er immer verstanden hatte.
Der bittere Geschmack der Enttäuschung mischte sich mit Erleichterung und dem schlechten Gewissen der Lüge. Er umfasste ihre Finger mit seinen eigenen und hielt sie auch noch fest, als sich ihre Lippen voneinander gelöst hatten. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht.
»Meine Königin«, sagte er und bemühte sich um einen unbeschwerten Tonfall, »deutlicher hätte deine Antwort nicht ausfallen können. Ich danke dir.«
Einen Moment sah er sie noch an, dann stemmte er sich in die Höhe und zog sie mit auf die Füße.
»Komm«, forderte er sie auf, rasch das Thema wechselnd: »Wir wollen sehen, dass wir heute noch einen Hafen erreichen. Initim ist nah, und morgen könnten wir schon bei Llegar sein!«
7. Kapitel – Ankunft in Initim
Es war ihm erstaunlich leicht gefallen, die Gedanken, die ihn beherrscht hatten, zu verdrängen und in Béo wieder die Freundin und vor allem seine Königin zu sehen, stellte Cridan fest, als sie neben ihm an der Reling des Kommandodecks stand und zusah, wie die Falkenflug durch die enge Hafeneinfahrt glitt, angetrieben von einem Dutzend Ruder auf jeder Seite. Die Anspannung war zumindest fürs erste verschwunden und hatte dem gewohnten Vertrauen ihrer Freundschaft Platz gemacht. Dass sie sich so deutlich ausgedrückt hatte, hatte auch ihm geholfen, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen.
Er befehligte seine Mannschaft mit knappen Worten, und die Falkenflug verlangsamte ihre Fahrt, drehte sich mit gemächlicher Eleganz und trieb seitlich auf die Mauer des Hafenbeckens zu. Die Ruder wurden eingezogen, die Seeleute warfen Schleppseile zu den wartenden Männern auf dem Kai und halfen dann, das schlanke Schiff an seinem Ankerplatz zu vertäuen.
»Meine Hochachtung«, nickte Béo ihm zu. »Das war gekonnt.«
Cridan lächelte und stieß sich von der Reling ab.
»Es wird Zeit für mich, die Kleidung zu wechseln«, sagte er. »Und für dich auch. Du kannst nicht in diesen Sachen an Land gehen. Llegar erwartet eine Herrscherin und ihre Abordnung von Leibwächtern und Soldaten, keine Abenteurerin an der Seite eines Dämons. Dein Hofstaat wartet schon auf dich.«
Er wies mit einem knappen Kopfnicken auf die vier Zofen, die am Fuße der Treppe standen und zu ihnen hinauf sahen.
Béo seufzte und verdrehte die Augen, löste jedoch ihren Blick vom Kai und machte sich auf den Weg. Sie wurde sofort von ihren Bediensteten empfangen und unter Deck geführt.
Cridan selbst ging in seine Kajüte, zerrte sich die Kleider vom Leib und wusch sich rasch. Dann öffnete er die Truhe und legte die Uniform der Leibgarde von Gantuigh an, dazu einen leichten Brust- und Rückenpanzer, Armschienen, Handschuhe und Helm.
Mar‘Tians Waffenschmiede hatten sich wirklich Mühe gegeben: Die Panzerung war nicht glänzend wie so viele andere, sondern von matter und nur schwach schimmernder Oberfläche, sie passte hervorragend und war darüber hinaus mit einem komplexen und kunstvollen Muster verziert, das dem seiner eigenen Schuppen nachempfunden war – dennoch wäre es ihm lieber gewesen, er hätte sie nicht anlegen müssen.
Er trug nicht gern Rüstung. Zum einen hatte die Natur ihn mit einem eigenen Panzer ausgestattet, und zum anderen schränkte die Rüstung nicht nur seinen Bewegungsspielraum ein, sondern brachte auch noch zusätzliches Gewicht mit, an das er sich erst gewöhnen musste. Doch er sah ein, dass er ebenso wie Béo eine gewisse Erwartung zu erfüllen hatte.
Mar‘Tian war unmissverständlich in seinen Anweisungen gewesen: Cridan würde, wenn es darum ging, mit den möglichen T‘han T‘hau auf Initim Kontakt aufzunehmen oder sie nach Gantuigh zu bringen, eine wesentliche Rolle spielen als Stellvertreter und Gesandter des Königs der T‘han T‘hau, aber bis dahin war er Béos Leibwächter, als der er so unauffällig und unscheinbar bleiben würde, wie es ihm möglich war.
Dabei wollte er sich eine Eigenschaft seiner Körpergröße zunutze machen, die ihm sonst nicht unbedingt gefiel. Es war durchaus geläufig, dass die meisten Menschen in ihm einen riesigen Krieger sahen, dessen Kraft und Kampfkunst man zwar besser nicht unterschätzen sollte, der jedoch nicht mit sonderlich viel Intelligenz ausgestattet war.
Er würde also im Schatten bleiben, als Béos Beschützer und Begleiter, und ansonsten vor allem Augen und Ohren offen halten. Mar‘Tian traute Initims Herrscher Llegar nicht, und Cridan ging es genauso. Zu offensiv, zu provokant und viel zu selbstsicher war der Brief gewesen, den er nach Gantuigh geschickt hatte.
Cridan warf einen Blick in den kleinen Spiegel, der über der Waschschüssel hing.
Der matt polierte Helm und die Panzer an Brust und Rücken verliehen ihm nicht nur noch breitere Schultern, als er ohnehin schon besaß, sondern verbargen auch seine Schuppen fast komplett. Dort, wo seine natürliche Panzerung durch die Lücken glänzte, schien sie durch den Übergang der Muster nur ein weiterer Teil der Rüstung zu sein, und selbst die dunklen Schuppen in seinem Gesicht wirkten wie eine mit großem Geschick ausgestaltete Maske.
Er bleckte seinem eigenen Spiegelbild die Zähne, bevor er sich umwandte und wieder auf den Flur hinaus trat, um auf Béo zu warten.
Es dauerte länger, als er gedacht hatte, und während er mit verschränkten Armen rücklings an die Wand gelehnt wartete, lauschte er den Geräuschen von oben und von draußen, die ihm verrieten, dass ihr Anlegemanöver beendet war und die Seeleute seiner Mannschaft dazu übergegangen waren, die Segel auszubreiten und auf Schäden zu überprüfen.
Endlich öffnete sich die Tür zu Béos Kajüte. Zu seiner Überraschung kam jedoch die ältere Zofe heraus. Ihr Gesicht sah aus, als hätte man sie gezwungen, verdorbenes Obst zu essen, und ihre Miene wurde noch saurer, als sie Cridan entdeckte.
»Ihr!« schnaubte sie und rauschte auf ihn zu. »Bringt sie gefälligst zur Vernunft! Euch ist es zu verdanken, dass sie solche unbotmäßigen Narreteien überhaupt in Betracht zieht! Ihr mit diesen verdrehten Flausen, die Ihr der armen Frau in den Kopf setzt! Seht Euch nur an, wohin es führt!«
Cridan erwiderte ihren Blick mit einer Mischung aus Verblüffung und Belustigung. Er hatte, von Avy abgesehen, bisher nicht ein einziges Wort mit einer der Zofen gewechselt, kannte nicht einmal ihre Namen – sie waren stets nur schweigende Zuschauer und Passagiere gewesen, deren Kommunikation sich auf Unterhaltungen miteinander oder mit Béo beschränkten.
»Ich weiß nicht, was Ihr meint«, entgegnete er.
»Nicht?« Die Zofe rümpfte empört die Nase. »Ich meine das!«
Sie drehte sich um und wies auf Béo, die in diesem Augenblick aus der Kajüte trat.
Cridan hielt unwillkürlich den Atem an.
Béo sah großartig aus. Sie trug ein bodenlanges Kleid aus dunkelblauer Seide, die im Licht glänzte wie flüssiges Silber. Die Ärmel waren mit Silberfäden bestickt, ebenso der Rock und die dazu passende dunkelblaue Jacke mit den kurzen Schößen. Die Seidenschuhe mit den halbhohen Absätzen sahen aus wie in Form gegossenes Mondlicht. Ein Diadem aus funkelnden Edelsteinen thronte auf ihrem hochgesteckten Haar, und eine Kette mit einem großen, in Silber gefassten blauen Stein betonte den Ausschnitt des Kleides und hob zugleich die Farbe ihrer Augen hervor.
Der Schwertgürtel, den sie um ihre Hüften geschlossen hatte, mochte nicht wirklich zum Rest ihrer Kleidung passen, doch er fand gerade das fabelhaft – verstand jetzt allerdings auch den Grund für die Entrüstung der Kammerzofe.
»Du bist atemberaubend schön, meine Königin«, sagte er ehrlich, lächelte und fügte hinzu: »Aber das Schwert solltest du ablegen. Es passt wirklich nicht zu diesem Kleid. Du kannst es mir geben«, er streckte die Hand aus. »Da ich als dein Leibwächter immer an deiner Seite sein werde, hast du es in greifbarer Nähe – für alle Fälle.«
Béo zögerte kurz, doch dann nickte sie und reichte ihm ihren Waffengurt. Cridan nahm das Schwert mitsamt seiner Scheide davon ab, öffnete seinen Gürtel und befestigte die Waffe unter dem vernichtenden Blick der Zofe neben seiner