Edgar Rice Burroughs

TARZAN UND DIE AMEISENMENSCHEN


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Als die Wilde das Amphitheater betrat, richteten sich aller Augen auf sie, denn man hatte sie längst kommen hören. Wie sie nun mit ihrer Bürde hereinkam, standen einige hastig auf und gingen ihr entgegen. Sämtliche Weiber glichen in Wuchs und Tracht der mit Tarzan zurückgekommenen, wenngleich sie in Größe und Gesichtsausdruck. »ebenso verschieden waren wie die Angehörigen anderer Rassen untereinander.

      Keine von ihnen sprach oder ließ auch nur einen Laut hören, während die Heimgekehrte geradewegs auf einen der Höhleneingänge zuging, aber Wara schwang wild ihre Keule hin und her und behielt jede Bewegung ihrer Gefährtinnen mit mürrischer Miene im Auge.

      Sie war der Höhle schon ganz nahe, als eine, die hinter ihr herkam, dazu sprang und nach Tarzan griff. Flink wie eine Katze ließ die Angegriffene ihre Beute fallen, warf sich auf die unbesonnene Gegnerin und streckte sie blitzschnell durch einen wuchtigen Keulenschlag auf den Kopf zu Boden. Dann stellte sie sich breitbeinig über Tarzans hingestreckte Gestalt und stierte um sich wie eine von den Jägern gestellte Löwin, mit der stummen Frage, wer zunächst Lust hätte, ihr die Beute zu nehmen. Aber die anderen schlichen in ihre Höhlen zurück und ließen die Besiegte bewusstlos im heißen Sande liegen. Die Siegerin Wara packte ihre Bürde wieder auf, die ihr nunmehr keine mehr streitig machte, ging in ihre Höhle und warf dort den Affenmenschen ohne weitere Umstände im Schatten des Eingangsstollens auf den Boden. Mit dem Gesicht nach draußen, um vor Überraschung durch die andern sicher zu sein, hockte sie sich neben ihren Fund nieder und begann ihn genau zu untersuchen. Tarzans Kleidung erregte erst ihre Neugierde, dann ihren Unwillen, denn sie begann alsbald ihn ihrer zu entledigen. Da sie mit Knöpfen und Schnallen nicht Bescheid wusste, riss sie die Kleider einfach mit Gewalt herunter. Die festen Lederschuhe machten ihr einen Augenblick Mühe, aber schließlich gaben auch deren Säume ihren kräftigen Muskeln nach.

      Nur das diamantbesetzte goldene Anhängsel, das von Tarzans Mutter stammte, ließ sie unangerührt an der goldenen Kette um seinen Hals hängen.

      Einige Zeit lang betrachtete ihn Wara, dann stand sie auf, nahm ihn wieder auf die Schulter und schritt nach der Mitte des Amphitheaters, dessen größter Teil mit niedrigen Gebäuden bedeckt war. Diese waren aus flach aufeinandergelegten Steinen errichtet, die die Wände bildeten, über die riesige flache Steine als Dächer gelegt waren. Die einzelnen Bauten waren mit den Enden so aneinandergereiht, dass sie ein Oval mit einem großen freien Platz in der Mitte bildeten.

      Die verschiedenen Ausgänge der Gebäude nach außen waren mit doppelten Steinplatten so verschlossen, dass eine aufrechte Platte die Öffnung verdeckte, während eine zweite, von außen dagegengestemmt, die erste gegen Aufdrücken von innen sicherte.

      Zu einer dieser Türen schleppte das Weib den bewusstlosen Gefangenen, legte ihn auf den Boden und entfernte die Platten. Dann schleifte es ihn in das finstere Innere hinein, legte ihn wieder nieder und klatschte dreimal scharf in die Hände. Darauf schlichen sich sechs oder sieben Kinder beiderlei Geschlechts im Alter von etwa einem Jahre bis zu sechzehn, siebzehn in den Raum. Selbst das kleinste davon lief schon mit Leichtigkeit und konnte so gut für sich sorgen wie die Jungen der meisten Tiergattungen in diesem Alter. Die Mädchen, selbst die jüngsten, waren samt und sonders mit Keulen bewaffnet, aber die Knaben trugen weder Angriffs- noch Verteidigungswaffen. Als sie kamen, deutete das Weib auf Tarzan, schlug sich mit der geballten Faust vor den Kopf und wies dann mehrere Mal auf sich selbst, indem es mit dem schwieligen Daumen seine eigene Brust berührte. Nach einigen weiteren Bewegungen mit den Händen, die so ausdrucksvoll waren, dass jeder ihren Sinn verstehen musste, wandte sich Wara, das Höhlenweib, um, ging hinaus und legte die Steine wieder vor. Dann schlich sie zu ihrer Höhle zurück, ohne die eben niedergeschlagene Gegnerin Urgo zu beachten, die allmählich wieder zur Besinnung kam.

      Die Siegerin von vorhin hatte kaum ihren Platz am Höhlengang eingenommen, als sich die andere aufrichtete, sich einige Zeit den Kopf rieb und sich nach einigem verständnislosen Umherschauen, wenn auch wankend, aufraffte. Nur ein paar Augenblicke schwankte sie hin und her, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt und ging nach einem bösen Streifblick auf ihre Gegnerin zu ihrer eigenen Höhle. Ehe sie diese aber erreicht hatte, wurde ihre Aufmerksamkeit wie die aller übrigen draußen Befindlichen durch das Geräusch herannahender Schritte gefesselt. Sie hielt an, spitzte ihre großen Ohren und blickte lauschend nach dem Pfade, der vom Tale heraufführte. Einen Augenblick später erschien eine andere Stammesgefährtin an der Einmündung des Pfades in das Amphitheater. Anga, die Neugekommene, war riesengroß, noch viel größer als jene, die den Affen-Tarzan gefangen hatte, und viel breiter und wuchtiger. Auf der einen Schulter trug sie eine erlegte Antilope, auf der anderen ein Wesen, halb Mensch, halb Tier, sicher aber weder das eine noch das andere.

      Die Antilope war tot, das andere Geschöpf aber nicht. Es zappelte noch schwach - Sträuben konnte man seine schwächlichen Bewegungen kaum nennen - als es so über die nackte braune Schulter der Amazone hing, und seine Glieder baumelten vor halber Bewusstlosigkeit oder aus Angst schlaff hin und her.

      Das Weib Wara, das Tarzan in das Amphitheater geschleppt hatte, erhob sich und stand vor dem Eingang zu seiner Höhle. Auch Urgo, die zweite, erhob sich, wie alle anderen nicht minder, und alle starrten auf Anga, die gleichmütig mit ihrer Bürde dahinschritt, aber die Augen aufmerksam über die drohenden Gestalten der andern gleiten ließ. Sie war in der Tat eine Riesin, diese dritte, darum standen die andern eine Zeitlang still und starrten ihr nur nach, bis auf einmal Wara einen Schritt vortrat und ihrer ersten Widersacherin, der Urgo, einen langen Blick zuwarf, dann tat sie einen weiteren Schritt, sah wieder nach Urgo und deutete erst auf sich selbst, dann auf Urgo und zuletzt auf Anga, die nunmehr ihre Schritte in der Richtung auf ihre Höhle zu beeilen begann, denn die drohende Haltung Waras war nicht misszuverstehen. Auch Urgo verstand sie und rückte schon mit Wara zusammen vor. Kein Wort fiel, kein Laut entfloh den grimmen Lippen, denen Lächeln wie Lachen gleich fremd war.

      Als die beiden Anga auf den Leib rückten, ließ diese ihre doppelte Beute zu Boden sinken und nahm mit der Keule in der Hand eine Verteidigungsstellung ein. Die andern zwei gingen mit geschwungenen Knütteln auf sie los. Die übrigen Weiber sahen untätig zu, wohl weil irgendein alter Brauch des Stammes die Zahl der erlaubten Angreifer nach dem Umfang der Beute bemaß, die streitig gemacht wurde. Auch als die Wara zuvor von Urgo angegriffen worden war, hatten sich alle übrigen zurückgehalten, sobald diese eine sich zum Kampfe um den Besitz von Tarzans Person vorgedrängt hatte. Diesmal aber traten zwei vor, da Anga doppelte Beute mit heimgebracht hatte.

      Beim Aufeinanderstürzen der drei Weiber schien die Niederlage der Angegriffenen unvermeidlich, aber sie wehrte die Keulenschläge mit der Gewandtheit eines geübten Kämpfers ab, drängte sich durch die Deckung der ersten Gegnerin Wara und streckte sie mit einem furchtbaren Schlag auf den Kopf leblos auf den Boden. Anga gedachte nunmehr ihre ungeteilte Aufmerksamkeit der zweiten zuzuwenden, aber Urgo hatte angesichts des Schicksals ihrer Gefährtin keine Lust zu weiterem Kampfe, sie riss aus und flüchtete in der Richtung auf ihre Höhle zu. Inzwischen dachte wohl das Geschöpf, das die neue Siegerin zusammen mit der Antilope heimgebracht hatte, eine Gelegenheit zum Entkommen zu haben, solange seine Häscherin mit ihren zwei Gegnern beschäftigt war, und schlich sich in entgegengesetzter Richtung davon. Hätte der Kampf nur etwas länger gedauert, so wäre ihm das auch gelungen. Aber Geschicklichkeit und Wut Angas hatten den Kampf in wenigen Augenblicken beendet. Als sich Anga umdrehte, fand sie ihre lebende Beute am Entkommen und eilte dahinter her. Da sprang Urgo wieder herzu und suchte nun die Antilope zu fassen, während der Flüchtling, statt weiterzuschleichen, jetzt wie ein Pfeil nach dem Ausgang des Amphitheaters auf den Pfad zu rannte.

      Jetzt konnte man sehen, dass es ein Mann, oder richtiger ein Männchen war, das zweifellos zur gleichen Rasse wie die Weiber gehörte, obgleich es kleiner und viel zierlicher gebaut war. Es trug nur wenige spärliche Haare an Lippe und Kinn, hatte eine noch viel flachere Stirn als die Weiber und eng zusammenstehende Augen. Seine Beine waren aber viel länger und schlanker als die mehr auf Kraft als auf Flinkheit gebauten der Weiber. So war es denn auch von Anfang an nicht zweifelhaft, dass Anga keine Aussicht hatte, den Fliehenden einzuholen. Als die Verfolgerin sah, dass ihr die Beute entkam, zeigte sich der Zweck des Steinbehangs. Sie machte eine der Lederschlaufen vom Gürtel los, fasste das Riemenende mit Daumen und Zeigefinger, ließ den federgeschmückten Stein erst im Kreise sausen und dann fliegen. Pfeilgeschwind pfiff das Wurfgeschoss, ein Kieselstein von Walnussgroße,