Лев Толстой

Die Kosaken


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bemerkt, zog sein Messerchen hinter dem Dolche hervor und schnitt sie ab.

      »Das gibt einen Ladestock«, sagte er und führte mit der Gerte einen pfeifenden Hieb durch die Luft.

      Die Kosaken saßen in dem mit Lehm beworfenen Vorraum des Wachthauses um ein niedriges tatarisches Tischchen herum auf dem bloßen Boden, als plötzlich die Rede darauf kam, wer an der Reihe sei, den vorgeschobenen Posten zu beziehen.

      »Wer ist heut' eigentlich dran?« rief einer der Kosaken durch die offene Tür des Wachthauses dem Unteroffizier zu.

      »Ja, wer ist dran?« ließ der Unteroffizier sich vernehmen. »Onkel Burlak war schon dort, und ebenso Fomuschkin«, sagte er, seiner Sache nicht ganz sicher. »Vielleicht geht ihr beide, du und Nasar«, wandte er sich an Luka. »Auch Jerguschow kann mitgehen, er hat jetzt wohl ausgeschlafen.«

      »Der kann nie genug schlafen – ganz so wie du!« sagte Nasarka halblaut.

      Die Kosaken lachten.

      Jerguschow war jener Kosak, der betrunken an der Wand des Wachthauses geschlafen hatte. Er trat soeben, sich die Augen reibend und leicht schwankend, in den Flur.

      Lukaschka war aufgestanden, um sein Gewehr nachzusehen.

      »Brecht nur bald auf – eßt euer Abendbrot und geht!« sagte der Unteroffizier, offenbar nicht recht sicher, ob die Kosaken ihm auch gehorchen würden. »Wenn's nicht befohlen wäre, würde ich keinen hinschicken, doch ehe man sich's versieht, kann einem der Hauptmann auf den Hals kommen. Übrigens sollen acht Mann von den Abreken über den Fluß gesetzt sein.«

      »Man wird wohl hingehen müssen«, sagte Jerguschow, »schon der Ordnung wegen. Da hilft mal nichts, die Zeiten sind eben danach. Ich sage also: gehen wir!«

      Lukaschka saß da und führte eben mit beiden Händen ein großes Stück von seinem Fasan zum Munde, während er bald den Unteroffizier, bald Nasarka ansah. Er schien ganz gleichgültig gegen alles und lachte über die beiden. Noch waren die drei Kosaken nicht nach dem vorgeschobenen Posten abgegangen, als Onkel Jeroschka, der bis zum Einbruch der Nacht vergeblich unter der Platane gesessen hatte, den dunklen Flur betrat.

      »Na, Kinder«, dröhnte sein Baß durch den niedrigen Flur, die Stimmen der anderen übertönend – »ich will mit euch gehen. Ihr könnt die Tschetschenzen totschießen, und ich will auf Wildschweine pirschen.«

      8

      Es war bereits ganz dunkel, als Onkel Jeroschka und die drei Kosaken, in kurze Filzmäntel gehüllt, die Flinte über der Schulter, vom Wachthause aus am Terek entlang nach der Stelle gingen, die für den vorgeschobenen Posten ausersehen war. Nasarka hatte durchaus keine Lust zum Mitgehen, doch Luka ließ ihn hart an, und so machten sie sich rasch auf den Weg. Sie gingen schweigend einige Schritte, bogen dann seitwärts ab und kamen auf einem kaum sichtbaren schmalen Fußpfad durch das Schilfrohr ans Ufer des Terek. Hier lag ein dicker schwarzer Balken, den das Wasser angeschwemmt hatte; das Schilf rings um den Balken war frisch zertreten.

      »Sollen wir uns hier auf die Lauer legen?« begann Nasarka.

      »Wo denn sonst?« sagte Lukaschka. »Bleib hier sitzen, ich bring' nur den Onkel auf die Wildschweinsfährte und bin gleich wieder zurück.«

      »Ein guter Platz«, bemerkte Jerguschow – »uns sieht man nicht, und wir können alles sehen! Hier wollen wir bleiben – wirklich ein sehr guter Platz!«

      Nasarka und Jerguschow breiteten ihre Filzmäntel aus und machten es sich hinter dem Balken bequem, während Lukaschka mit Onkel Jeroschka weiterging.

      »Hier in der Nähe ist es, Onkel«, sagte Lukaschka leise, während er unhörbar vor dem Alten herschritt. »Ich zeige dir, wo sie vorübergelaufen sind. Außer mir weiß es niemand, Bruder.«

      »Zeig's mir nur, Greifer – bist ein wackrer Bursche«, entgegnete der Alte, gleichfalls flüsternd.

      Sie gingen ein paar Schritte weiter, dann blieb Lukaschka stehen, bückte sich über eine Pfütze und ließ einen Pfiff hören.

      »Hier sind sie vorübergekommen, auf dem Wege zur Tränke, siehst du?« sagte er kaum hörbar, während er auf die frische Spur wies.

      »Christus beschütze dich«, antwortete der Alte. »Der Eber wird jenseits des Grabens sein, in seinem Schlammloch«, fügte er hinzu. »Ich will hier sitzen bleiben, geh nur zurück!«

      Lukaschka schob seinen Filzmantel höher und ging allein am Ufer entlang zurück, wobei er bald nach links, auf die Schilfwand, bald auf den zu seiner Rechten rauschenden Terek einen Blick warf.

      »Auch sie werden hier irgendwo auf der Lauer liegen oder herumkriechen«, sagte er sich, im Geiste mit den Tschetschenzen beschäftigt.

      Plötzlich hörte er im Wasser ein Rauschen und Plätschern: er fuhr zusammen und griff nach seiner Büchse. Vom Ufer her schoß ein Eber schnaubend an ihm vorüber: einen Augenblick hob die schwarze Gestalt des Tieres sich von der schimmernden Oberfläche des Wassers ab, um dann im Schilfe zu verschwinden. Luka riß schnell das Gewehr empor und legte an, doch kam er nicht mehr zum Schuss: der Eber war bereits ins Dickicht entkommen.

      Luka spuckte ärgerlich aus und ging weiter. Als er dem Posten nahekam, blieb er wieder stehen und pfiff leise. Ein Pfiff kam als Antwort zurück, und er trat zu den Kameraden hin.

      Nasarka lag, die Knie an die Brust gezogen, auf der Erde und schlief bereits. Jerguschow saß mit untergeschlagenen Beinen da und rückte ein wenig zur Seite, um Lukaschka Platz zu machen.

      »Wie hübsch es sich hier sitzt – wirklich ein guter Platz«, sagte er. »Hast du den Alten hingeführt?«

      »Ich hab' ihm die Stelle gezeigt«, antwortete Lukaschka, während er seinen Filzmantel ausbreitete. »Eben habe ich einen mächtigen Eber aufgescheucht, ganz dicht am Wasser. Es muß derselbe gewesen sein, den ich schon früher sah. Hast wohl gehört, wie er krachend durchs Dickicht brach?«

      »Hab' wohl ein Geräusch gehört, und ich dachte mir gleich: da hat wohl Lukaschka ein Stück Wild aufgejagt«, sagte Jerguschow und hüllte sich dichter in seinen Mantel. »Ich möchte jetzt schlafen«, fügte er hinzu – »wecke mich, sobald die Hähne gekräht haben, ich löse dich dann ab. Ich will jetzt schlafen und ausruhen – dann kannst du schlafen, während ich wache ... So machen wir's, wie?«

      »Ich will gar nicht schlafen, danke«, antwortete Lukaschka.

      Die Nacht war dunkel, warm und windstill. Nur auf der einen Seite der Himmelswölbung schimmerten die Sterne; der andere, größere Teil des Himmels, nach dem Gebirge zu, war von einer einzigen großen Wolke verhüllt. Die schwarze Wolke floß mit den Bergen in eins zusammen und zog langsam weiter, ohne daß der Wind sie trieb. Mit ihren ausgebuchteten Rändern hob sie sich scharf vom tiefblauen Sternenhimmel ab. Nur nach vorn hatte der Kosak einen freien Ausblick über den Terek und darüber hinaus in die Weite; hinter ihm und zu beiden Seiten stieg eine Wand von Schilfrohr empor. Zuweilen begann das Schilf, ohne sichtbare Ursache, zu wogen und zu rauschen. Von unten her gesehen, erschienen seine schwankenden Kolben am hellen Himmelsrande wie buschige Baumzweige. Dicht vor den Füßen hatten die Wachthabenden den Uferrand, unter dem der Fluß dahinrauschte. Weiterhin flimmerte die glänzende, bewegliche Masse der braunen Flut einförmig um die Sandbänke und Ufer. Noch weiter flossen dann Wasser, Ufer und Gewölk in undurchdringlichem Dunkel zusammen. Über die Oberfläche des Wassers zogen schwarze Schatten, die das geübte Auge des Kosaken als stromabwärts gehendes Schwemmholz unterschied. Ab und zu nur erhellte ein Wetterleuchten, das sich in dem dunklen Wasser spiegelte, die Linie des gegenüberliegenden steilen Ufers. Die einförmigen Laute der Nacht, das Rauschen des Schilfes, das Schnarchen der Kosaken, das Summen der Mücken und das Rieseln des Wassers wurden nur selten durch einen fernen Schuß, durch das Glucksen eines vom Ufer losgelösten Erdklumpens, durch das Aufspringen eines großen Fisches oder ein Knacken und Rascheln im Dickicht, das von dem durchbrechenden Wilde herrührte, unterbrochen. Eine Eule flatterte plötzlich auf und flog am Terek entlang weiter, wobei sie jedesmal beim zweiten Flügelschlag mit dem einen Flügel über den andern hinstrich.