Dagny Kraas

Dämonentreue


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      Cridan spürte jähe Zuneigung in sich aufwallen, als er ihre Worte hörte. Er wusste, dass sie mit etwas Besonderes weder seine Körpergröße noch seine Kraft meinte.

      Iridas Stimme war leise, als sie fragte: »Ihr sagtet eben, die ersten Schritte auf dem Weg zur Vereinigung seien gegangen. Es interessiert mich, was das bedeutet. Es ist sicher kein einfaches Unterfangen.«

      »Nein, sicher nicht«, stimmte Béo ihr zu. »Auf beiden Seiten gab und gibt es Vorurteile und Verletzungen, Enttäuschungen und Vorbehalte, die wir überwinden mussten und immer noch müssen. Aber mit dem Willen, das gemeinsame Ziel zu erreichen, kommen wir mehr als nur gut voran. Im letzten Jahr haben wir gewaltige Fortschritte gemacht. Die T‘han T‘hau leben wieder unter uns, wir handeln miteinander und lernen voneinander«, erwiderte Béo. »Es haben sich sogar erste Paare gefunden.«

      »Paare?«

      Irida sah erst Béo, dann Cridan an, und neben der Röte breitete sich auch ein Ausdruck von ungläubigem Staunen auf ihrem Gesicht aus. »Ihr meint, ein T‘han T‘hau und eine menschliche Frau…« Sie brach ab.

      »Die T‘han T‘hau sind Menschen«, erklärte Béo. Cridan fragte sich, ob er der einzige war, der den unterdrückten Ärger in ihren Worten wahrnahm. »Sie sind Menschen, deren Äußeres sich nur gewandelt hat. Und ja: Es gibt Paare von Männern der T‘han T‘hau mit Frauen, aber auch umgekehrt. Liebe sieht tiefer als nur bis auf die Schuppen, und das ist gut so.«

      Eine Weile lag Schweigen über dem Tisch, dann kratzte Llegar sich am Kinn.

      »Wenn also die Kreaturen, die auf Korat ihr Unwesen treiben, und Eure T‘han T‘hau wirklich von derselben Art sind, was gedenkt Ihr zu tun?«

      Béo ließ sich Zeit mit ihrer Antwort.

      »Das hängt von mehreren Dingen ab. Zum einen und allerersten von Euren Wünschen, König Llegar. Was ist Eure Vorstellung, Euer Ziel? Wollt Ihr die T‘han T‘hau in Initim dulden? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Oder wollt Ihr unter allen Umständen, dass die T‘han T‘hau aus Initim verschwinden? Erst wenn ich diese Antworten kenne, können wir gemeinsam darüber entscheiden, wie wir weiter verfahren wollen. Für mich sind einige Wege denkbar.«

      Llegar erwiderte ihren Blick nachdenklich.

      »Ihr stellt kluge Fragen«, bemerkte er. »Um ehrlich zu sein, habe ich mir darüber zwar bereits Gedanken gemacht, aber noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Nur eines weiß ich sicher: Ich werde keine Aufrührer, Mörder und Diebe in meinem Reich dulden!«

      Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, unvermittelt laut: »Wenn Eure T‘han T‘hau auf Korat bleiben wollen, dann werden sie nach meinen Gesetzen und Regeln leben! Andernfalls werde ich dafür sorgen, dass sie nach meinen Gesetzen gerichtet werden!«

      Obwohl er es sich nicht anmerken ließ, war Cridan überrascht von den Reaktionen am Tisch: Irida war erschrocken zurück gezuckt und hatte sich in ihren Stuhl gekauert, als wollte sie sich am liebsten verstecken. Auch Svana, die Tochter Llegars, war rückwärts gerutscht und wirkte, als wollte sie jeden Moment aufspringen und fliehen.

      Llegar atmete tief durch und entspannte sich wieder etwas.

      »Verzeiht«, brummte er, »aber diese Geschichte liegt mir schon seit Monaten im Magen! Irgendwelche Wesen, die von den Goldsuchern als Dämonen bezeichnet werden und die durchaus zu dem Stamm dieser T‘han T‘hau«, er schenkte Cridan einen ärgerlichen Blick, »gehören könnten, verbreiten Angst und Schrecken, stehlen, töten und zerstören, ohne dass wir etwas dagegen unternehmen könnten! Meine Leute sind bislang immer zu spät vor Ort gewesen. Wo sich diese Dämonen auch aufhalten mögen, sie sind nicht aufzutreiben!«

      »Sollten es wirklich T‘han T‘hau sein«, sagte Béo beschwichtigend, »wird Gantuigh Euch den angerichteten Schaden ersetzen, sofern er ersetzbar ist.«

      Llegar hob überrascht die Brauen, und auch auf Korlikons Gesicht zeichnete sich Verwunderung ab.

      »Das ist ein sehr großzügiges Angebot«, entgegnete Initims König. »Was verleitet Euch zu dieser Zusage? Weshalb sind Euch diese Kreaturen so viel wert? Ihr kennt sie nicht einmal, und ob sie jemals Gantuigh zugehörig waren, wisst Ihr ebenfalls nicht! Was veranlasst Euch dazu, die Verantwortung für ihre Verbrechen zu übernehmen?«

      Béo schwieg einen Moment und warf Cridan einen unauffälligen Blick zu. Er tat so, als sei er, scheinbar unbeteiligt am Gespräch, ganz in die Betrachtung seines Weinglases versunken. Doch er wusste, Béo kannte ihn gut genug, um das kleine Lächeln in seinen Augenwinkeln zu bemerken.

      »Als Herrscherin von Gantuigh bin ich zugleich auch die Königin der T‘han T‘hau«, antwortete sie schließlich. »Gehören diese Kreaturen, die Dämonen, von denen Ihr sprecht, zu den T‘han T‘hau, so gehören sie zu meinem Volk. Sie sind mir gegenüber verpflichtet, aber ich bin es ihnen gegenüber ebenso sehr. Sie sind mein Volk.«

      Cridan hätte sie nicht mehr lieben können als in diesem Augenblick.

      8. Kapitel – Korlikon

      Korlikon hatte sie bis zu den Gemächern begleitet, die für sie hergerichtet worden waren. Während die Zofen mitsamt dem Gepäck und Béo in dem großen Raum verschwanden, wollte Cridan vor der Tür Aufstellung beziehen, doch Korlikon schüttelte abwehrend den Kopf:

      »Nicht doch, Cridan. Auch der beste Mann braucht einmal Ruhe! Ich habe Euch ein Zimmer gleich hier, am Ende des Flurs, fertig machen lassen. Keine Sorge: Wie Ihr sehen könnt, sind Eure Räume die einzigen in diesem Gang. Vor dem Durchgang hierher habe ich vier meiner besten Leute postiert. Ihr seid hier so sicher wie in Gottes Schoß.«

      »Eure Männer, Ihr sagt es«, erwiderte Cridan um einen freundlichen Tonfall bemüht. Er traute Korlikon nicht über den Weg, und dass der Soldat so offensichtlich versuchte, ihn zu übergehen, machte ihn nur noch misstrauischer.

      »Verzeiht mir, wenn ich unhöflich sein sollte, aber es ist meine Aufgabe, über die Königin zu wachen. Ich werde nicht von ihrer Seite weichen. Eure Männer sind außer Zweifel gut und gewissenhaft, doch erlaubt mir, sie durch unsere eigenen zu unterstützen. Schickt mir Tennta‘rah, Skantome, Thardoth und Lito‘ta aus Ibéowes Eskorte. Ich bin mir sicher, sie werden Eure Zustimmung finden.«

      Eine Weile starrten sie sich schweigend an. Korlikons Gesichtsausdruck grenzte an Feindseligkeit, doch dann nickte er schmallippig:

      »Einverstanden. Ich werde Eure Männer holen lassen.«

      »Zwei Männer und zwei Frauen«, berichtigte Cridan ihn ungerührt. »Ich bin Euch zutiefst zu Dank verpflichtet. Bis sie eintreffen, werde ich hier bleiben.«

      Er stellte sich demonstrativ vor die Tür zu Béos Zimmer.

      »Wie Ihr wollt!« Korlikon hob die Schultern und wandte sich zum Gehen.

      Die Tür hinter Cridan wurde geöffnet, und Béo schob sich an ihm vorbei.

      »Was ist los?« fragte sie. »Warum bist du noch hier draußen?«

      »Oh, ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Korlikon«, erwiderte Cridan. »Es wäre gut, wenn du ihm klarmachst, dass du nicht zulassen wirst, deinen Leibwächter von dir fernzuhalten. Denn genau das versucht er.«

      »Wie bitte?« Béo runzelte verärgert die Stirn. »Was geht ihn das überhaupt an?«

      Cridan wollte eben antworten, da hörte er die Stimme der älteren Zofe:

      »Herrin, wenn Ihr einmal schauen mögt? Wir haben jetzt alles eingerichtet.«

      Béo verdrehte die Augen. »Die schlimmste von allen. Als ob ich ein Kindermädchen bräuchte!«

      Cridan grinste. »Geh schon! Ich komme nach, wenn ihr mit dem Weiberkram fertig seid.«

      Sie schnitt eine Grimasse, zog sich zurück und schloss die Tür.

      Cridan