Edgar Rice Burroughs

TARZANS RACHE


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teils aber auch neugierig wandten sich ihm aller Augen zu. Der Affenmensch sprang mit zwei Sätzen vor den Tisch des Generals und fegte mit einer Handbewegung die Öllampe vom Tisch auf den dicken Bauch des Arabers. Imad Batuta wollte nicht gern in Flammen aufgehen und ließ sich deswegen rücklings von seinem gepolsterten Thron fallen. Dabei warf er den Tisch um. Die Lampe fiel auf den Fußboden, wo das Glas zersprang und brennendes Öl sich in großen Lachen ausbreitete.

      Zwei drahtige, kleine Araber - anscheinend Batutas Leibwache - sprangen auf Tarzan zu. Er packte den vordersten mit mächtigen Fäusten und warf ihn dem zweiten ins Gesicht, dass beide schreiend übereinander rollten. Die Frau war zur Seite gesprungen und stand flach an der Wand. Man sah das Weiße in ihren Augen bläulich schimmern. Einige Männer riefen nach der Wache, andere griffen nach herumliegenden Waffen. Tarzans Ziel aber war ein bestimmter Mann, den er während des kurzen Handgemenges nicht eine Sekunde aus den Augen ließ. Nachdem er sich erst einmal Luft geschaffen hatte, ergriff er den desertierten Legionär und warf ihn sich wie ein Bündel über die Schulter. Der Affenmensch verschwand mit seiner Beute so schnell zum Fenster hinaus, dass die übrigen Männer kaum begriffen, was geschehen war. Mit Decken und Stiefeln erstickten sie den um sich greifenden Brand, den die zerschmetterte Lampe verursacht hatte. Sergeant Wolf war nicht dazugekommen, auch nur einen Schrei auszustoßen. Tarzan drückte ihm nämlich die Kehle so weit zusammen, dass er gerade genug Luft bekam, um nicht zu ersticken.

      In sicherer Deckung hinter einem Heuhaufen ließ er seinen Gefangenen zu Boden gleiten und setzte ihm die Speerspitze auf die Brust.

      »Keinen Laut, sonst steche ich zu!«, drohte er.

      Der Gefangene erhob sich mühsam, immer von der haarscharfen Waffe bedroht. Mit äußerster Geduld und großer Geschicklichkeit lotste Tarzan den Mann ein Stück vom Lager fort, umging die zwei Vorposten, die sich durch ihr Geschwätz verrieten, und schlug dann den Weg nach Westen ein.

      Später in der Nacht durfte er sich sicher fühlen, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass offenbar keine Verfolger hinter ihm her waren. Der Gefangene hatte geschimpft, geflucht und zahllose Fragen gestellt. Die einzige Antwort, die er bekam, war ein Stoß mit dem Speer. Der Affenmensch trieb den Legionär vor sich her wie ein Schwein, das man zum Schlachter bringt. Nur - vor einem Schwein hätte er mehr Achtung gehabt und es weniger rau behandelt.

      Dieser Bandit sollte leiden - so wie Jane Clayton unter seinen Händen gelitten hatte. Die Leiden, die er selbst geistig und körperlich durchmachte, seit man seine Frau tötete, würde Tarzan dem Mörder sowieso niemals antun können.

      Stunde um Stunde verging die Nacht. Unaufhaltsam trieb Tarzan den erschöpften Gefangenen vorwärts durch den Dschungel. Die schreckliche Schweigsamkeit des Affenmenschen brachte den ehemaligen Legionär an den Rand des Wahnsinns. Der Mann begann zu taumeln und zu Stolpern. Nur die Angst vor dem unbarmherzigen Speer hielt ihn noch auf den Füßen.

      Erst gegen Morgen entschied sich Tarzan für einen bestimmten Weg. Wie eine Erleuchtung war ihm eingefallen, auf welchem Wege er eine schreckliche Rache vollziehen konnte.

      Am Nachmittag erreichten sie den Bergzug, an dessen Rande Tarzan Numa, den Löwen, in seiner Höhle eingeschlossen hatte. Er führte den Gefangenen von oben her an den Rand der ausweglosen Schlucht, in deren Mitte der einzelne Baum stand. Sergeant Wolf wich entsetzt zurück.

      »Hinunterklettern!«, befahl Tarzan kurz und stieß seinen Gefangenen über den Rand des ersten Felsenbandes. Der Legionär flehte um sein Leben.

      Tarzan richtete sich hoch auf. »Ich bin Lord Greystoke«, sagte er. »Ihr habt meine Frau umgebracht dort unten im Lande der Waziri. Die Farm, die ihr überfielt, gehörte mir. Jetzt weißt du, warum ich kam, gerade dich zu holen. Los jetzt - hier hinunter!«

      Vor Furcht und Entsetzen zitternd schickte sich Wolf an, den gefährlichen Abstieg zu wagen. Tarzan begleitete ihn. Ein paarmal griff er zu und rettete den Mann vor dem sicheren Absturz. Wolf wunderte sich darüber und begann neue Hoffnung zu schöpfen. Wenn dieser schreckliche Riese ihn nicht abstürzen ließ, hatte er es vielleicht nicht auf sein Leben abgesehen?

      Kurz über der Sohle der Schlucht hielt Tarzan an. »Ganz ruhig jetzt, kein Wort«, flüsterte er. Mit der Hand deutete er hinunter zum anderen Ende der Schlucht, wo man den dunklen Eingang zur Höhle des Löwen sehen konnte. »Nun lauf um dein Leben!«

      Da ertönte vom anderen Ende der Schlucht her ein furchtbares Brüllen. Zugleich tauchte der abgemagerte Körper eines riesigen Löwen aus der Höhle auf, der in langen Sätzen herüberschoss.

      Tarzan kletterte langsam zum Felsen hinauf. Tief unter sich hörte er das Brüllen des Löwen. Ehe er den Schauplatz seiner grausigen Rache verließ, schaute Tarzan noch einmal zurück. Numa, der Löwe, stand unter dem Baum. Er brüllte nicht mehr - er hatte Lady Greystoke gerächt.

      Der Affenmensch erhob sein Gesicht zu Kudu, der Sonne, und stieß den Siegesruf des Affen-Bullen aus, der seinen Gegner überwältigt hat.

      Tarzans Rache war noch nicht vollendet. Noch lebten alle die Männer, die am Überfall auf seine Farm beteiligt waren. Sie alle hatten auch in irgendeiner Form teilgehabt an dem schrecklichen Tode, den seine geliebte Frau gestorben war. Ihrer aller Tod würde ihm nicht zurückgeben, was er verlor. Aber sein Herz würde erst wieder Ruhe finden, wenn die letzte dieser menschlichen Bestien tot zu seinen Füßen lag.

      Auf seinem weiteren Wege, der jetzt in nördlicher Richtung führte, kam Tarzan wieder näher an das Kampfgebiet heran. Die Buschräuber lieferten der Kolonial-Polizei, die nur über schwache Kräfte verfügte, ein hinhaltendes Gefecht. Bald hier, bald da tauchten die schwarzen Krieger des Generals Batuta auf und fügten der Polizeitruppe oft genug erhebliche Verluste zu.

      Oft musste Tarzan in einsamen Stunden an den Legionär denken, den er dem Löwen zum Fraß vorgeworfen hatte. War Wolf schon entkräftet vom Baum gefallen? Hatte er es vielleicht gewagt, zur Quelle zu hasten, um den brennenden Durst zu löschen? Numa, der Löwe, würde sich vielleicht in der Nacht in seinen Unterschlupf zurückziehen. War er rechtzeitig erschienen, um Wolf am Wasser zu überraschen? Mit diesen Gedankenbildern und Vorstellungen kostete Tarzan noch nachträglich seine Rache aus.

      Einige Tage jagte er in dieser Gegend. Aber er fand bald heraus, dass durch die Kampfhandlungen die meisten Tiere verscheucht worden waren. Deshalb beschloss er, etwas weiter fort zu ziehen.

      Dann jedoch ereignete sich etwas, was ihn seine Pläne ändern ließ. Beim Streifen durch den Busch entdeckte er die schrecklich zugerichteten Leichen einer Patrouille der Kolonial-Polizei. Die Männer mussten in einen Hinterhalt der Räuber geraten sein. Man hatte sie niedergemacht und mit Kolbenhieben entsetzlich entstellt. Nur die Uniformen verrieten noch, dass sie einer britischen Truppe angehört hatten.

      Bei diesem Anblick erinnerte sich Tarzan daran, dass er selbst Engländer war. Obwohl er sich vorgenommen hatte, aller Zivilisation und allen Weißen für immer den Rücken zu kehren, um wieder zum Dschungelmenschen zu werden, fühlte er sich diesen toten Männern in geheimnisvoller Weise verbunden.

      Dieses Erlebnis veranlasste ihn, sich noch weiterhin in der Nähe der kämpfenden Polizeitruppe und ihrer Gegner aufzuhalten. Ohne einen bestimmten Plan umschlich er nachts die verstreuten Lagerplätze der Buschräuber. Er beobachtete geheimnisvolle Menschenkarawanen. Es waren schwarze Träger, die kostbares Elfenbein transportierten. Die Krieger des Imad Batuta hielten immer noch erfolgreich die Polizei von den Schmuggelpfaden fern.

      Auf einem seiner Streifzüge kam Tarzan in der Nähe der Löwenhöhle vorbei und er beschloss, einmal nach Numa zu sehen. Am Vormittag dieses Tages überraschte er im Hügelland Bara, den Hirsch, der unter einem Busch friedlich schlief. Da er sich gerade hungrig fühlte, machte Tarzan ihm schnell den Garaus und begann sogleich seine Mahlzeit.

      Als er gerade die letzten Fleischfasern von einem Schenkelknochen abnagte, hörte er hinter sich leise Schritte. Herumfahrend sah er sich Dango, der Hyäne, gegenüber, die mit neidischen Blicken auf Tarzans reich gedeckte Tafel schielte.

      »Hau ab, du Aasfresser!«,