verschwand rasch im angrenzenden Raum.
Cridan eilte mit schnellen, aber nichtsdestotrotz lautlosen Schritten zur Tür, öffnete sie und sah gelassen in Korlikons überraschtes Gesicht.
»Ihr, Cridan?« fragte der Soldat. Es klang halb verwundert, halb lauernd. »Ich hatte nicht erwartet, Euch in den Gemächern Eurer Herrin vorzufinden!«
»Wie Ihr so zutreffend bemerkt«, entgegnete Cridan kühl, »ist sie meine Herrin, und ich bin, wo sie ist. Das ist Aufgabe einer Leibgarde, wie ich Euch vermutlich nicht zu erläutern brauche.«
»In der Tat«, antwortete Korlikon ebenso frostig, »das braucht Ihr nicht. Doch war ich davon ausgegangen, dass die gewünschte Aufstellung meiner und auch Eurer Leute selbst für Euch genug sei. Zumal dies die Räume Ibéowes sind und nicht die Euren.«
In diesem Augenblick betrat Béo mit ausgreifenden Schritten das Hauptzimmer. Avy und eine weitere der jüngeren Zofen hasteten hinter ihr her und bemühten sich nach Kräften, nicht an Béos langen Haaren zu ziehen, die sie offensichtlich gerade in Flechten legten.
Béo zog energisch den Morgenmantel zurecht und sah Cridan und Korlikon mit missbilligend gehobenen Brauen an.
»Cridan, was soll das?« fragte sie in scharfem Tonfall, dem man den Tadel nur zu deutlich anhörte. »Ich hatte ausdrücklich darum gebeten, etwas Ruhe zu bekommen nach diesem anstrengenden Tag! Mir ist kalt und ich bin müde. Ich wünsche keine Gäste mehr!«
Cridan senkte den Kopf, verneigte sich und trat einen halben Schritt zurück.
»Verzeiht, meine Herrin«, bat er so unterwürfig, wie er konnte. »Es war nicht meine Absicht, Euch zu stören.«
Béo warf ihm noch einen verärgerten Blick zu, dann wandte sie sich an den Soldaten: »Korlikon, was gibt es denn? Kann ich etwas für Euch tun?«
»Oh, nicht doch«, entgegnete der Soldat und lächelte verbindlich. »Die Frage ist vielmehr, was ich für Euch tun kann. Ich wollte nachfragen, ob alles zu Eurer Zufriedenheit ist oder ob etwas fehlt.«
Sie schenkte ihm ein knappes, aber sehr kühles Lächeln.
»Vielen Dank für Eure Sorge um mein Wohlergehen, aber ich habe alles, was ich benötige – abgesehen von ein wenig Ruhe und Schlaf. Und beides gedenke ich jetzt zu finden.«
Sie wandte sich zum Gehen, hielt dann aber doch noch einmal inne, als würde ihr etwas einfallen.
»Ach ja«, fügte sie in hochmütigem Tonfall hinzu, »es fehlt allerdings etwas. Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr noch einen bequemen Stuhl herbeischaffen könntet, damit mein Leibwächter darauf sitzen kann. Er ist ein guter Mann und hat es verdient, sich ein wenig ausruhen zu dürfen. Was nicht heißt, dass er gehen kann. Ich bin es gewohnt, meine Leibwachen bei mir zu wissen und bestehe darauf, ihn in meiner Nähe zu haben. Ohne einen Flur dazwischen, den er überqueren muss. Ich sage das, weil es nicht bedeutet, dass ich an Euren Sicherheitsvorkehrungen zweifle«, sie maß den Soldaten mit einem langen, kalten Blick, »sondern weil ich es so wünsche. Gute Nacht, Korlikon.«
Sie drehte sich endgültig um und rauschte ins Schlafzimmer zurück, die beiden Zofen im Schlepptau.
Cridan drehte sich zu Korlikon um und entblößte in einem breiten Grinsen jeden einzelnen seiner Reißzähne. Dann deutete er mit einer schwungvollen Geste auf die Tür.
»Ich werde sehen, was ich bezüglich des Stuhls tun kann«, sagte Korlikon mit verkniffener Miene, funkelte Cridan an und fuhr auf dem Absatz herum, bevor er den Raum verließ und die Tür mit einem Ruck hinter sich zu zog.
Béo trat aus dem Schlafzimmer, schlang die Arme um ihre Schultern und sah Cridan mit einem Kopfschütteln an.
»Du bist ein so guter Schauspieler, dass ich mich demnächst fragen muss, was von dem, was ich an dir sehe, echt ist.«
Er kam zu ihr und ließ sich auf ein Knie nieder, so dass sie beinahe auf Augenhöhe waren.
»Béo«, sagte er ernst, »es gibt für mich keinen Grund, dich anzulügen oder dir etwas vorzumachen. Was du an mir siehst, wenn wir unter uns sind, ist immer echt.«
Er hob ihr beide Hände geöffnet entgegen.
Oh, ihr Götter… Nehmt mir diese Lüge nicht übel. Ich kann es ihr nicht sagen. Niemals.
Béo legte ihre Hände in seine und lächelte, als ihre Finger in seinem Griff nahezu gänzlich verschwanden.
»Du hattest Recht, was Korlikon betrifft«, murmelte sie. »Er war nicht hier, um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Oder gar um zu fragen, ob er etwas für mich tun kann.«
»Nein«, bestätigte er. »Ganz sicher nicht. Er sucht nach etwas, womit er dich unter Druck setzen kann, und sei es nur die pikante Tatsache, dass du mit deinem Leibwächter ins Bett steigst.«
»Tja«, sie zuckte die Achseln, »da wird er Pech haben. Diese pikante Tatsache existiert nämlich nicht. Aber wie machen wir weiter?«
»So, wie wir angefangen haben«, erwiderte Cridan ruhig und drückte sacht ihre Finger. »Du wirst dich weiter klug mit Llegar unterhalten und dich von ihm anstarren lassen. Wenn ich mir nicht lieber die Zunge abbeißen würde, als dir das vorzuschlagen, würde ich sogar sagen, dass eine kleine unpolitische Bettgeschichte oder doch zumindest das Versprechen davon unserem politischen Anliegen enorm auf die Sprünge helfen könnte.«
»Du unverschämter Bastard«, entfuhr es Béo, doch sie musste lachen. »Du hast das gerade vorgeschlagen!«
»Ich?« Er hob in gespieltem Entsetzen die Brauen. »Niemals, meine Königin! Allenfalls – und ich sage allenfalls – habe ich laut gedacht.«
Er maß sie mit einem prüfenden Blick.
»Außerdem willst du doch wohl nicht behaupten, dir sei dieses Mittel der politischen Überzeugung fremd? Schließlich hast du es schon einmal sehr erfolgreich eingesetzt.«
Béo gefror das Lächeln auf den Lippen. Sie entzog ihm ihre Hände und wandte sich ab: »Jetzt bist du zu weit gegangen.«
Einen Augenblick schwieg er.
»Zu weit gegangen? Seit wann geht die Wahrheit zu weit?« fragte er dann mit einem kleinen Lächeln, das seinen Worten die Schärfe nehmen sollte.
Sie zog den Überwurf enger um ihre Schultern, antwortete jedoch nicht, und nach einer Weile erhob er sich. Vielleicht war er wirklich zu weit gegangen. Das nächste Mal musste er daran denken, sich seine Worte vorher zu überlegen.
Er senkte den Blick.
»Verzeih‘ mir. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich wusste nicht, dass ich dir mit der Wahrheit zu nahe trete.«
Als sie noch immer nichts sagte, ging er zur Tür. Er wollte gerade eben die Hand nach der Klinke ausstrecken, da hörte er ihre Stimme:
»Warte.«
Er blieb stehen, drehte sich um und sah sie an.
»Du trittst mir nicht zu nahe«, sagte sie leise. »Und du hast Recht, die Wahrheit geht nicht zu weit. Es ist… viel mehr das schlechte Gewissen, was damit verbunden ist. Esracan war ein guter Mann. Er hatte nicht verdient, betrogen zu werden. Das war der Grund, aus dem ich, was meine Gefühle für ihn betrafen, auch stets ehrlich war. Und doch habe ich ihn belogen, was Ajula angeht. Ich habe ihn glauben lassen, sie sei sein Kind.«
»Du hast ihn damit zweifelsohne sehr glücklich gemacht«, entgegnete Cridan. »Er ist mit der festen Überzeugung gestorben, nicht nur für sein Land, sondern auch für sich, für dich und für sein Kind das Richtige getan zu haben. Wenigen Männern ist dies vergönnt.«
»Und doch«, murmelte Béo. »Eine Lüge ist eine Lüge.«
Er ging die wenigen Schritte zu ihr zurück.
»Das ist richtig«, nickte er. »Hätte es denn einen anderen Weg gegeben?«
Béo