S.A. Michael

Charmante Tribune küsst man nicht


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hob der Senator seine Hände. Fulvio durchschaute jedoch sein Theaterstück, dass er hier am Fuße des Tempel des Apolls produzierte. Pulcher hatte zwei Gesichter, wobei ein noch gefährlicheres Raubtier tief in seine Inneren tobte.

      Fulvio trat zurück. „Wie ich schon erklärt habe, werde ich diesen Auftrag überdenken, und dir morgen eine Botschaft schicken, ob ich mit dabei bin, oder nicht.“

      „Was gibt es da noch zu bedenken?“, fauchte Pulcher giftig. Er duldete kein „Nein“. Das war zu offensichtlich. Fulvio schnaufte aus. Die Zerreißprobe seiner Nerven nahmen ein neues Ausmaß an.

      „Jede Menge. Ihr wollt Augustus ans Leder. Die Sicherheit ist das eine. Er ist paranoid, was Anschläge angeht, und wie ich das sehe, braucht ihr jemand für`s Grobe, damit ihr eure adligen Krallen aus der Schlinge heraushalten könnt und nicht als Verräter entlarvt werdet. Es ist eine größere Operation, und du hast sie

      anscheinend bis in das kleinste Detail ausgetüftelt wurde. Dennoch besteht die Gefahr, in die Schwerter der Prätorianer, oder seiner germanischen Leibwache, zu stolpern. Deswegen, und verzeih mir, wenn ich dir jetzt diese Worte sage, ist es nicht verwunderlich, wenn ich mich noch etwas sträube, und mir deinen Vorschlag genaustens überlege, ehe ich zustimme, um nicht in das Maul der Bestie zurennen und von ihr verschlungen werden. Was ich nun möchte, ist nur eine kurze Bedenkzeit, denn es ist mein Leben, um das es geht.“ Fulvio stemmte seine Fäuste in die Hüfte. Egal, wie er es sah, er hatte überzeugende Argumente geliefert und keine Lust mehr, mit dem Senator zu diskutieren. Dieser starrte ihn an. Er musste einlenken. Fulvio war ein freier Bürger, und kein Sklave, dem man einen Mord befehlen kann.

      „Na gut. Sei es drum. Ich gebe dir deine Bedenkzeit. Wir treffen uns morgen zur gleichen Zeit wieder. Du wirst es auch nicht bereuen. Glaub mir.“ Erneut erfasste ihn ein Schauer. Seine Stimme beunruhigte ihn. Sanft und lauernd, wie ein garstiges Ungeheuer, dass sich in ihm Nacken saß.

      Heimlich schaute er sich um. Falco war nun wirklich kein Hindernis. Der fette, wabblige Kerl war bei weitem kein Held. Eher ein Feigling, der sich bei der geringsten Bewegung in deine Unterhose machte, sollte er eine anhaben. Der Wirt machte nur seine widerwärtige Schnauzte auf, wenn er im Rücken einen Dominus hatte, der ihn deckte, und ihn nicht im geringsten gefährlich, oder gar umbringen würde.

      Bei den beiden Leibwächter des Falco sah es anders aus. Sie waren von einem ganz anderes Kaliber.

      Er musste aufpassen, und freundlich lächelte er sie an. Seine Gedanken füllten sich mit Fluchtpläne, und als erstes durchdachte er seinen Rückzug. Schaute der Bestie in sein furchteinflößendes Maul, und seine garstigen Zähne wurden größer und größer. Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit brach durch und erfüllte seine Sinne.

      „Sicher, warum soll ich an deiner Ehrlichkeit zweifeln? Mein Preis erhöht sich jedoch hinsichtlich deiner Unternehmung. Immerhin willst du etwas Ungeheuerliches tun. So ist es nur logisch, dass ich mir auch ein größeres Stück vom Kuchen abschneide. Oder, wie würdest du es sehen?“

      „Gerissen.“

      „Jeder riskiert hier seine Spiele in dieser Posse. Glaub mir. Ich mache mich auf den Weg. Man sieht sich dann morgen.“ Es war leicht zu lügen. Fulvio war überrascht, wie leicht ihm diese Worte über die Lippen gingen. Schließlich hatte er jahrelange Übung darin. Leicht drehte er sich um. Sein Weg war lang und nichts war gefährlicher, als Rom bei Nacht. Er musste von diesem Ort verschwinden. Zum Abschied hob er seine Hand. Falco hatte sich zu seinem Boss gesellt, als der Optio hinter der Ecke zum Forum verschwand und sah seinen neuen Herren begierig an.

      „Was hältst du davon?“, fragte Pulcher nachdenklich. Fulvio war für seine Verhältnisse ruhig gewesen. Zu ruhig fand der fette Wirt. Seine Gedanken konnte er nur erahnen. Gut waren sie nicht. Eher düster und grausam.

      „Er wird kneifen. Normalerweise ist er sehr umgänglich und schnell zu begeistern. Sein jetziges Verhalten war mir neu.“

      Pulcher dachte nach. Es war eine Schnapsidee gewesen, die ihm der fette Kerl unter die Nase gerieben hatte. Einen Außenstehenden mit hinzuzuziehen, von dem man nicht weiß, und ihm auf keine Weise erpressen kann. Darauf hätte er nie einsteigen sollen.

      Fulvio war ein Mysterium. Ein Schatten, den man nicht fassen kann. Nicht greifbar.

      Pulcher wusste nur eins. Fulvio war früher bei den Truppen gewesen. Die Spur seiner Existenz verlor sich in den Jahren. War er desertiert? Wie war sein richtiger Name? Woher kam er? Fragen, auf die er keine Antwort fand, noch je welche finden würde, egal, wie oft er auch nachstocherte, oder wie viele er bestechen müsste, um seine Geheimnisse in Erfahrung zu bringen.

      Pulcher überkam die überwältigende Angst. Falco hatte recht. Der ehemalige Optio wollte wie ein Feigling kneifen. Einen Rückzieher machen. Seine Befürchtung des Verrats stieg in ihm hoch. Was wäre, wenn er eine Möglichkeit fand, Augustus und seiner loyalen Brut eine Nachricht zukommen zulasse? Seine Anstrengungen wären umsonst gewesen. Er verschwand in dem Loch unterhalb des Carcer im Tullianum, genau da, wo auch die Verschwörer des Catilina eingesperrt waren und auf Befehl des Cicero erdrosselt worden. Wollte er so in das Gras beißen? Er liebte seine Macht zu sehr, und sein Vermögen. Der Posten des Konsuls war erstrebenswerter, als die stinkende Kloake in der Nähe des Tempels von Mars-Ultor.

      Nachdenklich tippte er mit seinem Finger an die Lippe. Dieser hirnverbrannte Idiot kannte seine Plane und sein Gesicht. Die anderen blieben im Dunklen. Er hatte nur die vier Ankömmlinge gesehen.

      „Wird er uns verraten?“, flüsterte er leise und schaute zum Tempel hinauf. Die Säulen hatten sich trotz seines Alters sehr gut gehalten. Staatssklaven kümmerten sich tagtäglich um das Wohlergehen der staatlichen Gebäude und schützten sie vor dem Verfall. Seine Gedanken schweiften ab. Vielleicht sollte er sich nach einem geeignetem Versteck um sehen, das keiner kannte, um im Notfall zurück zu schlagen.

      „Das kann man nicht wissen. Er bindet sich noch heute an den Eid der Standarten.“

      „Hmmm,“ grummelte Pulcher tief. Er hätte nie auf diesen Menschen hören sollen. Einen Fehler, denn er nicht noch einmal machen würde. Er beschloss, die Sache in seine eigene Hand zu nehmen, und dieser Widerling sollte ihm dabei helfen. Pech, wenn sie ihn erwischten. Er wusste, dass er heil herauskommen würde.

      „Na gut. Der Typ muss weg“, entschloss er sich. „Verfolgt ihn und lasst es wie einen Unfall aussehen. Sollte er etwas bei sich tragen, bringt es mir. So kann ich mir sicher sein, dass nichts auf mich deutet. Alles Klar?“ Seine beiden Schläger nickten.

      „Dann los“, befahl er harsch.

      Kapitel II

      Warum war er nur dahingegangen?

      Fulvio verfluchte sich für seine Dämlichkeit, und der kleine Mann in seinem Kopf tobte und schellte ihn einen Trottel auf unerträgliche Weise. Aber woher sollte er den Schwachsinn im Voraus wissen? Ihn erahnen? Insbesondere dann, wenn diese Schlange im Hintergrund herumwuselte, und versuchte, ihn in den Abgrund zu reißen, ohne irgendein Erbamen zu zeigen.

      Er stand mit dem Rücken an der Wand und musste schnellsten verschwinden. Die Stufen zum Aventin nahm er recht schnell. Wenn es die Stufen zuließen, auch zwei auf einmal. Die Dunkelheit riet ihn zur Vorsicht. Kleine Steinchen, die von dem scharfkantigen Fels abgebrochen waren, lagen auf der kalten Treppe und lauerten auf den Unvorsichtigen, um ihn zu Fall zu bringen. Besonders lustig wurde es, wenn sich Touristen oberhalb auf der Plattform versammelten, um auch den kleinsten Blick auf die Stadt zu erhaschen und versuchten, sich nicht an irgendwelche Anweisungen des diensthabenden Personals zu halten. Prügelnde Geschehnisse, die schnell zum Publikumsmagnet mutierten und belustigend auf die Massen der Städter außerhalb der Arena wirkten. Weiter unten ein verstecktes Örtchen in den Hecken. Ein ganz besonderes Plätzchen zum Vögeln. Fulvio bezweifelte die Annehmlichkeiten jenes Quartiers, die dieser Ort hergab. Spitze Steine, lose Erde und die patrolierenden Herden weiter oben versaute sowieso jedes Tätatä, dass, wenn einmal der Steinschlag losgetreten wurde, über den Hang nach unten polterte