S.A. Michael

Charmante Tribune küsst man nicht


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denn diese Kleine bedeutete ihm etwas. Sie arbeitete als Schankmädchen, und er teilte sie nicht mit einem der vielen Perverslinge. Sie war für seine Bedürfnisse bestimmt, die er Nacht für Nacht einforderte.

      Da er sie herausgeschmissen hatte, goss er eigenständig den Saft in die Gläser. Pulcher beobachtete ihn immer noch garstig und entriss ihm eins der Silberbecher aus seinen Händen. Kippte hastig das Zeug hinunter, wischte sich die Tropfen, die von seinem Kinn hinunterliefen, mit dem der Zipfel seiner Toga vom Mund und versuchte sich langsam zu beruhigen. Seine Ziele waren zu ehrgeizig. Hätte er auch nur im Ansatz gewusst, wie Fulvio draufgewesen war, hätte er Falco nie erlaubt, ihn anzusprechen. Das hätte ihm diesen Ärger erspart. Der Tod des Sklaven war Falcos Verlust. Nicht der seine. Falco beobachtete unterdessen seinen Herren und fragte sich, was in seinem Kopf vor sich ging. Noch mehr Verluste an seiner Ware bedeutete seinen Ruin. Er musste sich also schnellsten etwas anderes überlegen.

      „Vergebung. Niemand konnte diesen Ausgang vorhersehen.“

      „Hmmm...“, brummte er und betrachtete das schäbige Hinterzimmer. Falco nutze den Raum als Büro. Wurmstichige Tische, alte Regale, die nun wirklich nicht zueinander passten, irgendwelche Truhen, dessen Alter man aufgrund seines angestaubten Pelzes nicht mehr bestimmen konnte, das durchgelegenes Bett, auf dem der ramponierte Sklave wie eine abgestochene Sau lag und vor sich her tropfte. Wieviel seiner hässlichen Schlampen er hier einreiten ließ, konnte sich Pulcher nur denken. Ihm fröstelte.

      Bei Falcos Läufigkeit war sowieso eine neue Matratze nötig. Sie stank schon auf drei Meter. Angewidert rümpfte die Nase und versuchte, sich einen neuen Plan zu ausdenken. Er konnte es sich einfach nicht leisten, einen anderen einzuweihen. Die Zeit wurde einfach zu knapp. Der andere Plan musste greifen, wenn er je den versprochenen Posten des Augustus erhaschen wollte. Die Gunst einiger Republikaner hatte er. Auch außerhalb des geheimen Kreise, der sich um ihn bildete. Er hatte für ihr Wohlwollen genug springen lassen. Und die anderen, die ihm nicht bestanden? Die rote Liste hatte er schon früh erarbeitet, und im Fall seines Triumphes setzte er auf legalen Mord, der kein Gesetz brach. Abschaum wie Falco gierten schon wie Hyänen nach dem geeigneten Besitz und den gewaltigen Finanzen, die er abstauben wollte.

      „Wird man seine Leiche finden?“, fragte er nachdenklich.

      „Nein, Herr. Fulvio fiel in den Tiber und wird erst im Latinum auftauchen. Keiner kann ihn mit uns in Verbindung setzten. Dafür habe ich gesorgt.“

      „Hatte er die Möglichkeit, irgendjemand von diesem Komplott zu erzählen?“

      „Das glaub ich nicht.“

      „Du glaubst? Glauben ist nicht Wissen!“ Wenn er doch einmal sein Gehirn einschalten würde, könnte er auch mit ihm mithalten. Vielleicht war er aber auch als Kind beim Baden einmal zu viel in das kochende Wasser getaucht worden und hatte ihm geschadet.

      Falco schreckte erneut zusammen. „Das Einzigste, was er nach dem Treffen tat, war Musa, die niedliche Blumenhändlerin, vor Titus, dem Bäcker vom unteren Aventin, zuretten, und er hat sie danach nach Hause gebracht.“

      „Und? Hat er ihr irgendetwas erzählt?“

      „Keine Ahnung. Wir waren zu weit weg.“ Pulcher blinzelte. Falco war zu dämlich, um ihn eine Lüge aufzutischen. Er wusste, dass auch nur der Ansatz einer Täuschung, seinen Tod bedeutete, und Pulcher zu geschickt mit dem Dolch. Wusste, wie er damit umzugehen hatte. Falco war in dieser Hinsicht ganz anders. Hinterrücks nutzte er seine Chance, wie ein Wiesel auf Beutezug.

      Falco sah sich um. Der vor Blut triefende Sklave war immer noch am Leben. Hielt an seinem Schicksalsfaden fest und röchelte auf. Darüber wunderte er sich am meisten, und er konnte nichts gegen die Launen des Senators unternehmen. Er befand sich ganz und gar in seiner Hand.

      „Hmmm...“, wiederholte Pulcher. Falco ahnte, was in seinem Kopf vor sich ging. „Überlass die Kleine mir. Ich werde schon herausbekommen, was sie über ihn weiß, oder nicht. Und du? Räume erst einmal deinen Saustall auf. Sonst tu ich es!“

      Falco atmete auf. Froh aus der Sache mit dem Killer herausgekommen zu sein, grinste er breit auf und sah zu, wie der Senator seinen Becher auf den Tisch stellte. Pulcher musste seinen Kontakt treffen. Der Trottel von Hurenwirt wäre nur fehl am Platz, obwohl er mit dem Wunsch rang, ihn ein für alle male den Schädel einzuschlagen. Noch brauchte er ihn. Später konnte er sich ja etwas einfallen lassen, um ihn verschwinden zu lassen. Leise verließ er den Raum. Er musste aus dem Haus heraus, wenn er nicht seine Gesundheit riskieren und sich eine Krankheit einfangen wollte. Wer gern mit Flöhe oder Ratten spielte wollte, war in seinem Puff genau richtig, und er wunderte sich, dass der Laden brummte.

      Die Strasse vor dem Laden war wie immer überlaufen. Händler priesen ihre Waren an, räudige Hunde balgten sich um die Abfälle der Metzger, und die unzähligen Taschendiebe spähten ihr nächstes Opfer aus. Es war Markttag, und jeder tat beschäftigt. Selbst die Kleine mit ihren exotischen Blumen. Sie war eine Schönheit, und ihre lange, gelockte, schwarze Mähne glänzte in der Sonne. Sie lächelte. Ihre Kundin war zufrieden. Er kannte die Käuferin der Blume genau und wäre viel lieber an ihr vorbeigeschlichen, ohne sich mit ihren zynischen Sprüchen auseinander zusetzten. Musa war wichtiger, als die Flucht vor der Großnichte der Livia Drusilla, und so stellte er sich der giftigen Natter, die ihn aus ihren Augenwinkel gesehen hatte, anwidert ihre Lippen spitzte und hinter vorgehaltener Hand mit ihrer Sklavin tuschelte. Leise lachte sie auf, als er auf sie zuschlich, sich umdrehte und ihn fragend anschaute.

      „Liv, ich wusste ja nicht, dass du auf Orchideen stehst. Bei deinem Wesen hätte ich eher auf eine Distel getippt.“

      „Ach, Sextus. Du begibst dich unter anständige Menschen. Sag mir jetzt bitte nicht, dass du plötzlich ein Gewissen entwickelt hast. Sonst versteckst du dich doch hinter dem Rücken der widerlichsten Schleimer und Maden und bezeichnest sie als beste Freunde“, kicherte das hochnäsige Biest und grinste ihn boshaft an. Sauer lachte Pulcher auf. Sollte sie doch ihr Gift verspritzen. Er würde den längeren Atem haben.

      „Wie immer, Haare auf den Zähnen. Ich frage mich die ganze Zeit, wie das dein Mann aushält, wenn du deinen speziellen Charme ausspielst. Doch die Valeries waren schon immer treudoofe Schoßhündchen. Ich würde glatt das Weite suchen und mich von dir scheiden lassen.“

      „Ha. Quintus ist kein Trottel und weiß mich schon zu nehmen. Er liebt mich schon seit langer Zeit, und ich ihn. Führte ich eine Ehe mit dir, währe dieser Bund für dich die Hölle auf Erden, und ich wäre gezwungen, oder zumindest dem Versuchung erlegen, dich mit schnellwirkenden Gift unter die Erde zu bringen. Gemeinheiten sind ja dein einzigste Hobby, was dich im Leben antreibt, und irgendwann einmal werden dir deine Intrigen dein Genick brechen. Was spuckt jetzt schon wieder in deinem Kopf herum? Eine Verschwörung? Ein Mord? Reizt dich die feuchte Fantasie nach Hause zu gehen, und dir nach unserer Begegnung einen herunterzuholen? Du bist, wer du bist, und wirst dich auch nicht ändern!“

      Livia minor drehte sich um. Musa gab ihr Sklavin schmunzelnd die rosafarbene Orchideen. „Wenn du also noch eine Dosis meines reizenden Charmes benötigst, kann ich dir tagtäglich einen Brief schreiben. Nicht, dass ich noch mehr Beleidigungen für dich auf Lager hätte.“

      Pulcher schaute sie abfällig an. Diese Demütigung dieser Hexe saß, und er sehnte sich jenen Tag herbei, an der er ihr für diese Worte eine Reinwürgen konnte. Diese Entscheidung war leicht. Ihr Mann und seine chaotischen Freunde waren für Pulcher schon immer ein rotes Tuch in seinen Augen, und er hatte für jeden einzelnen der Freunde schon den passenden Racheplan ausgeheckt hatte. Livia hob ihre Hand und verabschiedete sich von ihm mit einer ihrer typisch abfälligen Handbewegungen. Der Wunsch, ihr in diesem Moment einen Dolch in den Rücken zu rammen, wurde immer größer.

      Pulcher ließ es bei diesem Wortgefecht. Die Zuschauer auf dem Marktplatz würden ihn nach dieser Tat sicherlich steinigen und ein triefendes Häufchen Fleisch zurücklassen. Selbst wenn er aus einer alten Familie Roms stammte.

      Musa schaute ihn mit ihren glänzenden, schwarzen Augen an. Das war also die Kleine, die Fulvio aus der Patsche geholfen hatte. War nun die Frage, wieviel sie wusste? Hatte sie der Killer eingeweiht, kurz bevor er in die Ewigkeit versank?

      „Ich