J. U. Gowski

4467 Tage oder Der Rache langer Atem


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      © 2016 Copyright by Jörg Ugowski

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      Überarbeitete Neuauflage © 2020

      Verlag:

      Jörg Ugowski

      Tschaikowskistraße 3

      13156 Berlin

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      Druck:

      epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar.

      

      

      

      

      

       Für Moni,

       David, Sarah, Kora

       Meiner Großmutter Ruth Ugowski gewidmet.

       In der Hoffnung, dass ihr der Krimi gefallen hätte.

      Prolog

       11 Jahre, 11 Monate und 4 Tage zuvor

      Er brauchte eine kurze Verschnaufpause. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wo er sich gerade befand. Es sah alles gleich aus. Die Häuserfassaden grau, dreckig und marode. Er war einfach losgerannt, um die Ecken, durch die Dunkelheit. Er lief weiter. Stolperte. Versuchte sich mit den Händen abzustützen und knallte mit dem Kopf gegen die Häuserwand. Benommen fiel er durch eine offene Tür in einen Hausflur. Er rappelte sich auf, schloss die Tür und blieb im Schutz des dunklen Hausflures dahinter stehen. Er lauschte. Außer seinem keuchenden Atem war nichts zu hören. Es beruhigte ihn etwas. Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte die spärlich beleuchtete Straße hinunter. Kein Verfolger zu sehen. Langsam trat er aus dem Hausflur und sprintete los. Er hatte nur einen Gedanken im Kopf: Weg hier! Das Eckhaus vorne kam ihm bekannt vor. Er erkannte es wieder an den schiefen Holzrollos vor den Fenstern im Erdgeschoss. Eine Straße weiter, hatte er seinen Wagen geparkt. Direkt vor dem Kaiser’s Markt. Ein kurzes Stück noch, dann hatte er es geschafft. Außer Atem sprang er in den BMW seines Vaters, schloss die Zentralverriegelung und versuchte zu starten. In seiner Panik würgte er den Wagen ab. Seine Hände zitterten. Gehetzt warf er einen Blick über die Schulter. Sein rechtes Auge war stark angeschwollen. Es schien ihm keiner gefolgt zu sein. Erleichtert atmete er auf, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Warum war die Situation wieder so aus den Fugen geraten? Er schüttelte unbewusst den Kopf. Er sollte nicht mehr trinken. Eine Feststellung, die er schon öfter getroffen hatte. Immer wieder nahm er es sich vor. Es half nur nichts. Er trank dann doch ein Glas. Und dann noch eins und noch eins. Jedes Mal dachte er, er hätte es im Griff. Und jedes Mal lag er falsch. Er atmete tief durch. Ganz ruhig, sagte er sich. Er bereute es, auf die Party gegangen zu sein. Der Aushang vor drei Monaten in der Mensa hatte ihn neugierig gemacht. Erstes Perlenfest in Prenzlauer Berg! Er hatte keinen blassen Schimmer von dem, was ihn dort erwartete. Sein Freund Ronny hatte ihn dann aufgeklärt: Man nimmt bunte Perlenketten und wirft sie den Mädchen über den Kopf, die es wagen ihre Brüste zu zeigen. Nackt natürlich. So soll es wohl Tradition sein in New Orleans, im French Quarter in der Bourbon Street. Für ihn hörte es sich spannend an. Dass man die Perlenketten vor Ort für ein paar Taler bei ihm kaufen musste, sagte Ronny nicht. Er war eben ein Schlitzohr und der Organisator des Festes und sein einziger Freund.

      Tja der Osten! Die Frauen dort waren schon immer etwas freizügiger, hatte ihm sein Vater immer wieder vorgeschwärmt. Der hatte gut reden. Bei dem Gedanken an seinen Vater seufzte er. Als Siemensmanager verdiente der gut, war mit seiner D-Mark bis zum Mauerfall im Osten ein gern gesehener Gast. Angebote für amouröse Abenteuer gab es genug. Vielleicht ein Grund weswegen seine Mutter es bei ihm nicht mehr ausgehalten hatte. Sein Vater war ein selbstgefälliger Mistkerl. Er konnte ihn nicht leiden, und schlimmer: Er hatte Angst vor ihm.

      Der Abend hatte schön begonnen. Nach drei Mojitos fühlte sich sein Leben lebenswert an. Nach vier hatte er das Bedürfnis gehabt, die Brüste nicht nur anzustarren und nach dem Fünften, diesem auch nachgegeben. In Erinnerung daran kicherte er vor sich hin. Blöd nur, dass das Mädel gleich hysterisch losschrie und ihm eine scheuerte. Seine Grabscherei war eine grobe Regelverletzung, wie die anderen Gäste meinten, einschließlich der Freund der Kleinen. Ein Schrank von einem Kerl mit pickligem Gesicht. Der oder irgendein anderer Typ hatten ihm das eindringlich klargemacht. Die Schwellung an seinem rechten Auge verriet es. In der Hitze der Diskussion hatte er nicht darauf geachtet, von wem die Faust kam. Sie knallte einfach plötzlich in sein Gesicht. Sein Freund Ronny war weit und breit nicht zusehen. Er hätte ihm sicher aus der prekären Lage herausgeholfen, da war er sich sicher. Ronny hätte es klären können. So blieb ihm aber nur die Flucht. Das hatte er davon, dass er versuchte den Osten zu erobern! Zum Glück hatte sein Vater ihm den silbernen BMW geliehen. Widerstrebend! Der Blick, als sein Vater ihm den Autoschlüssel gab, verursachte ihm jetzt immer noch Gänsehaut. Er ließ ihn ahnen, was passieren würde, wenn der Wagen auch nur einen Kratzer abbekäme. Zu Fuß durch den Osten zu touren wäre ihm jedoch im Traum nicht eingefallen!

      Ein heftiges Klatschen auf der Motorhaube ließ ihn hochschrecken. Das picklige Gesicht grinste ihn hämisch durch die Frontscheibe an. Er erkannte es sofort. Die große Gestalt stützte sich vornübergebeugt mit beiden Händen auf der Motorhaube ab. Er geriet in Panik. Mit aschfahlem Gesicht drehte er hastig den Zündschlüssel für einen erneuten Startversuch. Sein Handgelenk schmerzte, erinnerte ihn an den Sturz in den Hausflur. Der Motor sprang an. Die Scheinwerfer flammten auf und tauchten die löchrige Fassade des Altbaus in grelles Licht. Er musste da vorn links rum und dann rechts auf die Hauptstraße, das hatte er