Alfred Bekker

Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018


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aus sie einige Augenblicke lang die Aussicht auf das Meer genoss. Es war ein wunderbares Panorama.

      Dann zog sie sich dann ein Hemd über und verließ das Schlafzimmer. Barfuß ging sie die Treppe hinab. Sie hörte Roberts Stimme, diese Stimme, nach deren Klang sie geradezu süchtig geworden war. Da gab es keine Entzugstherapie, die etwas dagegen tun konnte. Sie hätte es auch gar nicht gewollt.

      Er telefonierte gerade.

      Sie liebte den Klang dieser Stimme, so wie sie Robert liebte. Darin war sie sich absolut sicher.

      Sie hörte ihn sprechen.

      „Nein, das geht in Ordnung.“

      Sie hatte nicht die geringste Ahnung, worum es ging.

      „Bitte rufen Sie mich nicht mehr unter dieser Nummer an. Haben wir uns verstanden?“

      Auf dem Treppenabsatz blieb sie stehen. Sie konnte der Versuchung, zu lauschen, einfach nicht widerstehen.

      Ein wenig nur, dachte sie und hörte weiter zu.

      „Bilden Sie sich nur nichts ein!“, sagte Robert eisig, und sie erschrak, als seine Stimme diesen Klang bekam.

      Alles, was sie dann noch mitbekam, waren ein paar Fetzen, Wörter, die für Elsa nichts bedeuteten. Dann legte Robert auf.

      Er hatte mit seinem Gesprächspartner Deutsch gesprochen, das fiel ihr noch auf.

      Als sie weiter die Treppe hinunterkam, wirbelte er etwas überrascht - und wohl auch ärgerlich - herum.

      „Was machst du da?“

      „Nichts, ich...“

      Sein Gesicht entspannte sich wieder.

      „Schon gut“, meinte er.

      Einen Augenblick lang zweifelte sie daran, dass wirklich alles in Ordnung war.

      Robert war bereits vollständig angezogen und wohl auch schon geduscht. Er musste schon vor einer ganzen Weile aufgestanden sein, um... Ja, um was eigentlich?

      Vielleicht seine Geschäfte...

      Er nahm sie in den Arm.

      „Ich habe gar nicht bemerkt, dass du aufgestanden bist“, meinte sie.

      Er versuchte ein dünnes Lächeln.

      „Du hast noch so fest geschlafen“, meinte er. „Wie ein Murmeltier! Ich wollte dich nicht wecken!“

      „Das ist nett, aber du hättest es ruhig tun können!“

      „Weißt du, wie spät es ist, Elsa?“

      Sie schüttelte den Kopf.

      „Nein.“

      „Fast zwölf.“

      „Oh...“

      „Was soll's! Du machst Urlaub hier, du hast das Recht, lange zu schlafen! Aber ich muss für meinen Lebensunterhalt sorgen!“

      „Verstehe.“

      Sie verstand es nicht, aber das schien ihr im Moment nicht weiter wichtig zu sein.

      Plötzlich schlug er vor: „Wie wär's, wenn du deine Sachen aus dem Hotel holst! Oder willst du lieber weiter in diesem kalten, feuchten Zimmer ohne heißes Wasser wohnen?“

      „Nein“, murmelte sie nachdenklich.

      „Wenn du willst, kannst du eine Weile hier bleiben!“

      „Gut!“

      „Nachher fahren wir in die Stadt, um deine Sachen zu holen. Einverstanden?“

      Sie war einverstanden.

      „Ich weiß, es ist schon etwas spät dafür, aber... Soll ich uns etwas zum Frühstück machen?“

      „Danke, mir nicht! Geh in die Küche, da steht alles schon fertig auf dem Tisch. Kaffee ist auch noch da.“

      Bevor sie ging, war ein Mann eingetreten. Er war von draußen über die Terrasse gekommen, durch die Glastür, Es war ein Araber, so um die 50 und grauhaarig. Über den Lippen trug er einen buschigen, ebenfalls ergrauten Schnurrbart.

      Elsa erschrak im ersten Moment. Sie hatte den Mann nicht kommen hören, und nun war er auf einmal da, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht.

      „Das ist Aziz“, sagte Robert, als würde das irgend etwas erklären.

      Für Elsa erklärte es nicht allzuviel. Aber immerhin wusste sie jetzt, dass der Mann auf irgendeine Art und Weise hierher, in dieses Haus gehörte.

      Robert wechselte mit ihm ein paar Worte auf Arabisch. Dann verschwand Aziz auf demselben Weg, auf dem er so plötzlich ins Haus gekommen war.

      „Was macht er hier?“, fragte Elsa.

      „Aziz?“

      „Ja.“

      „Er kümmert sich um alles im Haus. Garten, Swimmingpool, Haushalt und so weiter. Seine Frau und seine beiden älteren Töchter kommen einmal die Woche zum Putzen.“

      Elsa schien wirklich erstaunt.

      „Du lebst hier wie ein Prinz“, meinte sie, und er lachte. Dann lachten sie beide.

      „Manche Dinge, die anderswo sehr teuer sind, sind hier ausgesprochen günstig“, sagte er. „Zum Beispiel die menschliche Arbeitskraft.“

      Nachdem Elsa etwas gefrühstückt hatte, nahmen sie den Landrover und fuhren nach Tanger, um Elsas Sachen aus dem Hotel Massilia zu holen.

      Es war nicht viel. Soviel, wie in eine Reisetasche eben passt.

      Sie verstauten die Sachen in den Landrover und schlenderten noch durch die Straßen.

      Jetzt fühlte Elsa sich fiel sicherer. Sie hakte sich bei Robert unter und wusste, dass ihr nichts geschehen konnte. Sie erinnerte sich an das, was eine Freundin ihr einmal gesagt hatte, die drei Semester Psychologie hinter sich gebracht hatte, bevor sie auf Theologie umgestiegen war. „Du hast eine klassische Angstneurose, Elsa“, hatte sie ihr gesagt. Wenn ihr jemand mit solchen Dingen kam, war sie sehr schnell taub, und sie konnte sich auch kaum noch an Einzelheiten aus dem Redeschwall erinnern, der dann gefolgt war.

      Eine graue Masse aus Fachwörtern. Hörte sich alles sehr gut an, war aber letztlich nur angelesen. Angstneurose...

      Elsa musste unwillkürlich lächeln, als sie daran dachte. Jetzt, in diesem Augenblick und an Roberts Arm konnte sie darüber lächeln - über Dinge, die ihr sonst den kalten Angstschweiß über den Rücken trieben.

      Die schwarzen Schatten der Depression, die ihrer Seele immer so empfindlich nahe gewesen waren, hatten sich verflüchtigt. Und ihre Ängste, von denen ein kleiner Teil ihres Inneren wusste, dass sie völlig unbegründet waren und die sie dennoch nie wirklich verlassen hatten - im Augenblick war von diesen unangenehmen, aber treuen Begleitern nirgends etwas zu sehen.

      Sie bummelten zusammen durch die engen Gassen der Altstadt und später saßen sie am Strand. Ein paar Jugendliche spielten dort Fußball. Zum Baden war der Atlantik noch zu kalt.

      Aber wenn auch das Wasser noch kalt war, die Sonne hatte bereits viel Kraft. 20 bis 25 fünfundzwanzig Grad erreichte sie leicht..

      Als sie schließlich Hunger bekamen, gingen sie ins Hotel MARCO POLO, um etwas zu essen. Ein großes, unübersehbares Schild verriet, dass das MARCO POLO „unter deutscher Leitung“ stand - was immer das auch zu bedeuten haben mochte. Man hatte es wohl hingeschrieben, um die wachsende Zahl deutscher Touristen anzulocken.

      „Ich bin hier schon vorbeigekommen“, erinnerte sich Elsa, als sie den üppigen Garten betraten, der das Gebäude umgab und den Gästen selbstverständlich zur Verfügung stand. Einige Bäume spendeten angenehmen Schatten.

      „Es sieht teuer aus“, meinte sie nachdenklich.

      Robert