S.A. Michael

Charmante Tribune küsst man nicht


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Herr. Ich habe ihn gestern Nacht das letzte Mal gesehen. Er hat mich nach Hause gebracht und ist danach gegangen. Doch heute? Nein, Herr. Heute habe ich ihn noch nicht gesehen.“

      Pulcher betrachtete sie ganz genau. Ihr puppenhaften Gesicht verriet nicht, was sie dachte, fühlte oder gar wusste? War sie überhaupt für eine Lüge fähig? Keine ihrer Regungen. Sagte sie auch die Wahrheit? Pulcher musste es herausfinden, doch Musa klimperte unschuldig mit den Augen, sah ihn fragend an und verschränkte ihr Arme vor ihrer Brust.

      „Na, macht nichts. Er wird sich sicherlich bei mir melden. Sollte er zu dir kommen, könntest du mir Bescheid geben?“, sagte er freundlich.

      „Oh, na klar. Aber wenn du einen Termin mit ihm etwas ausgemacht hast, wird er sicherlich heute noch kommen“, jauchzte sie.

      Pulcher atmete auf. „Dann wünsche ich dir noch einen guten Tag, schönes Mädchen.“

      „Ebenso, Herr“, verabschiedete sie sich und wand sich ihren Blumen zu.

      Langsam drehte er sich um. Behielt sie im Auge. Geschäftig sortierte sie ihre weißen Rosen, die sie geschickt in eine tönerne Vase stopfte, zupfte an jedem Blatt und benetzte die Blüten ihrer Blume mit Wasser.

      Pulcher schreckte zurück. Er erhaschte noch einmal einen Blick von ihr. Starr und verräterisch mit einer roten Rose in der Hand. Es war genau die selbe Blüte, die Falco aus dem Tiber fischte. Zufall? Er konnte es kaum fassen.

      „Herr, da bist du ja.“ Japsend versucht Falco ihn einzuholen. Die Schritte unter seinen Füßen hallten auf den verwitterten Steine wieder.

      „Was willst du schon wieder?“ Gereizt sah ihn Pulcher an.

      „Senator Gaius Junius Flaccus sucht nach dir. Er ist schon zu deiner Villa gegangen und wartet dort auf dich. Es klang sehr wichtig.“

      „In wie fern?“

      „Das hat er nicht gesagt.“ Falco blinzelte nervös auf. Zwei miese Nachrichten in einer Stunde erhöhten nicht gerade seine Sympathie. Das heißt, wenn der Senator je für ihn welche übrig gehabt hätte. Was er aber nicht glaubte, so wie der arrogante Idiot drauf war.

      „Wieso nicht?“

      „Er wollte er mir nicht mitteilen.“ Rechtfertigungen. Nichts als Rechtfertigungen. Falco schluckte. Warum musste er ihn auch immer in den Hintern kriechen? Das nächste Mal wollte er sich aus allem heraushalten, auf Sizilien Urlaub machen oder sich in ein Loch verstecken. Scheiße auf das Geld, was der Senator zahlte. Eine Hungerlohn zu dem, was Pulcher einsackte. Er würde niemals den gewünschten Posten bekommen.

      Pulcher atmete auf: „Also, gut. Du kannst gehen. Musa wird ja überwacht.“

      „Aber sicher. Wenn sie einen falschen Ton sagt, wissen wir es. Sie wird danach nicht mehr die selbe Frau sein“, sagte er und schaute zu ihr hinüber. Ihre geschmeidige Bewegung, ihr sanftes Lächeln erregte ihn.

      Sie würde sich schon fügen, wenn er mit ihr fertig war, und das Juwel in seinem Stall werden.

      „Gut!“ Pulcher zupfte seine Toga zurecht und hielt seinen Zeigefinger vor seinen riesigen Zinken. „Wir sehen uns. Diesmal sollte alles nach meiner Zufriedenheit laufen!“

      „Aber natürlich“, hechelte der Hund.

      Pulcher nickte. An die Worte des Falco wollte er nicht so recht glauben. Viel zu oft tanzte seine Marionette aus der Reihe und verfehlten das Ziel. Zumindestens jetzt lief er in der richtigen Spur. Wer weiß, was seine anderen Handlanger versieben. Er war der Meister in seinem hinterhältigen und manipulativen Spiel. Alle anderen glaubte an die Wiederherstellung der Republik. Bis auf eine. Schafe. Lämmer, die er zur Schlachtbank führte. Sein Ziel hatte er klar vor Augen.

      Etwas später hatte er seine Villa erreicht. Zahlreich Sklaven wuselten geschäftig durch die Räume. Sie hatten Angst. Allzu oft griff er zur Peitsche, wenn sie nicht so wollten, wie er. Grazia, seine Frau, ließ ihre Pflichten schleifen. Dieses Verhalten musste er bei ihr im Keim ersticken. Schlampig war sie schon immer gewesen. Viel zu oft mit ihren Freunden unterwegs, auch, wenn er ihre nächtlichen Ausflüge nicht guthieß, und sie bat, sie zu lassen. Warum hatte er damals einer Heirat auch zugestimmt? Das fragte er sich noch bis zum jetzigen Tag. Vielleicht half eine Scheidung. Gründe für diese Trennung gab es genügend, und er würde alles unternehmen ihr Vermögen, welches sie mit in die Ehe brachte, unter den Nagel zu reißen. Egal, was ihre Familie danach für einen Rechtsstreit anstrebten. Das Leben war hart. Diese Lektion ihrer Untreuen sollte sie lernen, und er würde dafür sorgen. Immer wieder setzte sie ihm gewaltige Hörner auf und spielte ihr eigenes intrigante Spiel mit ihm. Hinterließ Zweifel. Verriet ihn, vor Eifersucht quälend und vergiftete seine Seele. Er war schon immer bestimmend gewesen und versuchte seine Ziele zu realisieren. Das wusste Grazia und verhöhnte sein maiputatives Spiel, dass er jeden Tag perfektionierte.

      Finster schaute er in das Atrium. Pulcher schäumte. Wiedereinmal hatte sie ohne seine Zustimmung die Handwerker in sein Haus geholt, die das Wasserbecken ausmaßen. Er fand, dass sein Innenhof in seinem Glanz ausreichend. Sie jedoch wollte noch einen Dschungel anlegen. Die ersten Palmen und Blumen verzierten das Innere der Villa den Raum unter dem Dach und verschönerte den Hof.

      Klar, sie hatte recht. Aber ausgerechnet an diesem Tag? Hatte er sie nicht gebeten, später mit ihren Vorhaben zu beginnen? Na ja, zumindest dann, wenn sie nicht spionieren konnte. Wo sie sich befand, konnte er dem Gezeter entnehmen. Ein Vorteil ihrer Anwesenheit. Die extreme Lautstärke, wenn sie in vollkommener Rage war. Sonst schlich sie wie eine Raubkatze auf Beutejagd durch ihr Heim, und er war ihre Beute.

      Pulcher schlängelte sich durch den angehäuften Schutt, durch die Steine und den teuren Marmorfliesen. Zeichen ihres Wohlstands und ihrer Sucht, besser zu sein als ihre Freundinnen. Das er bezahle musste, konnte er sich schon vorher ausmalen.

      Das edle Holz stapelte sich an der Tür zu Küche. Die Sklaven versuchten emsig wenigstes ein wenig Luft in das Chaos zu schaffen, und die Bretter in das Zimmer zu hieven, welches ansonsten seine Tante benutzte, wenn sie geruhte, ihm auf die Nerven zu gehen. Zum Zeitpunkt ihres Besuches flüchtete er aus der Villa und verkroch sich bei dem erstbesten Schleimer, der ihm einfiel. Was nicht bedeutete, dass er ihn auch mochte.

      „Wo ist die Herrin?“, fauchte er einen seiner Sklaven an, der das Pech hatte ihn über den Weg zu laufen. Der sommersprossige, rothaarige Bursche erschrak, und ängstlich schaute er zu Boden. Er wusste, wie der Herr drauf war, wenn er miesgelaunte nach Hause kam und zeigte zitternd mit seinem Finger in Richtung Küche. Die Tür stand offen, und ein lauter Schrei des Schmerzes drang aus seinen Inneren.

      Grazia schlug erneut zu. Die neue Sklavin, ein junges Ding, welches gerade einmal fünfzehn Jahre alt war, krümmte sich auf dem Boden zusammen und hielt ihre blutende Nase. Flehend sah sie nach oben. Grazia schaute sie wütend an. Sie hatte ihren ganzen Frust ausgelassen.

      Das zerrissene Kleid entblößte ihren zarten Oberkörper, und eine blutverkrustete Haarsträhne lag auf dem teuren Fleisch, dessen Anschaffungspreis weit über der blonden Kuh lag. Hart zog er das Mädchen an ihrem Arm nach oben. Ängstlich wich seinem gebieterischen Blick aus.

      „Wasch dich, und richte dich wieder her. Es ist nicht nötig, dass du noch mehr einsaust, als du ohnehin schon getan hast. Na los. Beweg dich. Sonst setzt es noch eine“, schupste er sie zur Tür und wartete, bis sie verschwunden war. „Grazia, was bei zu all den rachsüchtigen Furien, soll der Mist.“

      Pulcher schäumte vor Wut, und hasserfüllt schaute er seine Frau an. Seine Hand zuckte, übte sich in der Selbstbeherrschung, um nicht ihren Kopf auf die heiße Herdstelle zu drücken. Dieser Wunsch hielt sich hartnäckig in ihm. Grazia schaute ihn an. Es interessierte sie nicht im geringsten. Stolz hob sie ihren Kopf. In ihren braunen Augen glimmte der zornige Funken ihrer Wut. Sie stellte sich an den Küchentisch, griff nach einer zerbrochenen Karotte und warf sie auf das Holzbrett in seiner Nähe.

      „Was das soll? Die kleine Schlampe, die du gekauft hast, versuchte heimlich diese Karotte heraus zu schmuckeln. Das nenne ich Diebstahl. Du solltest einmal wie ein Mann handeln und nicht wie das armselige Würmchen, dass du