgebung, das ist die Gruppe hier. Aber von denen hätte ich dir ohnehin keinen empfohlen. Was hältst du von Thardoth und Rakhobas?«

      Cridan nickte. Er kannte die beiden Brüder. »Sehr viel. Genau an solche Männer habe ich gedacht: besonnen, erfahren, kampferprobt.«

      Tiko nickte ebenfalls. »Dann lass uns die Liste danach durchgehen.«

      Das taten sie und bekamen so rasch fünfzig Namen zusammen. Anschließend schickte Tiko seine Lehrlinge los, um die entsprechenden T‘han T‘hau zu benachrichtigen, und lud Cridan auf einen Wein in der Stube ein.

      Während er die Becher füllte, sah er aus dem Fenster.

      »Da kommen Gironna und Béo zurück«, bemerkte er. »Ajula ist auch bei ihnen. Sie wird sich freuen, dich zu sehen! Du warst wirklich schon viel zu lange nicht mehr hier.«

      Tiko sollte Recht behalten: Béos Tochter Ajula rannte die letzten Schritte ins Haus, stürmte durch den Flur, dass ihre schwarzen Locken flatterten, und fiel Cridan freudestrahlend um den Hals:

      »Mein Lieblingsungeheuer!«

      Cridan löste ihre Arme von seinem Nacken und stellte sie sanft, aber sehr bestimmt wieder auf die Füße.

      »Ich hasse dieses Wort«, knurrte er und fletschte die Zähne. »Ich bin ein T‘han T‘hau. Meinetwegen noch ein Dämon, aber kein Ungeheuer!«

      »Oh, komm, sei nicht so empfindlich«, spottete Ajula und gab ihm einen Rippenstoß.

      Sie zögerte nicht einmal, fiel ihm auf. Er war bedeckt mit messerscharfen Schuppen, die selbst einem anderen T‘han T‘hau zum Verhängnis werden konnten, aber sie ging so selbstverständlich damit um, als hätte sie selbst welche – oder als wäre sie den Umgang damit gewöhnt.

      Eine dunkle Ahnung beschlich ihn.

      Ajula hauchte derweil Tiko einen Kuss auf die Wange: »Ich habe eine wilde Ziege erlegt, aber ich habe sie bei Fejtar gelassen. Tut mir Leid.«

      »Parok wird sie heute Abend vorbei bringen«, warf Gironna ein. »Und selbst wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Es ist ja nicht so, als hätten wir nichts zu essen im Haus!«

      Es war ein fröhliches Essen, bei dem viel geredet und gelacht wurde, und bis Ajula sich ins Bett verabschiedete, war es spät geworden. Die vier Erwachsenen gingen schließlich ins Kaminzimmer und nahmen in den gemütlichen Sesseln um das offene Feuer Platz. Nur Cridan blieb stehen,