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      „Ich habe keine Ahnung. Jedenfalls sprechen die Kellner allesamt Deutsch. Und zwar ziemlich gut!“ Sie bekamen Fensterplätze im Obergeschoss, von denen sie eine hervorragende Aussicht hatten. Elsas Blick fiel auf die Gleise, die zum nahen Bahnhof gingen. Dahinter lag das Meer.

      „Die Züge sehen ziemlich klapprig aus“, bemerkte sie. „Einige Wagen haben überhaupt keine Fenster.“ Ihr Gesicht wirkte nach innen gekehrt. „Ursprünglich hatte ich vor, mit dem Zug weiter ins Landesinnere zu fahren. Nach Casablanca.“

      „Da wollen viele hin“, meinte Robert wie beiläufig. „Hauptsächlich wohl wegen des Films.“

      Sie zuckte mit den Schultern.

      „Ja, kann schon sein.“

      „Bogart und Bergmann.“

      „Kennst du den Film?“

      „Wer kennt ihn nicht?“

      „Die Schlussszene... Die spielt auf einem Flughafen. Im Nebel... Humphrey trägt seinen berühmten Trenchcoat...“

      „Na und?“

      „Ich habe immer gedacht: Das ist doch Unfug! Völliger Unfug! Ich meine, der Film ist zwar im Atelier gedreht, aber ein bisschen muss er sich doch auch nach der Realität richten, oder etwa nicht?“

      „Und, tut er es denn nicht?“

      „Doch, aber ich kannte die Realität nicht! Ich dachte an Nordafrika als ein Gebiet, in dem die Sonne scheint und es sehr warm ist. Nicht an Nebel und eine kalte Nacht, in der man einen Mantel braucht, so wie Bogie in dem Film. Aber der Irrtum lag bei mir. Jetzt weiß ich, dass es auch hier Nebel gibt - und nicht nur in London!“

      „Casablanca ist nicht besonders zu empfehlen“, warf Robert ein.

      „Meinst du den Film oder die Stadt?“

      „Ich meinte jetzt die Stadt. Aber ich mag den Film auch nicht.“

      „Warum nicht?“

      Sie wechselten einen Blick miteinander, und zum ersten Mal schien ihm das unangenehm zu sein. Elsa hatte keine Ahnung, woran das lag.

      Er blickte zur Seite und wich ihr so aus.

      „Was willst du erst hören, meine Meinung zum Film oder zur Stadt?“

      „Erst die Stadt!“, verlangte Elsa.

      „Das große Erdbeben von 1750 hat das meiste vom wirklich alten Casablanca vernichtet. Heute ist es eine Großstadt wie viele. Kaum etwas, was man nicht auch anderswo findet.“

      „Und der Film?“

      In diesem Moment kam der Kellner an den Tisch. Er sprach tatsächlich hervorragend Deutsch.

      Robert bestellte für sie beide ein Mineralwasser, das den Namen „Sidi Harasem“ trug. Es stammte aus der Gegend und war weltberühmt.

      Und sie nahmen beide einen „salade nicoise“.

      „Deine Meinung zum Film, Robert!“, hakte Elsa nach, als der Kellner sich wieder entfernt hatte. „Warum magst du den Film nicht?“

      Er zuckte mit den Schultern. Sein Blick war nach innen gerichtet.

      „Es geht um einen Mann, der vorgibt, ein Zyniker zu sein, und der sich dann aber am Schluss als Idealist entpuppt. Solche Stories mag ich nicht.“

      „Warum nicht?“

      „Sie überzeugen mich einfach nicht. Diese wundersamen Wandlungen... Vom Saulus zum Paulus. Nein, ich kann das nicht nachvollziehen. Es stimmt einfach nicht! Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun, nicht das geringste!“

      „Muss es das denn?“

      Er zuckte mit den Schultern.

      „Ich weiß es nicht. Diese Sachen sind auch nicht mein Metier.“

      „Was ist dein Metier?“

      Sein Blick ging hinaus durch das Fensterglas. Dorthin, wo die Schienen lagen und die klapprigen Waggons ohne Fenster standen.

      Er sah ins Nichts. Elsa spürte, dass er mit den Gedanken sehr weit weg war. Sehr weit...

      Der Kellner brachte unterdessen das „Sidi Harasem“ und die Salate.

      Vor dem MARCO POLO hielt ein Taxi und drei Amerikaner stiegen aus, ein Mann und zwei Frauen.

      Elsa lachte unwillkürlich, als sie die drei aus dem Taxi steigen sah und als sie dann erschrocken die Hand vor den Mund nahm und sich umschaute, bemerkte sie, dass sie nicht die einzige war, bei der dieses Trio Heiterkeit auslöste.

      Selbst das sonst so betont zurückhaltende Hotelpersonal konnte ein gewisses Schmunzeln einfach nicht unterdrücken.

      Die drei sahen genauso aus, wie man sich typische Amerikaner in einer Karikatur vorstellt.

      Der Mann war farbig.

      In der Rechten trug er einen überdimensionalen Radiorecorder und auf dem Kopf einen riesigen, hellbeigen Cowboyhut. Das knallbunte Hawaihemd und die grellen Bermudas bissen sich farblich wie Hund und Katze.

      Aber das schien den Schwarzen nicht im geringsten zu stören. Er schien sich ohnehin nicht besonders um die Meinung irgendeines anderen Menschen zu scheren.

      Obwohl sein Radio abgeschaltet war, machte er bereits auf der Straße einen ziemlichen Krach. Er sprach so laut, als hätte er eine Rolle in einem Freilichtspiel und wäre gezwungen, gegen kräftigen Wind bis zu seinem Publikum hinüber zu schreien.

      Eine der beiden Frauen, die ihn begleiteten, war schlank. Gertenschlank, fast schon magersüchtig. Ihre Wangen waren hohl, das Kinn spitz - Ellbogen und Rippen vermutlich auch.

      Die andere war das genaue Gegenteil. Sie war klein und fett.

      Die Dünne war schwarz, die Dicke weiß.

      Es dauerte nicht lange, und das Trio tauchte an einem der Nachbartische auf. Robert und Elsa waren nicht die einzigen, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Alle Gespräche, auch unter den Angestellten, waren von einem Augenblick zum anderen verstummt.

      Der Mann fläzte sich auf den Stuhl, setzte den Radiorecorder auf dem Boden auf und legte den großen Cowboyhut auf den Tisch. Er war so riesig, dass er ein gutes Drittel der Tischplatte einnahm.

      „Hey, come here!“, rief er den Kellner heran. „I want spaghetti bolognese! Right now!“

      Die dicke Frau wollte ebenfalls Spaghetti.

      Die Dünne ein Stück Kuchen.

      Und dann doch lieber Spaghetti. Und nach vier Sekunden, als der Kellner bereits den halben Weg bis zur Bar zurückgelegt hatte, wurde er noch einmal zurückgepfiffen. Keine Spaghetti, sondern Kuchen.

      Als der arme Kellner bald darauf den Kuchen an den Tisch der drei brachte, durfte er ihn gleich wieder mitnehmen.

      Die Dünne wollte jetzt nur noch ein Mineralwasser.

      Die beiden anderen nahmen ihre Spaghetti in Empfang. Die Dicke schaufelte sich so viel hinein, dass ihr gleich wieder die Hälfte aus dem Mund fiel.

      Der Mann stocherte lustlos auf seinem Teller herum und schob ihn dann zur Seite. Und während der ganzen Zeit machten sie Witze über den Kellner. Die Augen der dicken Weißen wurden dabei so klein, dass man kaum erkennen konnte, ob sie offen oder geschlossen waren. Die der schwarzen Dünnen quollen dafür noch mehr aus ihren Höhlen heraus, als sie es ohnehin schon taten.

      Der Kellner wurde erneut herbeigerufen. Der Mann wollte jetzt ein Stück Kuchen und ein kühles Bier. Seine Spaghetti wurden abgeräumt.

      Das Bier und der Kuchen kamen bald darauf, aber er schlürfte nur das Bier. In zwei Zügen.

      Dann unterzog er den Kuchen einem äußerst kritischen Blick, verzog das