Sandra Grauer

Mehr als Freundschaft?


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seinen Arm von meiner Schulter und machte mich auf den Weg ins Badezimmer. Ich hörte Pitt und Leon lachen, war ihnen aber nicht wirklich böse. Ich kannte sie schon lange, seit dem Kindergarten, um genau zu sein, und wusste, dass sie mich nur ein wenig aufziehen wollten. Wenn es drauf ankam, waren sie für mich da.

       Als ich zurück in die Küche kam, lehnte Pitt lässig an der Arbeitsfläche, während Leon auf einem Stuhl am Tisch saß. Beide hatten eine Flasche Cola in der Hand. Für mich hatten sie eine Cola Light auf den Tisch gestellt. Ich setzte mich Leon gegenüber, griff nach der Flasche und öffnete sie. Während ich einen großen Schluck nahm, vermied ich es, einen der beiden Jungs anzusehen. Sie starrten mich an, das spürte ich, und warteten darauf, dass ich nachgab und von Patrick erzählte.

       Mit Leon sprach ich gerne über solche Sachen, ich konnte gar nicht genau sagen, warum. Er hatte irgendwie so eine Art an sich, dass ich mich ihm gerne anvertraute. Mit Pitt redete ich allerdings nicht so gerne über Jungs. Was eigentlich komisch war, denn in der Regel war er viel neugieriger als Leon, was solche Themen anging. Nicht, dass er selbst kein Liebesleben gehabt hätte und stattdessen scharf darauf war, über Hörensagen an meinem teilzuhaben. Eher im Gegenteil, Pitt war echt beliebt bei den Mädchen aus der Schule. Und ich musste zugeben, dass er verdammt gut aussah.

       Leon hingegen hatte überhaupt kein Glück mit Mädchen, was ich so gar nicht verstand. Schließlich sah er auch ganz gut aus, selbst wenn es einem bei seinem Anblick nicht unbedingt die Sprache verschlug. Seine Haare waren dunkelbraun. Man hätte echt was draus machen können, aber Leon hatte einfach keinen Sinn für modische Frisuren. Seit ich ihn kannte, lief er immer gleich rum. Zu allem Überfluss war er auch noch unsportlich, und das sah man seinem Körper leider Gottes auch an. Nicht, dass er dick war, eher im Gegenteil. Aber ein paar Muskeln hätten ihm schon ganz gut getan. Seine blauen Augen waren aber wirklich schön. Außerdem war er total lieb, und man konnte sich auf ihn verlassen. Das war ja wohl auch wichtig. Trotzdem hatte er bis heute noch keine Freundin gehabt. Was nicht an ihm lag, wie ich wusste.

       »Also, was wollt ihr wissen?«, gab ich schließlich nach.

       Tja, das war ein Fehler, denn Pitt wollte natürlich alles wissen. Ich tat ihm den Gefallen. Und so erzählte ich zum zweiten Mal an diesem Tag von meinem Treffen mit Patrick, während sich allmählich der leckere Pizzaduft in der Küche ausbreitete.

       Leon

      »Das ist doch nicht dein Ernst?«, sagte Leon fast ein wenig schockiert. Er setzte sich auf und starrte Mia, die neben ihm auf seinem Bett saß, von der Seite an. Das konnte sie einfach nicht ernst meinen.

       »Warum denn nicht? Ich bin schließlich auch schon fast siebzehn. Was ist also dabei?«

       Was dabei war? Fragte sie das gerade wirklich? Das konnte er ihr sagen. Ihm fielen tausend Gründe ein. Patrick war ein Schleimer der übelsten Sorte. Ihm lag doch überhaupt nichts an ihr. Wahrscheinlich war Sex alles, was er von ihr wollte, und anschließend würde er sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Außerdem war ihm der Gedanke an Mia und Patrick im Bett einfach zuwider. Doch das konnte er ihr ja schlecht sagen. Sie war seine einzige Freundin und neben Pitt und seiner Oma der wichtigste Mensch für ihn. Sie würde sauer werden, und er wollte sich nicht zum Idioten machen.

       In Liebesdingen nahm sie einfach keine Ratschläge von ihm an, auch wenn sie mit ihrem Liebeskummer immer zu ihm kam. Ein wenig konnte er es ja verstehen. Es war ja nicht so, dass er bei den Mädels so viel Erfolg hatte. Ganz im Gegensatz zu Pitt. Manchmal verstand er einfach nicht, warum sie nicht mit ihren Problemen zu ihm ging und ihn um Rat fragte. Vielleicht lag es daran, dass Pitt nicht so feinfühlig wie er selbst war.

       »Du kannst deine Jungfräulichkeit doch nicht einfach an den Erstbesten verschwenden«, sagte Leon schließlich.

       »Patrick ist nicht der Erstbeste«, meinte Mia und sah fast ein wenig beleidigt aus.

       Oh nein, das war er nicht. Das wusste Leon nur zu gut. Mia hatte schon einige Freunde gehabt. Er hatte sie kommen und gehen sehen. Mia vertraute ihm schließlich immer alles an. Einerseits gefiel Leon der Gedanke, dass sie zu ihm kam und nicht zu Pitt. Es war schön, zu wissen, dass er Mia wichtig war. Aber gleichzeitig war es auch ein Fluch. Ein ums andere Mal musste er hilflos zusehen, wie sie in ihr Verderben lief. Sie hatte einfach kein Glück mit den Jungs. Wobei Leon mittlerweile ziemlich sicher war, dass es nicht an mangelndem Glück lag. Mia stand einfach auf die falschen Typen. Die, die es nicht ernst meinten und einfach nur ein bisschen Spaß suchten. Sie hätte durchaus auch die besseren, netteren Typen haben können, aber irgendwie hatte sie an denen kein Interesse. Trotz allem war Leon immer für Mia da, ließ sie sich an seiner Schulter ausweinen und munterte sie wieder auf. Nur, damit sie beim nächsten Mal denselben Fehler machte.

       Leon seufzte. »Natürlich ist Patrick nicht der Erstbeste. So hab ich das auch gar nicht gemeint. Ich finde nur, du solltest es nicht überstürzen.«

       »Leon, ich bin fast siebzehn! Findest du wirklich, ich würd's überstürzen, wenn ich mit ihm schlafen würde?«

       Schon der Gedanke daran löste bei Leon Brechreiz aus, auch wenn er nicht sagen konnte, warum. Er riss sich zusammen. »Es geht doch gar nicht ums Alter, Mia. Aber ihr seid doch noch nicht mal zusammen.«

       »Das ist nur noch eine Frage der Zeit.«

       Leon verdrehte die Augen. Am liebsten hätte er laut geschrien. Sie wollte ihn einfach nicht verstehen. Er wünschte, Pitt wäre noch da, statt wie jeden Montagabend auf dem Fußballplatz herumzurennen. Er hätte einfach seinen Arm um Mia gelegt und gesagt: »Mia, meine Süße, nun hör mir mal zu: Patrick ist ein Idiot, der es nur auf das Eine abgesehen hat. Ein bisschen Rumknutschen und Fummeln ist ja okay, aber der Slip bleibt an.« Und Mia hätte ihm zugehört. Sicher hätte sie sich seinen Vorschlag sogar zu Herzen genommen. Doch Leon konnte ihr mit so etwas nicht kommen, das wusste er.

       Resigniert seufzte er nun. »Sei einfach vorsichtig, okay? Ich will doch nur vermeiden, dass er dir wehtut.« Und das wird er, Mia, das wird er. Mia ließ ihren Kopf auf Leons Schulter sinken. »Es ist ja toll, wenn du dir Sorgen um mich machst, aber ich hab alles im Griff. Glaub mir, Leon. Ich weiß, was ich tu.« Wie gern würde er ihr glauben, aber er wusste, dass dem nicht so war.

      »Wir müssen was tun«, sagte Leon am nächsten Tag zu Pitt. Es war warm, und so konnten sie die Schulpause endlich mal wieder draußen verbringen. »Wahrscheinlich schmeißt er sich ihr jetzt gerade an den Hals.«

       Pitt grinste wissend.

       Leon stöhnte auf. »Oh nein, sag, dass das nicht wahr ist.«

       Pitt grinste immer noch. »Oh doch. Was meinst du, warum sie nicht hier ist? Mia und Patrick stehen vor den Schließfächern und knutschen.«

       »Und ich hatte gehofft, sie wäre bei den Hühnern.« Leon war irgendwann dazu übergegangen, Jasmin und Konsorten als »Hühner« zu bezeichnen. Das erschien ihm Mia gegenüber nur fair. Zwar konnte er ihre Freundinnen überhaupt nicht leiden, und er wusste nur zu gut, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte, aber trotzdem fiel es ihm schwer, sie »Zicken« oder noch schlimmer zu nennen. Immerhin waren sie Mias Freundinnen, und irgendwie hatte er das Gefühl, er würde damit auch sie beleidigen.

       »Und das von dir«, meinte Pitt. »Ich dachte, du kannst sie nicht ausstehen.«

       »Kann ich auch nicht. Trotzdem wär's mir lieber, Mia würde ihre Zeit mit denen verbringen als mit Patrick.«

       »Verstehe, wir haben einen neuen Staatsfeind Nummer Eins.« Pitt sah Leon einen Moment lang an. »Sag mal, was stört dich eigentlich so daran, wenn Mia und Patrick ein bisschen rumknutschen?«

       Er sah Leon einen Moment an, doch der antwortete nicht. Was hätte er auch sagen sollen? Er wusste ja selbst nicht so genau, warum er so ein Problem damit hatte.

       »Okay«, meinte Pitt, als er keine Antwort bekam, »es gibt bessere Typen als ihn, aber wenn ich dich mal dran erinnern darf, wen sie letzten Sommer angeschleppt hat …«

       »Oh Gott, jetzt komm mir bloß nicht mit Martin. Der war in der Tat noch übler drauf als Patrick, aber ich dachte, diese Phase hätten wir endlich überstanden.«

       Pitt legte