S.A. Michael

Charmante Tribune küsst man nicht


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wusste. Musa musste aus seinem zornigen Umfeld heraus. Eigentlich wollte er gehen, doch sein heimliches, verliebtes Gewissen hielt ihn zurück. Sie hatte seine Vernarrtheit noch nicht bemerkt. Er hielt es eisern geheim. Selbst vor ihr.

      Titus rappelte sich auf, glich einem Käfer. Schnaufte, schniefte rasend, außer sich vor brennender Wut wie ein brunftiger Bulle, der in diesem Moment kastriert worden war. Die Masse um ihn herum grölte. Das Gesinde vor den Schänken hatten ihren Spaß und jubelten der zornigen Amazone beifallklatschend zu. Den Kampf hatte sie für sich entschieden. Der Bäcker nahm seine Schmach nicht hin. Von ihr, einer Frau geschlagen worden zu sein, war für ihn nicht akzeptabel, und, wie ein blutrünstiger Minotaurus, stürmte er los.

      Musa drehte sich mit weit geöffneten Augen um, prallte gegen die breite Brust des Optio. Sie erschrak. Er zog sie hinter sich und stellte sich schützend vor sie. Titus wollte jedoch nicht auf diese drohende Geste hören und riskierte seinen schwachen Schlag. Nicht gerade klug. Selbst Festus, der hiesige Bandenchefs des oberen Viertel, war nicht so lebensmüde und legte sich mit Fulvio an, wusste er doch, wie erbarmungslos und gnadenlos er reagieren konnte, wenn es um sein eigenes Leben und das eines ihm wichtigen Menschen ging. Er sah den Schlag kommen, grinste hinterhältig und pfiff belustigend durch seine Zähne.

      Der Weinkonsums des Bäckers war legendär. Er schwankte. Verlor sein Gleichgewicht und stolperte über einen Stein, der schräg vor ihm aus dem Erdboden ragte. Fulvio wich zur Seite aus. Der Bäcker verfehlte den Schlag und prallte mit seiner Hüfte gegen die Tischkante eines seiner wurmstichigen und knarrenden Tische.

      Laut schrie er auf. Dieser Schrei hallte in der geräuschvollen Nacht wieder. Für ihn nicht gerade förderlich war. Am nächsten Morgen war er dem Spott seiner Nachbarn ausgeliefert. Nun wollte er sich auch noch mit dem Killer um eine Frau balgen. Der total betrunkene Bäcker war sich dessen nicht bewusst, und wäre Fulvio missgelaunt und nachtragend, was er selten war, würde er den Bäcker in dieser Nacht besuchen. In sein Zimmer oberhalb seiner Ladens und ihn mit einem Kissen ersticken.

      Fulvio hielt inne. Für diesen Arsch reichte diese Abreibung, und er würde sich winselnd winden. Sich wie ein feiger Hund in seine Hütte verziehen.

      Musa hielt sich die Hand vor den Mund. Sie wollte nicht aufschreien. Der Laut starb in ihrer Kehle. Leicht raschelte ihre Stola an ihrem Körper in dem nächtlichen Abendwind. Gaben ein wenig von ihrer Hüfte preis, und die Fackel an der Wand des Geschäfts spiegelte ihr Entsetzen wieder. Sie griff nach der Faust ihres Beschützers und hielt ihn im letzten Moment zurück.

      „Halt“, sagte sie leise und zog Fulvio mit sich. „Das ist er nicht wert. Soll ihn doch der Orkus holen, und ihn in seiner eigenen Scheiße ertränken. Er ist einfach nur fett und läufig, wie der räudige Straßenköter der alten Babala.“

      „Schlampe!“ Titus gab nicht auf, funkelte Musa tollkühn an. Er gab nicht auf. Fulvio fasste ihn an den Kragen und drehte seinen rechten Arm, der auf Musa zuschoss, hart auf den Rücken. Laut knackten seinen Gelenken, und hätte er ihn weitergedreht, würde diese Made nicht mal mehr in der Lage sein, sich selbst zu befriedigen. Er hätte ihn gebrochen. Fulvio grinste bei diesem Gedanken. Diesem Vergnügen wollte er ihn nun wirklich nicht berauben.

      Lässig hob er ihn hoch und zog den Bäcker an sich heran. Fulvio schmunzelte. Titus wand sich unter seinem Griff, wie ein schwaches Reh, schwächelte bei jedem seiner Versuche, sich doch noch aus seinem Griff zu befreien. Trotzig folgte er den Schritten des Optios, fluchte, als er ihn hart gegen die Mauer drückte. Atmete den feinen Staub ein, der von der Wand bröckelte, hustete auf und röchelte vor sich hin.

      „Musa möchte nicht, dass du sie andauernd angräbst und begrabschst. Sie ist nämlich eine ehrbare Frau. Nicht auf so einen verlotterten und versoffenen Typ, wie du einer bist, angewiesen. Steck dein Würmchen, oder was auch immer zwischen deinen fetten Schenkel baumelt, in eins der ehrlosen Flittchen, welche das interessiert und wirklich mit dir vögeln will, um sich bei dir etwas wegzuholen. Nur weil Musa allein und verwitwet ist, heißt das für dich noch lange nicht, dass sie Freiwild für dich ist, und du sie bedrängen darfst. Sie hat Freunde, und ich bin einer davon. Also, sehe ich dich noch einmal in ihrer Nähe, reiße ich dir dein Dingelingding ab. Klar?“, fragte Fulvio und schlug ihn zweimal auf seine Wange. „Gib mir zu verstehen, wenn du das kapiert hast?“

      Ein schwaches „Hmmm“ drang über die Lippen des Bäckers. Warum glaubte er ihm nicht? Fulvio meinte es aber ernst und boxte ihn zur Verständigung noch einmal in den Magen. Titus verzerrte sein Gesicht. Sein Magen rebellierte unter diesem Schlag.

      „Wenn du mich voll kotzt, schlage ich dich windelweich. Dann müssen deine Kunden auf deine zähen Brötchen warten, während du dich auf deinem Krankenlager erholst. Eigentlich wäre es kein Verlust. Es gibt bessere Mehlwürmer“, drohte er ihm

      zischend.

      Titus kapitulierte. Es half nicht, wenn er sich weiterhin wehrte. Fulvio übte Druck aus. Wenn er wollte. Das Häufchen Elend hatte er jedenfalls gebrochen.

      Fulvio ließ von ihm ab. Warum sollte er sich noch mit dieser Sülznase abgeben?

      Die Zuschauer verloren das Interesse an der Show. Nicht einmal richtig Blut war geflossen. Gelangweilt über den Ausgang des Kampfes, der nach ihren Wünschen viel zu harmlos war, wanden sie sich wieder ihren eigentlich hirnlosen Unternehmungen zu. Der Bäcker war zum Spott freigegeben und es würde lange dauern, eh sie seine Niederlage vergaßen.

      Musa zog Fulvio mit sich. Erleichtert atmete sie auf. Sie hatte immer noch riesige Angst und zitterte am ganzen Leib, und er nahm sie sanft in seine großen, starken Arme.

      „Alles wird wieder gut. Diese Ratte wird dich nie wieder belästigen. Wenn doch, werde ich dir helfen und ihn besuchen.“

      Musa schmunzelte keck auf. Dieses fordernde Lächeln kannte er nur zu gut.

      „Es wäre auch für mich von Vorteil, wenn du mir einige Kniffe beibringen könntest. So kann ich mich im Notfall verteidigen, wenn mir das nächste Mal ein Schleimbeutel an die Wäsche gehen will, und ich kann demjenigen kräftig in die Eier treten.“

      „Das wäre aber nicht besonders klug.“ Was dachte sie sich dabei. Ihre rabiate Art konnte auch in die Hose gehen, und sie würde sich dadurch in Gefahr bringen.

      „Na, und wenn schon. Seit dem Tod meines Mannes habe ich gelernt, wie man in diesem Dschungel überlebt, und auch als Frau das erreichen kann, was man sich in den Kopf gesetzte hat. Trotz der gesellschaftlichen Konventionen männlicher Eitelkeit. Mein Vater ist meiner Meinung und unterstützt mich, wo er auch immer kann.“ Das tat nicht jeder Patriarch. Seiner Tochter bei ihrer geschäftlichen Unternehmung zu helfen.

      Fulvio bewunderte Musa für ihre Courage. Sie war ein Mädchen nach seinem Geschmack. Selbstbewusst, unabhängig und nicht auf den Kopf gefallen. Sie stellte für ihn eine Herausforderung dar, und um sie besser kennen zulernen, wollte er sie trainieren. Wenn er sich auch sonst nicht traute, sie anzusprechen.

      „Deine Meinung ist ja ziemlich hart“, faxte er, welches er im gleichen Moment auch schon wieder bereute. Diese Worte hätte er doch lieber für sich behalten.

      Musa taute auf. Sie hatte den anfänglichen Schock überwunden und funkelte ihn wütend an. Blitzte mit ihren Augen und versuchte, mit ihrem Blick, ihm das Furchten zu lehren.

      „Nur, weil ich niedlich und süß bin, heißt das noch lange nicht, dass ich ungebildet und dumm bin, wie so viele anderen Tussen hier auf dem Aventin. Ich kann lesen und schreiben und interessiere mich sogar für alles, was in der Welt passiert. Nicht zu glauben. Oder was?“

      Fulvio schluckte. Er wagte nicht, auch noch einen Ton zu diesem offensichtlich heiklen Thema zusagen. Offensichtlich hatte er bei Musa einen wunden Punkt getroffen und erwartete den alles vernichtenden Nachschlag.

      Stattdessen räusperte sie sich, trat in die Mitte der Strasse und reichte ihm ihre zierliche Hand. Sie war ein Rätsel und das galt es zu lösen. Schließlich war er ihr zur Hilfe geeilt, und offenbar empfand sie genau so wie er.

      „Danke“, flüsterte sie. „Manchmal sag ich einfach Dinge, die unpassend sind.“

      Der