Dagny Kraas

Dämonentreue


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      Ihr gesamtes Gefolge stand wartend am Kai, die Soldaten tadellos in Reih und Glied und sämtlich in der Uniform von Gantuigh, Menschen wie T‘han T‘hau. Zwei der Männer hielten ihre gesattelten Pferde bereit.

      Cridan gab Cro‘artosh, der ihn während seiner Abwesenheit an Bord vertreten würde, letzte Anweisungen, dann nickte er Béo zu und folgte ihr, als sie langsam und mit vorsichtigen Schritten an Land ging.

      Béos Hengst Whal trug, wie Cridan befohlen hatte, einen Damensattel. Als Béo es entdeckte, warf sie ihm einen vernichtenden Blick zu und schluckte ganz offensichtlich eine bissige Bemerkung hinunter.

      Nur widerwillig ließ sie sich von ihm aufs Pferd helfen, und während sie auf dem ungewohnten Sattel hin und her rückte, um eine halbwegs bequeme Sitzhaltung zu finden, murmelte sie so leise, dass nur er es hörte:

      »Das werdet ihr mir büßen!«

      Cridan schwang sich auf Camros Rücken und erwiderte:

      »Ich bin gespannt auf deine zweifelsohne fürchterliche Rache – aber erst, wenn wir dieses Theater hinter uns haben. Du wirst die vornehme, ausgesprochen elegante und einnehmende Herrscherin Gantuighs sein und ich dein unterwürfiger Leibwächter. Die hundertsiebzig Mann hinter uns sind deine Eskorte. Der Rest des Trosses ist entweder dazu da, um dir sämtliche Arbeiten abzunehmen, oder zu deiner Belustigung und Zerstreuung. Falls…«

      »Moment mal«, unterbrach Béo ihn lachend. »Hast du gerade gesagt, du seist mein unterwürfiger Leibwächter?«

      Sie hob beide Brauen in gespielter Verwunderung.

      »Ich bin überrascht, dass dir die Bedeutung dieses Wortes überhaupt bekannt ist, ganz zu schweigen davon, dass ich nicht weiß, wie du das spielen willst!«

      Cridan warf ihr einen langen Blick zu und erwiderte dann: »Keine Sorge. Für jeden Tag, den ich mich zusammenreißen muss, werde ich, sobald ich kann, zwei Tage lang noch unverschämter sein als sonst.«

      »Noch unverschämter?« Béo grinste breit. »Das ist möglich?«

      Für einen Augenblick war er versucht, etwas zu entgegnen, doch dann senkte er nur demütig den Kopf.

      »Ihr beliebt zu scherzen, meine Königin«, sagte er halblaut. Es klang beinahe unterwürfig, doch er konnte das scherzhafte Grollen in seiner Stimme nicht ganz verbergen. Sie hörte es natürlich.

      »Gar nicht schlecht«, nickte sie. »Aber ein wenig üben musst du noch.«

      »Wie Ihr wünscht, Herrin.« Dieses Mal war sein Tonfall perfekt.

      Béo legte den Kopf schief und sah ihn an, sagte jedoch nichts mehr, sondern nahm die Zügel auf und drückte ihrem Pferd die Absätze in die Flanken.

      Während des Ritts zwang Cridan sich dazu, das Verhalten eines Leibwächters zu übernehmen, der allein seiner Herrin untertänig und verpflichtet war, in ihrem Gefolge jedoch keine eigene Stellung hatte. Er war ihr gegenüber freundlich, beinahe zuvorkommend, aber ansonsten distanziert, und sein Lächeln blieb unnahbar und kühl.

      Béo warf ihm immer wieder seltsame Blicke zu, doch sie schwieg.

      Kurz vor Sonnenuntergang erreichten sie endlich Manut, die Stadt, in der Llegar seinen Hof hatte. Sie wurden bereits erwartet: Menschen hatten sich auf den Straßen und Gassen zusammengedrängt, um einen Blick auf die Ankömmlinge zu erhaschen. Etliche Soldaten säumten ihren Weg und hielten die neugierigen Bürger zurück, die von überall her auf sie zu strömten. Um sie herum hörte man aufgeregtes Reden und ehrfürchtiges Raunen, hin und wieder unterbrochen von erstaunten oder erschrockenen Ausrufen.

      Cridan beobachtete nicht nur sehr aufmerksam, was um sie herum geschah, sondern lauschte auch den hin und her fliegenden Worten, Rufen und Gesprächen. Erleichtert stellte er fest, dass Initims Sprache sich von der des Kontinents, die er gelernt hatte, nicht unterschied – lediglich die Mundart war eine andere. Es fiel ihm leicht, die Menschen um ihn herum zu verstehen, und wenn ihm die Bedeutung eines Wortes fehlte, konnte er den Sinn überwiegend aus dem Zusammenhang erraten.

      Dann tauchte Llegars Hof vor ihnen auf.

      Cridan war beeindruckt. Er hatte sich eine Burg wie die in L‘hunival vorgestellt, vielleicht noch eine Art Schloss, aber seine Erwartungen wurden um Längen übertroffen:

      Llegars Burg war ein riesiger Palast mit schneeweißen Mauern aus Marmor, Türmen und unzähligen Balkonen. Auf jedem Wimpel war das Wappen Initims, ein aufgerichteter schwarzer Bär auf rotem Grund, zu sehen. Eine gigantische Treppe, deren flache Stufen ohne Schwierigkeiten auch zu Pferde zu ersteigen waren, führte zu einem gewaltigen, doppelflügeligen Portal. Davor standen ein gutes Dutzend Wachsoldaten, an ihrer Spitze ein großer, etwas untersetzt wirkender Mann. Goldene Streifen und Borten auf seiner ansonsten eher unscheinbaren grauen Uniformjacke verrieten den Rang eines Kommandanten.

      Der Soldat verneigte sich, als Béo ihren Hengst vor ihm verhielt.

      »Herrscherin Ibéowe! Im Namen unseres Königs heiße ich Euch in Initim willkommen! Wir haben Euch schon erwartet!«

      Cridan musterte ihn aufmerksam. Der Kommandant war ein kräftiger Mann mit eisblauen Augen und dunkelblonden Haaren, die an den Schläfen schon ergraut waren. Die Haut an seinen Händen und in seinem Gesicht war wettergegerbt und verriet, dass der Soldat viel Zeit seines Lebens unter freiem Himmel verbracht hatte. Über seine linke Gesichtshälfte zog sich eine lange Narbe.

      Cridan konnte den Soldaten auf den ersten Blick nicht leiden: Ihm war, als dränge dem Mann Verlogenheit, Heimtücke und Niedertracht aus jeder Pore.

      Der Kommandant trat näher an Béos Rappen heran und reichte ihr eine Hand, um ihr aus dem Sattel zu helfen. Cridan glitt wortlos vom Rücken seines Pferdes und ließ sich neben Béo mit gesenktem Kopf auf ein Knie nieder, seine Schulter und sein Oberschenkel bequeme Stufen auf dem Weg nach unten.

      Als wäre es für sie selbstverständlich, auf diese Art vom Pferd zu steigen, griff Béo nach der noch immer höflich ausgestreckten Hand des Kommandanten und schritt über den Halt des T‘han T‘hau zu Boden.

      Gemurmel wurde zwischen den Männern laut, als Cridan sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete.

      »Meine werte Herrin«, fuhr der Soldat indes fort und verneigte sich, »gestattet mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Korlikon, Kommandant der Leibgarde und erster Berater von König Llegar. Euch stets zu Diensten. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt? Llegar ist außerordentlich erfreut, die Herrscherin der Insel in seinem Schloss empfangen zu dürfen. Mit Verlaub gesagt«, seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln, »er brennt förmlich darauf, Euch kennenzulernen.«

      Béo nickte huldvoll.

      »Ich danke Euch für die herzlichen Worte, Korlikon, und für die Gastfreundschaft, die uns hier empfängt«, antwortete sie. »Doch bevor ich Eurer Bitte Folge leisten will, erlaubt mir, selbst eine solche zu äußern.«

      »Jederzeit«, nickte der Soldat dienstbeflissen, und Béo fuhr fort:

      »Meine Männer sind müde von der Reise und dem langen Fußmarsch vom Meer zu diesem wunderschönen Schloss. Wir haben alles dabei, was wir brauchen und wollen Euch keine Mühe bereiten, doch wäre es möglich, ihnen einen entsprechenden Lagerplatz anzuweisen?«

      »Eure Bitte zu erfüllen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit«, erwiderte Korlikon glatt. »Es soll für sie ebenso gut gesorgt sein wie für jeden anderen unserer Gäste. Ihr habt mein Wort: Wir werden dafür sorgen, dass sie alles bekommen, was sie benötigen. Bitte, folgt mir nun.«

      Béo legte ihm die Hand auf den Unterarm. Als Korlikon einen argwöhnischen Blick auf Cridan warf, sah sie sich nicht einmal zu dem T‘han T‘hau um, sondern sagte in wegwerfendem Tonfall:

      »Stört Euch nicht am Aussehen meines Leibwächters, guter Korlikon. Er ist der Treueste unter all meinen Männern und weicht mir nicht einen Schritt von der Seite. Lasst ihn nur. Ihr werdet sehen, Ihr werdet ihn kaum bemerken.«

      »Es