Dagny Kraas

Dämonentreue


Скачать книгу

      Er hielt sie bäuchlings auf den Schiffsplanken fest, sein Knie auf ihren Schultern, seine Hand um ihren rechten Ellbogen geklammert.

      »Waffe loslassen«, kommandierte er knapp.

      Sie gehorchte sofort.

      Er erhob sich von ihrem Rücken und ließ sie aufstehen.

      »Gar nicht schlecht«, bemerkte er ruhig, schob seine eigene Waffe in die Scheide zurück und löste die Schnalle des Gürtels.

      »Heute habe ich uns noch etwas anderes mitgebracht«, fuhr er fort, legte sein Schwert mitsamt Gürtel zur Seite und ließ sich von einem der Soldaten zwei Messer reichen. Eines davon drückte er Béo in die Hand.

      »Messer?« fragte sie erstaunt und wog die kurze Klinge in der Hand.

      Er nickte. »Allerdings. Hast du schon einmal mit Messern gekämpft?«

      Béo verneinte.

      »Nicht wirklich. Mar‘Tian hat mir ein wenig vom Faustkampf beigebracht«, erwiderte sie, »aber ein Messer habe ich bislang nur ein einziges Mal zum Kämpfen benutzt. Ansonsten jedoch recht häufig. Zum Kochen.«

      Cridan lachte, dann zeigte er ihr, wie sie die kurze Waffe halten musste, um sie möglichst wirkungsvoll benutzen zu können, und erklärte ihr in knappen Worten und Gesten die Grundlagen. Schließlich legte er sein eigenes Messer beiseite und machte eine auffordernde Geste.

      Béo zögerte. »Soll ich wirklich…«

      »Dann eben nicht«, unterbrach er sie achselzuckend und griff ohne weitere Warnung an.

      Im nächsten Moment hatte sie alle Hände voll zu tun, sich ihn vom Hals zu halten. Sie hieb, hackte und stach nach ihm, aber ihre Klinge ging entweder ins Leere oder prallte wirkungslos an seinem harten Schuppenpanzer ab. Nur wenig später hielt er sie im Klammergriff und entrang ihr das Messer.

      »Du musst schneller werden«, ermahnte er, ließ sie los und warf ihr die Waffe wieder zu.

      Béo fing sie auf und rieb sich mit der Linken den Nacken.

      »Gibt es eigentlich etwas, was ich gegen dich ausrichten kann?« fragte sie. Es klang entmutigt. »Ich meine, kommt eigentlich auch irgend etwas durch diesen verflixten Panzer?«

      Cridan legte den Kopf zur Seite und sah sie an.

      »Das wirst du selbst herausfinden müssen«, antwortete er gelassen. »Los, noch einmal, und sei bloß nicht zimperlich!«

      Béo gab sich wirklich alle Mühe, dennoch dauerte es nicht lange, bis er sie erneut umklammert hatte: Von hinten umschlang sein linker Arm ihren Oberkörper, drückte ihr die Arme an den Rumpf, und mit der Rechten versuchte er, ihre Waffenhand zu packen.

      Er spürte, wie wütend sie war, ihm erneut unterlegen zu sein, und mit welch zornigem Ingrimm sie sich gegen ihn wehrte.

      Er musste ein Grinsen unterdrücken. Sie war immer noch zu langsam!

      In diesem Augenblick fuhr ein grell stechender Schmerz durch seinen linken Unterarm. Mit einem nur halb unterdrückten Grunzen zuckte er zusammen, lockerte seinen Griff jedoch nicht. Blut lief warm über seine Haut. Béo hatte in ihrer Verzweiflung einen aufwärts gerichteten Stich geführt, und die Klinge war zwischen den Schuppen in seinen Arm gedrungen.

      Erschrocken wollte sie sich zu ihm umdrehen, doch er herrschte sie an:

      »Ich sagte, du sollst nicht zimperlich sein!«

      Im nächsten Augenblick hatte er ihre Rechte erwischt und verdrehte ihr den Arm auf dem Rücken. Béo keuchte auf und ging unter dem Druck auf die Knie. Das Messer fiel ihr aus der Hand.

      Er lehnte sich mit seinem Oberschenkel zwischen ihre Schulterblätter und zog den linken Arm zurück. Blut lief daran entlang, tropfte von seinen Schuppen und hatte dunkle Spuren auf ihrer Kleidung hinterlassen.

      Er wischte die Hand an seinem eigenen Hemd ab, legte ihr die Finger unter das Kinn und zwang ihren Kopf in den Nacken, bis er sie ansehen konnte.

      »Verdammt noch mal«, sagte er anerkennend. »Das tat richtig weh. Nebenbei bemerkt: Du bist tot.«

      Mit diesen Worten ließ er sie los.

      Béo sprang auf die Füße und griff nach seinem Unterarm, von dem noch immer das Blut auf die Planken rann.

      »Es tut mir Leid«, sagte sie betroffen und besah sich den Stich. »Das wollte ich nicht!«

      Cridan hob die Schultern.

      »Meine Schuld«, bemerkte er gleichgültiger, als er war. »Ich habe nicht aufgepasst. Das wird mir eine Lehre sein.«

      Er bückte sich nach ihrem Messer, hob es auf und betrachtete die Klinge, die gut einen Fingerbreit mit Blut beschmiert war.

      »Wenigstens hast du dich an meine Aufforderung gehalten.« Er grinste. »Zimperlich war das sicherlich nicht! Für heute ist Schluss. Rakhobas, komm her«, er winkte dem T‘han T‘hau, der mit Lito‘ta an der Seite gestanden und zugesehen hatte. »Ich brauche deine Hilfe.«

      Rakhobas, einer der erfahrensten Krieger, die sich unter den T‘han T‘hau befanden, nahm die Stichwunde stirnrunzelnd in Augenschein.

      »Das war vollkommen überflüssig«, brummte er ruppig auf Alt-Gantuigh, die Sprache der T‘han T‘hau, damit Béo ihn nicht verstand. »Du bist unvorsichtig, wenn du mit ihr kämpfst. Du vertraust zu sehr darauf, dass sie dir nichts tun wird, anstatt dich zu konzentrieren und dein Können besser einzusetzen!«

      Er hob eine der Schuppen am Rand der Wunde an, die durch die Messerklinge der Länge nach gespalten war, und riss sie kurzerhand ab. Cridan schnitt eine Grimasse, schwieg jedoch.

      »Bei jedem anderen wäre dir so ein Fehler nicht passiert«, fuhr Rakhobas fort. »Das hier ist ein Fliegenschiss für dich, aber es hätte auch anders ausgehen können. Ich hoffe, das ist dir bewusst! Dass ihr euch mögt, sollte kein Grund sein, die notwendige Vorsicht außer Acht zu lassen!«

      Er presste den Daumen so fest auf die Schuppen über der Eintrittswunde, dass es schmerzte – und viel fester, als notwendig gewesen wäre, doch Cridan verzog keine Miene.

      Rakhobas hielt seinen Griff unerbittlich geschlossen, bis die Blutung aufhörte, dann ließ er langsam los.

      Cridan drehte probehalber die Hand hin und her, nickte und sah dann den anderen T‘han T‘hau an.

      »Ich werde an deine Worte denken«, sagte er ernst. »Für heute ist der Unterricht beendet.«

      Er wandte sich um und verließ das Deck, Béos Blick im Nacken nur zu deutlich fühlend.

      Den Rest des Tages verbrachte er mit Cro‘artosh und der Berechnung ihres weiteren Kurses sowie dem eingehenden Studium der Seekarten von Initim, die ihm zur Verfügung standen – und damit, Béo aus dem Weg zu gehen, die sich mit unübersehbar schlechtem Gewissen an Deck herumdrückte.

      Er wollte ihre Entschuldigungen, die sie zweifellos anzubringen versuchte, nicht hören, und er wollte nicht daran denken, dass es ihre Nähe gewesen war, die ihn seine Wachsamkeit so sträflich hatte vermissen lassen.

      Weshalb nur, bei allen Göttern, brachte sie ihn so durcheinander?

      Sie schien schließlich zu spüren, dass er nicht mit ihr sprechen wollte, und hielt Abstand zu ihm, doch die Blicke, die sie ihm zu warf, wenn sie einander begegneten, sprachen für sich und taten ein übriges, seine Konzentration zu einer mühsam aufrecht erhaltenen Fassade zu machen.

      Als der Abend hereinbrach, hielt er es nicht mehr aus: Er ließ in seiner Kajüte für zwei decken und schickte einen der Schiffsjungen, Béo zum Abendessen bei ihm einzuladen.

      Während er auf sie wartete, blickte er aus dem geöffneten Fenster. Der Himmel hatte sich rötlich verfärbt, aber am Horizont dräuten dunkle Wolken, die verdächtig nach Sturm aussahen.

      Als er Béo in die Kajüte treten hörte, drehte er sich zu