Alfred Bekker

Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018


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kannten sie sich gegenseitig kaum oder überhaupt nicht. Und vermutlich hatte auch kaum einer von ihnen einen Überblick über die Gäste.

      Robert grinste matt, als er sah, dass der Portier, der im Augenblick Dienst hatte, den Kopf auf den Tresen gelegt hatte und laut und vernehmlich schnarchte.

      Das ist es, was an diesem Hotel so liebenswert ist, dachte er nicht ohne Sarkasmus. Er ging an dem Schlafenden vorbei, ohne ihn zu wecken und ohne den Zimmerschlüssel zu hinterlegen. Einen Moment später befand er sich dann bereits draußen.

      Die Luft war jetzt besser und frischer als am Tag. Er atmete tief durch.

      Er schlenderte ein bisschen die Straße entlang, scheinbar ziellos. Er sah ein paar kleinere Geschäfte, die mit massiven Metallgittern verbarrikadiert waren. In einer Bar war noch Leben.

      Als Robert durch die Tür kam, musste er einigen schwankenden Gestalten ausweichen, die offensichtlich nicht mehr ganz Herr ihrer Bewegungen waren.

      In der Bar lief ein Fernseher mit dröhnender Lautstärke, obwohl niemand hinzusehen schien. Ein paar Männer konzentrierten sich auf ein gutes Dutzend bunter Kugeln, die auf einem Billardtisch hin und her schossen.

      Robert wandte sich an den Mann hinter dem Schanktisch, der große, hervorquellende Augen hatte und ziemlich müde wirkte. Robert fragte ihn nach einer Telefonzelle. Der Mann hinter dem Schanktisch wusste aber offensichtlich nicht Bescheid und wandte sich seinerseits an die Männer am Billardtisch. Die konnten Robert weiterhelfen.

      Wenig später war Robert wieder draußen auf der Straße. Die Beschreibung, die er bekommen hatte, war einigermaßen präzise, und so ging er eiligen Schrittes um eine Straßenecke und dann um noch eine, und dann war die Zelle zu sehen.

      Robert suchte seine Münzen zusammen, wählte eine Nummer und nahm den Hörer ans Ohr.

      „Mendez?“

      Eine kurze Pause.

      Dann: „Ich nenne Ihnen jetzt meinen Preis. Ich habe mir das Material genau angesehen, das mir Ihr Kurier übergeben hat. Die Sache ist machbar, aber nicht ganz billig.“

      „Wie viel?“, kam es knapp aus dem Hörer.

      „100 000. Das ist mein Preis.“

      Auf der anderen Seite der Leitung herrschte ein paar Augenblicke lang ein Schweigen, das unterschiedlich interpretiert werden konnte.

      „Ich schätze, Sie sprechen nicht von 100 000 Peseten!“

      „Nein, Schweizer Franken. Die Hälfte davon im voraus.“

      „Wie soll die Geldübergabe vonstatten gehen? Ich könnte sogar eine Barzahlung arrangieren. Ich habe eine schwarze Kasse...“

      „Nein, kein Interesse. Überweisen Sie die ersten 50 000 in den nächsten Tagen auf mein Konto in Zürich. Ich gebe Ihnen die Nummer gleich durch. Die zweite Hälfte ist dann bei Erledigung fällig.“

      „Sie verlangen ein hohes Maß an Vertrauen von mir, finden Sie nicht auch?“

      „So sind meine Geschäftsbedingungen. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, suchen Sie sich jemand anderen.“

      „Schon gut. Wann treten Sie in Aktion?“

      „Sobald Sie das Geld eingezahlt haben. Aber Sie sollten sich damit nicht allzuviel Zeit lassen.“

      „Gut. Ich werde das gleich morgen früh veranlassen. Geben Sie mir jetzt die Nummer durch!“

      Robert gab die Nummer durch und hängte dann den Hörer ein. Wenn alles gutging, würden sie nie wieder voneinander hören, er und Mendez. Robert trat aus der Telefonzelle heraus und atmete tief durch. Jetzt hieß es erst einmal abwarten, bis Mendez das Geld überwiesen hatte. Aber in der Zwischenzeit konnte er bereits ein paar Vorbereitungen treffen.

      7

      Elsa war mit dem Landrover nach Tanger gefahren.

      Eigentlich hatte sie nicht das geringste Verlangen danach, von Menschen umgeben zu sein. Im Geiste sah sie sich bereits von aggressiven Händlern und bettelnden Kindern umringt.

      Sie dachte kurz an das Erlebnis am Strand, als die drei Marokkaner es auf sie abgesehen hatten... Die Erinnerung genügte völlig, um ein Gefühl der Beklemmung in ihr auszulösen.

      Elsa hatte auch erwogen, gar nicht in die Stadt zu fahren, aber dann war ihr klargeworden, dass sie unbedingt fahren musste, schon um nicht völlig den Verstand zu verlieren.

      Der Pass, die Schminkutensilien, Robert...

      Alles drehte sich in ihrem Hirn wild durcheinander. Verzweifelt versuchte sie, einen Sinn in die Sache hineinzubringen. Aber wie sie es auch drehte und wendete: Was dabei herauskam, gefiel ihr nicht.

      Sie trat energisch auf das Gaspedal, und der Landrover fegte rasant durch die Kurve. Ein klappriger, uralter Citroen kam von vorne und musste ein paar Meter ausweichen. Der Fahrer hupte und zeigte ihr einen Vogel.

      Verdammt! Elsa ärgerte sich.

      Sie musste sich mehr auf den Verkehr konzentrieren. Sie durfte ihre Gedanken nicht einfach so davontreiben lassen.

      Geschäfte!, dachte sie bitter. Geschäfte, über die er nicht reden wollte! Was konnte dahinter stecken? Drogen? Irgendeine Scheußlichkeit?

      Vielleicht sollte ich ihn zur Rede stellen, wenn er wieder zurück ist, überlegte sie. Dann würde es sich ja herausstellen.

      Möglicherweise war alles ganz harmlos und es gab vernünftige Erklärungen für das, was Elsa jetzt noch schlaflose Nächte bereitete. Und wenn nicht? Elsa wagte nicht, daran zu denken.

      Unterdessen hatte sie die Stadt erreicht. Sie stellte den Landrover in einer Seitenstraße ab und stieg aus. Sorgfältig verschloss sie den Wagen.

      Als sie sich noch einmal umdrehte, sah sie ein paar Jungen, die sich um den Landrover geschart hatten.

      Sie stierten ihn an, als wäre er ein exotisches Tier. Wenig später erreichte Elsa eine der belebteren Geschäftsstraßen des modernen Tanger. Sie kam bei einem Zeitungsverkäufer vorbei und nahm ihm ein paar Blätter ab. Es gab sogar deutsche Zeitungen. Sie klemmte sie unter den Arm und bezahlte. Als sie ein paar Schritte weitergegangen war, trat ihr jemand in den Weg.

      Es war ein unrasierter, dunkelhaariger Mann mit schiefen gelben Zähnen und einem ziemlich abgewetzten Jackett. Dazu trug er Turnschuhe, die wohl irgendwann einmal weiß gewesen waren.

      Er fragte Elsa zuerst auf Französisch und dann auch sicherheitshalber auf Englisch, ob sie an Haschisch interessiert sei. Elsa verneinte.

      Nein, sie habe kein Interesse und wollte damit auch nichts zu tun haben. Sie versuchte, an ihm vorbeizugehen, aber er stellte sich ihr erneut in den Weg. Er sah sich kurz um und öffnete sein Jackett, um ihr sein Sortiment zu zeigen.

      „Are you interested?“

      „No!“

      Sie ging energisch an ihm vorbei und machte dann ein paar schnelle Schritte, ohne sich dabei umzudrehen. Hinter sich hörte sie, wie er ihr folgte. Er schien noch immer nicht aufgegeben zu haben.

      In einiger Entfernung sah sie dann einen Polizisten, der an seiner gebügelten Uniform