S.A. Michael

Charmante Tribune küsst man nicht


Скачать книгу

      Immer noch spürte Musa die stechenden Blicke von Falco auf ihren Rücken, und hoffte insgeheim, dass sie dieses Ekel irgendwie abschütteln zu können, als sie fröhlich lächelnd ihre bunten, nicht verkauften Blumen vor den Eingang ihres Heimes abstellte. Hier war sie zu Hause. Sie liebte es. Die Menschen um sie herum, wie sie lachten, scherzten und in vielen lauen Nächten draußen aßen, tranken und ihren häuslichen Verpflichtungen nach gingen. Sie war beliebt, hatte für jeden ein offenes Ohr und half jenen, die nicht für sich selbst sorgen konnte.

      Felix, einer ihrer nächste Nachbar grüßte sie. Sie hob ihre Hand und winkte zurück. Beschwingt, wie die Sommerfrische eines anbrechenden Morgens an der Adria, wies sie ihre beiden muskulösen Sklaven an, den Rest der nichtverkauften Töpfe im Hof zu verstauen und überreichte ihnen die Liste der reservierten Blumen und Pflanzen, die noch an diesem Abend abgeholt werden würden. Wann, dass wusste sie allerdings nicht und hoffte, dass es noch am gleichen Tag geschah.

      Falco hockte immer noch in seiner Ecke, drückte sich in seine Ecke und behielt sie im Blick. Versteckte sich wie ein Ratte. Die Beute war sie. Musa tat so, als ob sie ihn nicht gesehen hatte. Zu sehr hämmerte die Warnung vor seiner Niederträchtigkeit in ihrem Kopf, und sie fürchtete sich davor, was er ihr antuen könnte, käme es heraus. Sie musste ihn täuschen, und erschrak bei dem Gedanken, wie leicht es ihr doch fiel.

      Leicht stieg sie die hölzerne Treppe im Hof hinauf zu ihrer Wohnung, ohne ihm eines Blickes zu würdigen. Bog um die Ecke und schlenderte ihren Weg entlang. Keiner der Dielen knarrte mehr. Felix hatte Wort gehalten. Ihr alter Vater saß auf seiner Lieblingsbank auf der Terrasse im Freien und band die neuen bunten Glückwunschbändchen zusammen. Sanft wiegten sie sich im Winde, der vom Tiber heranzog. Schwebend, wie ein farbiges Meer aus lustigen Schimmern in der Abendsonne. Lächelnd sah er auf. Diese Arbeit war der einzigste Job, den ihn seine jüngste Tochter ihm zugestand. Alles andere machte er nicht richtig.

      Sie schmunzelte zurück. Das schütternde Haar des Siebzigjährigen war wiedereinmal wirr. Ein eindeutiges Zeichen, dass er wieder einmal ohne sich zu kämmen, von seinem langen Mittagsschlaf aufgestanden war. Ihr Vater ließ sich gehen. Musa gefiel seine Gleichgültigkeit nicht.

      „Hallo, Papa“, lächelte sie. Er liebte ihre Grübchen und lehnte sich an das Geländer zurück.

      „Hallo, meine Kleine. Ich habe dich schon von weitem gesehen, und der Typ von neben an hat dich angelächelt. Du hast es einmal wieder nicht gesehen.“

      „Gaius Felix ist verheiratet und liebt seine Lucilla.“

      „Das ist ein Grund. Aber kein Hindernis. Irgendwann einmal stirbst du kinderlos und als alte Jungfer.“ Musa schüttelte ihren Kopf. Noch immer wollte er sie verkuppeln, egal, ob verheiratet oder nicht. Sie war das einzigste Kind seiner fünf Töchter, die ihm noch keine Enkel geschenkt hatte, und darüber war er nicht gerade amüsiert. Musa musste ihn stoppen, sonst würde seine Paranoia eines Tages einmal ausarten, und er bei seiner Suche nach einem geeigneten Freier für sie einen Herzinfarkt erleiden.

      „Wie war dein Tag?“, fragte er schnell, um von diesem leidlichen Thema

      abzulenken, denn er wusste, wie sie reagierte, wenn er weiter auf ihre Situation ansprach. Musa kannte ihn zu gut und atmete erleichtert auf.

      „Wie immer, Paps. Es hat sich wieder einmal gelohnt, und sogar die ersten Patrizier kaufen bei mir ihre Pflanzen. Heute war die Nichte der Livia Drusilla bei mir, und auch die edle Amelia, die mit dem Senator Scipio Africanus verheiratet ist. Sie lobte meine Ware in den höchsten Tönen und hat mir zugesagt, öfters bei mir einzukaufen. Da kann der Doofi von unten an der Porta Capena nicht mithalten, obwohl er großspurig herumtönt, sein Gelände zu vergrößern. Den Plunder, den er in seinem Schuppen anbietet, kann er auch gleich in den Tiber schmeißen.“

      „Du bist die Beste, Schnäuzelchen“, schwärmte er. „Mach weiter so, und wir können uns irgendwann einmal ein Häuschen auf dem Palatin kaufen. Ach, da ist der Faden.“

      Musa lachte auf: „Ach, Paps. Da muss ich aber jede Menge Blumen verkaufen, und in fünfhundert Jahren kann ich dir diesen Wunsch erfüllen. Hast du schon etwas gegessen?“ Diese Frage hätte sie sich sparen können. Die Antwort kannte sie schon.

      „Nein“

      „Auch nicht zum Mittag?“

      „Da gab es nur gallischen Babybrei. Ich jedoch, mein liebes Töchterlein, habe noch alle Zähne. Das solltest du einmal deiner nordischen Köchin sagen. Und noch eins. Sie verhätschelt mich wie ein Kleinkind.“

      Musa schnaubte auf. Verächtlich. Dieses Spiel spielte er nur allzu gern. Der Tod ihrer Mutter war der Auslöser gewesen. Dabei schaute sie immer, dass, während sie an ihrem Stand war, er mit allem versorgt wurde. Ihr alter Herr weigerte sich wie ein altes, stures Maultier. Versuchte mit all seinen Kräften ihre Köchin zu sabotieren, nur um Musa zu erweichen, sich doch noch um ihn zu kümmern.

      „Ich mache dir gleich etwas bissfestes“, murrte sie und betonte ihre Worte. „Nur solltest du wirklich einmal mit deinen Albernheiten aufhören. Gaia macht schließlich nur das Essen, was ich ihr auftrage, und du sträubst dich mal wieder wie ein alter Bock.“

      „Gallisches Einerlei!“

      „Ach, Paps.“ Leich strich sie über seinen Rücken. Immer noch der alte Sturrkopf. Wenn er doch endlich einmal auf sie hören würde. Musa hätte ein leichteres Leben. Doch er war nicht ihr einziges Problem. Etwas anderes beschäftigte sie noch mehr. Hinter dem Schrank in der Küche befand sich, von außen nicht einzusehen, der Kellereingang ihrer Wohnung.

      Leicht schob sie die Tür auf und starrte auf das unten flackernde Kerzenlicht.

      In der letzten Nacht schien noch alles perfekt gewesen zu sein. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie Fulvio sah, und er ihr half. Musa war es egal, was die Leute über ihn sagten und wussten. Die meisten Geschichten wurden sowieso nach belieben ausgeschmückt. Es waren Tratschtanten und konnten den liebenlangen Tag nichts anderes. Und Paps? Müde zuckte sie mit ihren Schultern. Irgendwann einmal würde sie ihm davon erzählen. Spätestens, wenn er ihr auf die Schliche kam. Hinter ihr Geheimnis, was sie versteckt hielt, und sie fragen würde, wie sie in diesen Schlamassel gekommen war.

      Musa wusste es selber nicht, und die hochgewachsene Nubierin, die sich in der Heilkunst auskannte, würde sie nicht verraten. Leise schloss sie die Tür und verschwand in dem feuchten Keller.

      Kapitel IV

      Anfang September war das Wetter noch warm, und der junge Tribun Marcus Cornelius Scipio Africanus, den alle seine engen Freunde nur Scip nannten, brütete leise fluchend unter der herbstlichen Sonne vor sich her, ohne auch nur einen sinnvollen Gedanken erfassen zu können. Die Sonne schaffte ihn. Strahlte hämische auf ihn nieder und verspottet den jungen Offizier, der den langweiligen Dienst abgrundtief hasste.

      Das, was er sich jedoch wünschte und sich tief in seinen Hirnwindungen festfraß, war Drang nach dem Feierabend und einem kühlen Bad in den Fluten des nahe liegenden Flusses, gefolgt von dem anrüchigen Würfelspiel in dem provisorischen Zelt der griechischen Hure Alexandra, mit dem einzigsten Ziel, dass der Verlierer splitternackt vor dem Sieger saß. Kennengelernt hatte er sie im vergangenen Sommer, als sie abgekämpft und maulend auf das Sommerlager der drei Legionen traf. Im Schlepptau einen chattischen Fürsten mit seinem Sohn, in dessen Lager er am nächsten Morgen mit einem riesigen Kater aufwachte. Wie er dahingekommen war, fragte er sich noch an diesem Tag. Eigentlich immer, wenn er an der kleinen Gasse vorbeikam, die ihn daran erinnerte und ihn mahnend anstarte.

      Scip hatte einen Riecher für gute Laune und wollte sie auch verbreiten. Aber nach dem gewaltigen Rüffel von Vala, der ihn mitten im Rausch von Wein und Hanf auf griff, musste der junge Offizier extreme Vorsicht walten lassen, um nicht noch einen Verweis zu kassieren und seine stimmungsvollen Aktivitäten nach Dienstschluss verbannen.

      Der Reiterführer pferchte ihn ein, passte ihm nicht, und er wusste, dass Valas Arm lag war. Viel zu lang, und Scip sich seinem Willen fügen. Auf eine